In welchem Umfang wird die Landesregierung die Kommunen von ihren Kosten für die G9 Leitentscheidung entlasten?

Kleine Anfrage der Abgeordneten Horst Becker, Sigrid Beer, Monika Düker und Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh

Am 22.03. wird der Landtag in erster Lesung das 13. Schulrechtsänderungsgesetz beraten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab dem Schuljahr 2019/20 alle öffentlichen Gymnasien auf eine neunjährige Ausbildungszeit (G9) umgestellt werden. Dabei bleibt es den Schulen vorbehalten, sich für einen Verbleib beim achtjährigen Bildungsweg (G8) auszusprechen. Durch die Umstellung entstehen sowohl beim Land, als auch bei den Kommunen neue Bedarfe. So werden laut Aussagen des Ministeriums für Schule und Bildung zwar ab dem Schuljahr 2019/20 zunächst weniger Lehrkräfte gebraucht, ab dem Jahr 2026 steigt die Zahl der benötigten Lehrerinnen und Lehrer jedoch auf 2.200 an. Darüber hinaus bedarf es im Endausbau zusätzlicher Investitionen der Kommunen aufgrund des erhöhten Raumbedarfs, aber auch mehr Mittel etwa für Lernmittel und Schülerfahrkosten. In der Presse war von Kosten in Höhe von 500 Millionen Euro (Kölner Stadtanzeiger vom 08.03.) und 1 Milliarde Euro (Rheinische Post vom 07.03.2018) für die Reform zu lesen. Letztere Schätzung dementierte der Minister der Finanzen jedoch in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom15.03. Die genauen Kosten für Land und Kommunen seien laut einem Faktenblatt des MSB vom 06.03.2018 noch nicht ermittelbar und seien abhängig von der Anzahl an Gymnasien, die sich letztlich für einen Verbleib bei G8 entscheiden.
Entstehen den Städten und Gemeinden durch den Landesgesetzgeber neue Kosten, geht es immer auch um Konnexität. In Nordrhein-Westfalen ist das Konnexitätsprinzip, nach dem Aufgaben- und Finanzverantwortung in eine Hand gehören, in der Landesverfassung verankert (vgl. Art. 78 Abs. 3). Darin heißt es:
„Das Land kann die Gemeinden und Gemeindeverbände durch Gesetz oder Rechtsverordnung zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Führt die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender und übertragbarer Aufgaben zu einer wesentlichen Belastung der davon betroffenen Gemeinden oder Gemeindeverbände, ist dafür durch Gesetz oder Rechtsverordnung aufgrund einer Kostenfolgeabschätzung ein entsprechender finanzieller Ausgleich für die entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Aufwendungen zu schaffen…“
Im Faktenblatt des MSB zum G9-Gesetz erkennt die Landesregierung an, „dass sich durch G9 wesentliche Belastungen für die Gemeinden und Kreise ergeben, die vom Land aufgrund des Konnexitätsprinzips auszugleichen sein werden.“ Minister der Finanzen Lienenkämper sprach in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 15.03. jedoch lediglich davon, dass die Landesregierung die Konnexität des Gesetzes „dem Grunde nach anerkenne“. Demgegenüber äußerte sich Ministerin Gebauer gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger vom 08.03.2018 sogar dahingehend, dass die Gesamtkosten der Reform „keinesfalls vom Land allein gedeckt werden“. Auch die Träger müssten Mittel bereitstellen, die sie über die Schulpauschale erhielten. „Für die Modernisierung gebe es einen großen finanziellen Rahmen: „Geld ist genug da“, sagte Gebauer. Was fehle, seien vor allem genügend Lehrkräfte.“ Die sogenannte Schul- oder Bildungspauschale erhalten die Kommunen dabei für Investitionsmaßnahmen im Bereich frühkindlicher Bildung sowie zur Aufgabenerfüllung im Schulbereich allgemein im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes, unabhängig von neuen konnexitätsrelevanten Gesetzesvorhaben der Landesregierung.
In welcher Höhe und auf welche Weise die Kommunen von den zusätzlichen Belastungen der Schulnovelle entlastet werden sollen, bleibt somit vorerst unklar. Die Landesregierung sieht vor, den finanziellen Ausgleich für die Kommunen im Rahmen eines gesonderten Belastungsausgleichsgesetzes zu regeln. Dieses soll die auf der Grundlage eines Gutachtens ermittelte Kostenfolgeabschätzung für G9 enthalten. Die Kommunalen Spitzenverbände zeigen sich dabei über das Vorgehen verwundert, Schulträger und gleichzeitig die Schulen zu befragen, welches als Misstrauen gegenüber den Kommunen als Schulträgern gewertet werden könnte. Das Gutachten soll laut Äußerungen der Landesregierung im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen vom 16.03.2018 im April bzw. Mai vorliegen. Wann ein Belastungsausgleichsgesetz schlussendlich in den Landtag eingebracht werden wird, steht aber wohl noch nicht fest. Dies bestätigte auch Minister der Finanzen Lienenkämper gegenüber dem Haushalts- und Finanzausschuss in 17. Sitzung. Wie das Konnexitätsprinzip in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden muss, regelt dabei das Konnexitätsausführungsgesetz (KonnexAG) aus dem Jahr 2004. Dieses verdeutlicht die Intention, dass über Gesetzesinhalt und Kostenfolgen für Land und Kommunen gemeinsam beraten werden sollte. So soll bei konnexitätsrelevanten Aufgabenübertragungen frühzeitig eine Kostenfolgeabschätzung erstellt werden. Der entsprechende finanzielle Ausgleich kann zwar auch in einem gesonderten Gesetz erfolgen (§6 KonnexAG), werden die Aufgabenübertragung und der Belastungsausgleich in zwei Gesetzentwürfen geregelt, sollte die Landesregierung dem Landtag diese Entwürfe jedoch gemeinsam zuleiten (§8 KonnexAG).
Die G9-Reform ist somit mit vielen Unsicherheiten insbesondere für die Kommunen, aber auch für den Landesetat, den Landesgesetzgeber und nicht zuletzt die Schulen behaftet. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche Kostenfaktoren erwartet die Landesregierung in welcher Höhe auf der Landes- und kommunalen Ebene durch die Leitentscheidung zu G9? (Bitte mit aufführen, wie sich diese zusammensetzen.)
  2. Inwieweit sollen die Schulträger aus Sicht der Landesregierung die Bildungspauschale aus dem GFG oder andere bereits vorhandene Mittel (z.B. Gute Schule 2020) zur Finanzierung des G9-Ausbaus verwenden?
  3. Inwiefern (wie, wann und in welchem Umfang) wird das Land die durch die Gesetzesänderung entstehenden zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Kommunen ausgleichen?
  4. Wie begründet die Landesregierung, dass ein Gesetzentwurf zum Belastungsausgleich nicht zeitgleich mit dem 13. Schulrechtsänderungsgesetz in den Landtag eingebracht wurde?
  5. Wie ist die konkrete Zeitplanung durch die Landesregierung im parlamentarischen Verfahren für das Belastungsausgleichgesetz zum G9? (Bitte geplante Termine Kabinettsbeschluss, Einbringung und Beschluss darlegen.)