Josefine Paul: „Es geht darum, dass wir bei den Kleinsten ansetzen.“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Adipositas-Prävalenz

Portrait Josefine Paul

 Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder, die von Adipositas betroffen sind, tragen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, und sie werden auch mit hoher Wahrscheinlichkeit als Erwachsene übergewichtig sein.
Das geht auch einher mit der Frage: Wie fühle ich mich eigentlich in meinem Körper? Wie sind meine Körperzufriedenheit und mein Selbstwertgefühl? – Auch das ist alles bei übergewichtigen Menschen in vielen Fällen beeinträchtigt. Damit geht auch eine niedrigere Lebensqualität einher.
Aber man muss auch sagen: Wir setzen ja nicht bei null an, und schon gar nicht setzen wir bei den Kindern bei null an; denn Kinder haben durchaus ein hohes Interesse an gesunder Ernährung und Bewegung, und es gilt, dieses intrinsische Interesse zu nutzen, es aufzugreifen und zu steigern, da sie auch mehr darüber erfahren wollen.
Wenn man sich verschiedene Studien anschaut, dann wird man finden, dass Kinder gerade im Grundschulalter mehr über gesunde Ernährung wissen wollen, dass sie auch schon ein Gesundheitsbewusstsein haben. Dort gilt es anzusetzen und auch mit den Kindern in diesem Alter zu arbeiten und das ernst zu nehmen, denn es kommt auf die intrinsische Motivation an. Wenn ich selber weiß, dass ich gerne einen Apfel essen möchte, weil ich gelernt habe, dass der gut schmeckt, dann bringt das sehr viel mehr, als wenn man es ihnen sozusagen oktroyiert.
Gesundes Aufwachsen durch gesunde Ernährung und Bewegung führt auch dazu, dass Kinder eben nicht übergewichtig oder adipös werden, sondern sich auch gesünder, glücklicher und im Ganzen wohler fühlen.
Der vorliegende Antrag – ich meine, darauf ist schon verschiedentlich hingewiesen worden – greift aus unserer Sicht zu kurz. Die Fokussierung allein auf Schule setzt hier unserer Meinung nach bei Weitem zu spät an; denn was Hänschen nicht lernt, wird Hänschen in der Grundschule noch schwerer lernen, und Hans lernt es nimmermehr.
Ich habe gerade gesagt: Wer als Kind schon diese Interessen hat, der wird auch als erwachsener Mensch diese eingeübten Ernährungs- und Bildungsverhaltensweisen auch weiter tragen. Das heißt, in Ihrem Antrag werden die Kitas beispielsweise gar nicht erwähnt. Aber bereits bei den Kitas müssen wir ansetzen; denn insbesondere in den Kitas ist Essen mehr als die reine Nahrungsaufnahme. Da sind alle Malzeiten auch Teil alltagsintegrierter Ernährungsbildung. Deswegen ist es so wichtig, insbesondere die Kitas in den Blick zu nehmen.
Mit dem Programm „Bewegungskindergärten mit Pluspunkt Ernährung“ gibt es sogar Projekte, die noch darüber hinausgehen. Die Erkenntnisse, die dort gewonnen werden, gilt es auch weiter in die Neukonzeptionierung auch der Kita-Gesetzgebung einzubringen.
Sie erwähnen auch nicht die außerschulischen Angebote, wie beispielsweise in Jugendtreffs. Da gibt es auch – gefördert zum Beispiel in Kooperation mit der Verbraucherzentrale im Rahmen des Programms „Mehrwert NRW“ – Programme, wie Lebensmittel aus der Region Kindern und Jugendlichen nähergebracht werden.
Ich habe es gerade schon erwähnt: Kinder und Jugendliche, die in diesem Alter ein gewisses Gesundheitsverhalten eingeübt haben, werden dies oftmals auch im Erwachsenenalter so beibehalten. Deshalb geht es darum, dass wir bei den Kleinsten ansetzen. Vor allem – das ist auch ein ganz wichtiger Bereich – müssen wir auch die Eltern aktiv in die Ernährungsbildung mit einbeziehen. Auch dieser Aspekt fehlt leider komplett in diesem Antrag.
Der Antrag greift auch deshalb zu kurz, weil er nur so spärlich einzelne Punkte herausgreift. Auch da ist kein Gesamtkonzept, kein Gesamtansatz formuliert, nicht einmal der Versuch, einen Gesamtansatz zu formulieren. Sie nehmen das EU-Schulprogramm heraus, aber das ist nur ein Baustein, wenn auch ein guter Baustein. Es ist ein Baustein, mit dem wir jährlich 250.000 Schülerinnen und Schüler erreichen können. Das ist auf jeden Fall schon mal gut, es ist eben nur ein kleiner Baustein.
Die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung – ich meine, Frau Schneider hat es gerade schon erwähnt – mit der landesweiten Beratung und Unterstützung rund um Fragen von Ernährungsbildung, Verpflegungsqualität und Organisation ist ein wichtiger Punkt. Dieses Programm weist darauf hin, dass es weit um mehr als um einzelne Programme geht. Es geht um eine gesunde Kultur des Aufwachsens. Dazu zählen mehr als die Aspekte, die Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, und im Übrigen auch sehr viel mehr, als einfach nur auf die Schule zu schauen.
Eine bewegte und gesunde Alltagskultur verlangt auch, dass wir uns einmal anschauen, wie unsere heute Städte eigentlich aussehen. Wenn Kinder und Jugendliche keine Räume mehr haben, in denen sie sich frei bewegen können, wenn sie Angst haben müssen, von den SUVs ihrer Eltern auf dem Schulweg überfahren zu werden
(Zuruf von der FDP: Oh!)
und deswegen nicht mehr zu Fuß gehen, dann ist das ein Problem.
–  Herr Witzel, ich weiß gar nicht, was Sie damit für ein Problem haben. Sie müssten sich einfach mal die Studien anschauen, dann wüssten Sie Bescheid.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen Kinder, die sich auch alltagsintegriert bewegen können. Dazu gehört eben auch die Frage von Stadtentwicklung, ob Ihnen das passt oder nicht.
Die WHO empfiehlt pro Tag 60 Minuten Bewegungszeit. Dazu gehört eben ein bewegter Schulweg, dazu gehört die Möglichkeit, draußen zu spielen, dazu gehört natürlich auch institutionalisiert der Schulsport, aber auch dort bewegte Pausen und unterrichtsintegrierte Bewegung.
Wenn man all das zusammennimmt, haben wir in Deutschland leider noch Luft nach oben; denn nur ungefähr ein Fünftel der Jugendlichen erreicht diese Bewegungszeit. – Dieser Antrag allein reicht bei Weitem nicht aus. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Kinder & Familie