Josefine Paul: „Da geht es dann auch um die Frage einer besseren Bezahlung und um die Schaffung guter Arbeitsbedingungen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Fachkraftoffensive für KiTas

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kindertageseinrichtungen legen den Grundstein für gelingende Bildungsbiografien. Das klingt fast ein bisschen wie eine Binsenweisheit, aber nichtsdestotrotz ist es so. Es gibt eine weitere Aussage, die auch schon fast wie eine Binsenweisheit klingt, aber genauso wahr ist: Qualitativ gute frühkindliche Bildung braucht gut ausgebildete Fachkräfte.
Jetzt komme ich auf den Teil zu sprechen, in dem es mit diesen Floskeln nicht mehr ganz so einfach ist. Es geht um die Frage, was wir mit dieser Feststellung machen.
Ich möchte noch einmal klarstellen: In diesem Antrag, den wir heute vorlegen, geht es nicht um einen Beitrag zum allseits beliebten Kita-Schwarzer-Peter-Spiel, also darum, wer wann was hätte machen können, und warum wer was nicht gemacht hat. Ich hoffe, Marcel Hafke, deine Rede besteht nicht nur aus Textbausteinen, die dieses Schwarzer-Peter-Spiel widerspiegeln. Du guckst schon so.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich hoffe, darin ist ein bisschen mehr Substanzielles enthalten. Denn es geht darum, dass nicht zuletzt – das wissen wir alle – durch das Inkrafttreten des Rechtsanspruches ab dem ersten Lebensjahr ein höherer Fachkräftebedarf besteht. Es besteht auch deshalb ein höherer Fachkräftebedarf, weil dieses Angebot erfreulicherweise in einem höheren Maße von den Eltern angenommen wird, als dies vielleicht zunächst absehbar gewesen ist.
Neben dem Platzausbau konnten in den letzten zehn Jahren auch zusätzliche Beschäftigte, nämlich 34.000 an der Zahl, gewonnen werden. Leider ist aber auch klar, dass das zwar gut, aber längst nicht ausreichend ist.
Wir haben schon vielfach über die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen für eine gelungene und gute Kita gesprochen. Eine Zahl, die die Debatte in dem Zusammenhang immer wieder sehr stark befeuert, ist die Zahl von 16.000 Erzieherinnen und Erziehern, die wir zusätzlich allein in NRW bräuchten, legt man die Daten zugrunde, die die Bertelsmann Stiftung uns vorgelegt hat.
Dabei ist noch nicht mit eingepreist, dass wir auch einen wachsenden Fachkräftebedarf im Bereich der offenen Ganztagsschulen haben. Diesen haben wir ohnedies schon. Verschärft wird die Situation noch einmal durch die Ankündigung der Großen Koalition, bis 2025 auch hier einen Rechtsanspruch umsetzen zu wollen. Auch hier ist der Bund gefordert, dies mit Mitteln zu hinterlegen und uns als Länder und Kommunen zum einen beim Ausbau der dafür notwendigen Hardware, aber eben auch bei der Gewinnung von Fachkräften zu unterstützen.
Der Gradmesser – ich komme wieder zurück zu den Kitas – für qualitativ gute frühkindliche Bildung sind der Fachkraft-Kind-Schlüssel und ein neues Kita-Gesetz. Deshalb ist das an dieser Stelle natürlich auch ein Beitrag zur Debatte um ein neues Kitagesetz und die Parameter, die dieses neue Kitagesetz abdecken müssen. Ein neues Kita-Gesetz muss einen Personalschlüssel festschreiben, um die Qualität, aber eben auch die guten Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern in Kitas sicherzustellen.
Und wie machen wir das? – Naja: Fachkräfte gewinnen und vor allem auch Fachkräfte halten. Denn oftmals ist es so, dass wir zwar Erzieherinnen und Erzieher in Kitas haben, diese aber irgendwann sagen, dass sie sich eine andere berufliche Perspektive suchen – beispielsweise in anderen Teilen der Jugendhilfe. Wir wollen aber auch diese Fachkräfte im System der Kita halten, und dazu brauchen wir Arbeitsbedingungen, die das Berufsfeld der frühkindlichen Bildung attraktiver gestalten.
Das heißt, dass wir beim Fachkraft-Kind-Schlüssel eine Personalbemessungsgrundlage brauchen, die Zeiten mittelbarer pädagogischer Arbeit mit eingepreist, wir brauchen Leitungszeiten, die dort abgebildet werden, wir brauchen aber auch Zeiten der Fort- und Weiterbildung. Und wir müssen auch Fehlzeiten durch Urlaub oder Krankheit abbilden. Das alles muss Eingang in die Personalbemessung und in einen Fachkraft-Kind-Schlüssel finden, der nicht nur für qualitativ gute frühkindliche Bildung sorgt, sondern auch dafür, das Berufsfeld der Erzieherinnen und Erzieher attraktiv zu gestalten.
Da geht es dann natürlich auch um die Frage einer besseren Bezahlung und um die Schaffung guter – und eben nicht prekärer – Arbeitsbedingungen, bei denen vielleicht auch nicht immer die Vollzeittätigkeit und vor allem nicht immer die unbefristete Tätigkeit die Norm ist. In Nordrhein-Westfalen sind wir in dieser Hinsicht schon besser als andere Bundesländer, immerhin sind ungefähr 60 % der in unseren Kitas Beschäftigten unbefristet angestellt, aber auch da ist natürlich noch Luft nach oben.
Auch wir wissen, dass es natürlich nicht die eine Lösung gibt, um mal eben die Frage des Fachkräftemangels in unseren Kitas zu beheben. Das sieht im Übrigen auch die Jugend- und Familienministerkonferenz so, die auch angemahnt hat, dass wir ein ganzes Maßnahmenbündel brauchen.
Und es ist ja schön, dass immer so viele Männer im Familienausschuss sprechen, es wäre aber auch schön, wenn Sie sozusagen auch mal Ihre Geschlechtskollegen ansprechen würden; denn bislang sind nur 5 % der Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kitas männlich. Auch da ist also noch deutlich Luft nach oben.
Natürlich braucht es auch noch andere Maßnahmen, beispielsweise eine Steigerung der At- traktivität unterschiedlichster Ausbildungsmöglichkeiten. Dafür ist die praxisintegrierte Ausbildung ein Beispiel. Wir brauchen aber auch gerade zur Erhöhung der Anzahl der Erzieherinnen und Erzieher eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten. Das bedeutet, dass wir nicht nur dort die Kapazitäten steigern, sondern vor allem diejenigen Lehrerinnen und Lehrer ausbilden müssen, die dann unsere Erzieherinnen und Erzieher ausbilden.
Zusammengefasst: Wir haben Ihnen ein Maßnahmenpaket auf den Tisch gelegt, in dem wir diverse Punkte angesprochen haben. Wir erheben damit keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, wir freuen uns aber sehr darauf, das fachlich weiter zu diskutieren. Wir glauben: Gute Kitas brauchen gute Fachkräfte, und dementsprechend wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, das Thema im Ausschuss auch durch eine Anhörung zu begleiten. Wir freuen uns auf die Diskussionen. Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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