Matthi Bolte-Richter: „Statt staatlich geförderter Unsicherheit brauchen wir staatlich geförderte Sicherheit“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Strafverfolgung im Cyberraum

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist in der Tat so, dass wir hier über schwerwiegende Kriminalitätsphänomene sprechen. Es ist aber auch genauso klar, dass nicht jede Maßnahme gleich sinnvoll ist, nur weil sie einmal in der Rechtspolitik diskutiert wurde. Das ist bei vielen der Punkte, die in diesem Antrag aufgerufen werden, der Fall.
Liebe Kollegin Erwin, vielleicht zunächst einmal zu Ihnen. Ich habe mich schon gewundert – das habe ich aber auch schon, als ich am Dienstag Ihren Fraktionsbeschluss zur Digitalisierung las –, dass auch im Jahr 2018 diese Formel, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein darf, bei der NRW-CDU immer noch vorkommt. Bei denjenigen, die sich schon lange mit Digitalpolitik beschäftigen, schleicht sich da so ein wohliges Retrofeeling ein, weil wir eigentlich schon vor zehn Jahren denjenigen, die diese Formel vertreten haben, erklären konnten, weshalb das so ein gnadenloser Humbug ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man fragt sich in dieser Debatte manchmal: Wissen Sie eigentlich, was Sie da genau beantragen? Man fragt sich wie so oft, wenn es um Rechtspolitik und unter anderem auch um Bürgerrechtsfragen geht: Wo ist eigentlich die FDP? Ich wundere mich doch immer wieder, dass Sie das einfach genauso mitsingen, was Ihnen die Sicherheitsesoteriker der CDU in die Feder diktieren.
Wenn wir uns jetzt im Einzelnen anschauen, was in Ihrem Antrag so drinsteht, sind interessante Punkte enthalten. Dazu muss man zum einen sagen: Das ist ganz viel Symbolpolitik. Wenn Ihnen bei der CDU nichts anderes einfällt, dann wollen Sie Strafrahmen anheben. So auch hier. Aber Sie wissen genau, dass solche Strafrahmenfragen nicht wirklich zur Abschreckung, nicht wirklich zur Prävention dienen.
Sie nehmen Bezug auf mehrere Punkte, bei denen man einfach sagen muss: illegal ist halt illegal. Das gilt zum einen natürlich bei dem Vertrieb illegaler Waren und Dienstleistungen, das gilt aber noch viel mehr bei dieser Debatte. Sven Wolf hat es gerade schon angesprochen, dass wir als Grüne durchaus eine differenzierte Position haben.
Zum sogenannten digitalen Hausfriedensbruch gab es immer wieder die Beispiele, die Minister Biesenbach angeführt hat wie die sogenannte Zombie-IT, dass Webcams gekapert und über das Smart-TV Menschen gefilmt werden, möglicherweise auch in Situationen, in denen sie nicht gefilmt werden wollen. Herr Biesenbach hat das Liebesspiel erwähnt, getreu dem Motto: Sex sells. – Ja, das ist natürlich für den individuell Betroffenen ein massiver Eingriff. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind genau diese Vorgänge, die eben jetzt schon mit dem bestehenden Rechtsrahmen genauso gut zu verfolgen sind, denn es ist heute schon illegal, wenn man sich unbefugt Zugang zu Daten verschafft.
Es geht weiter: Im vorletzten Punkt sprechen Sie vom direkten Zugriff auf Daten in der Cloud, die ohne technische Kompromittierung zugänglich sind. – Was auch immer Sie damit meinen – Sie haben mich an der Stelle wirklich völlig ratlos zurückgelassen. Vielleicht klären Sie das im Ausschuss.
Dass Sie am Ende auch noch mit dem Internet-Kill-Switch anfangen – liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Diskussion kennen wir aus Staaten, mit denen wir uns eigentlich nicht unbedingt messen möchten. Das ist aus meiner Sicht schwer verträglich mit unseren Vorstellungen von Demokratie und einem demokratischen Rechtsstaat.
Nun gut, lassen Sie uns darüber diskutieren, was man anstelle Ihrer symbolpolitischen Forderungen bringen kann, wo es darum geht, was wirklich Sicherheit schafft, was wirklich Verbraucherrechte stärkt. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie verpflichtende Mindestanforderungen für IT-Sicherheit beispielsweise aussehen können. Lassen Sie uns darüber sprechen, wie EU-weit harmonisierte Zertifizierungsverfahren aussehen können, wie man wirkliche Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger schaffen kann, wie man Diskussionen etwa zur Produkthaftung voranbringen kann, wie man die Hersteller endlich in die Pflicht nehmen kann, wenn sie unsichere Produkte hergestellt haben.
Es ist ja richtig, über IT-Sicherheit und Datensicherheit miteinander zu sprechen. Lassen Sie uns dann auch darüber reden, was Sie für eine schizophrene Haltung an den Tag legen, wenn Sie die Hacker Ihres Innenministers losschicken und hier in Nordrhein-Westfalen Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung ausweiten wollen.
Statt staatlich geförderter Unsicherheit brauchen wir staatlich geförderte Sicherheit, brauchen wir robuste Verbraucherrechte. Wenn Sie darüber mit uns diskutieren wollten, hätten Sie uns an Ihrer Seite, aber für Ihre symbolpolitischen Fragen haben Sie das nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)