Monika Düker: „Es geht um Verbesserung von Rechtsschutzmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern“

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde - erste Lesung

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP als Antragsteller. Wir müssten heute nicht über diesen Gesetzentwurf reden, wenn man seitens der CDU und der FDP in der letzten Legislaturperiode etwas kompromissbereiter bei der Reform der Verfassung gewesen wäre. In der Verfassungskommission haben Sie sich wenig nachgiebig gezeigt, hier zu einem Kompromiss zu kommen.
Worum ging es damals? Wir – Grüne und SPD, Hans-Willi Körfges war da noch näher dran – zeigten uns bereit, hier bei dieser Initiative, die schon damals auf dem Tisch lag, mitzugehen. Aber im Gegenzug konnten CDU und FDP unserem Anliegen nicht folgen, da ging es ums Wahlalter 16 Jahre. Aber wenn es der FDP hier so sehr um Bürgerrechte geht: Auch die Einführung eines Wahlalter 16 Jahre hat etwas mit Bürgerrechten zu tun. Daher ist dieser Korb damals nicht zustande gekommen. Den Gesetzentwurf dann direkt nach Scheitern dieser Gespräche in der letzten Legislaturperiode einzubringen, war in der Sache nicht hilfreich.
Jetzt ist nachgebessert worden. Wir haben eine neue Legislaturperiode, und wir sollten hier unvoreingenommen an dieses Gesetzgebungsverfahren herangehen. Das wollen wir auch tun.
Worum geht es in der Sache? – Es geht um Grundrechtsgewährung, es geht um Verbesserung von Rechtsschutzmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern. Dieses Ziel ist selbstverständlich auch für meine Fraktion unterstützenswert. Aber es muss eben auch die Frage beantwortet werden, die sich im Gesetzgebungsverfahren sicher auch stellen wird:
Wo ist die substanzielle Rechtsschutzlücke? Wo ist im umgekehrten Fall der Mehrwert? Wo sind die Lücken, die mit diesem individuellen Zugang zum Verfassungsgerichtshof geschlossen werden? Ja – das ist auch ausgeführt worden –, sie sind da, wo grundrechtliche Gewährleistung in der Landesverfassung über das Grundgesetz hinausgeht; das sind die sogenannten überschießenden Grundrechte. Denn mit Art. 4 Abs. 1 unserer Landesverfassung sind sämtliche Grundrechte des Grundgesetzes ja schon unmittelbares Landesrecht. Also steht jedem Bürger, jeder Bürgerin der Gang nach Karlsruhe offen, und hier wird doch ein Großteil der Grundrechte bzw. der Schutzmöglichkeiten abgedeckt. Anders als im früheren Gesetzgebungsverfahren der FDP sind nunmehr in den Gesetzesbegründungen tatsächlich auch einige Beispiele aufgeführt. Es sind wenige, aber hier wird konkretisiert, wo tatsächlich die Lücke ist, wie sie die überschießenden Grundrechte darstellen, die dann den materiellen Rechtsschutzmehrwert bilden.
Mein Fazit an dieser Stelle, wenn wir uns fragen, was hier der rechtsstaatliche Profit ist, wenn wir an die Einführung der Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof herangehen: Erstens sind es aus meiner Sicht Bürgerinnen und Bürger, die profitieren könnten, wenn hier grundrechtliche Gewährleistungen aus der Landesverfassung über die grundrechtliche Gewährleistung aus dem Grundgesetz heraus tatsächlich einen materiellen Mehrwert bieten. Dies wäre ein Profit, den es auch zu unterstützen gilt. Ich stimme dem Kollegen Körfges zu: Das wird und muss Thema in der Anhörung sein, denn das ist die wesentliche Frage.
Der zweite Profit, der sich ergeben könnte – je nachdem, wie man es gestaltet –, wäre, dass die Wege zum Verfassungsurteil kürzer und niedrigschwelliger werden. Auch das könnte ein rechtsstaatlicher Gewinn sein.
Drittens könnten identitätsstiftende Effekte zur Landesverfassung und zu unserer Landesverfassungsjustiz entstehen, und auch das fänden wir positiv, wenn es so kommen würde.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Dann wäre da noch die Frage der Kosten, insbesondere ob und wie viel mehr Personal denn nun gebraucht wird. Denn das gehört zur Ehrlichkeit dazu: Wenn man diese Rechtsschutzmöglichkeiten erweitern will, muss es auch einen Apparat geben, der das dann effizient und qualitativ gut abarbeiten kann. Wenn auch das klar ist – sehr viel deutlicher, als es jetzt im Gesetzentwurf dargestellt wird – und dieser Mehrbedarf dann finanziert wird, dann kann auch meine Fraktion wohlwollend in dieses Gesetzgebungsverfahren gehen.
Auch ich freue mich auf alle weiteren Anhörungen, in denen diese Dinge vertieft werden können. Am Ende, wenn diese Fragen geklärt sind, können wir uns vorstellen, dem Gesetzentwurf dann auch beizutreten. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)