Johannes Remmel: „Ich finde, die Automobilindustrie hat eine verdammte Pflicht, das zu tun“

Unterrichtung der Landesregierung und Antrag der GRÜNEN in Landtag zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, so manche Aufregung habe ich in der Debatte nicht verstanden, denn auch in solchen Debatten ist es sinnvoll – bei allen Notwendigkeiten, sich zu streiten –, das Gemeinsame festzuhalten. Ich habe es auch schon im Ausschuss betont – darüber brauchen wir uns, glaube ich, hier nicht zu streiten –, dass wir alle, die wir hier im Landtag versammelt sind sowie die Landesregierung, keine Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen wollen. Das haben wir immer alle betont.
Aber – und da fängt dann die Auseinandersetzung an – das eine ist das politische Wollen, und das andere ist das rechtliche Können. Von der Landesregierung und von den regierungstragenden Fraktionen habe ich nur Ausflüchte gehört, aber keine konkrete Befassung mit dem, was rechtlich gekonnt werden kann von dieser Landesregierung.
Wenn der Grundsatz gilt, insbesondere für eine Landesregierung, dass politisches Handeln auf dem Boden von Recht und Gesetz, und zwar europäischem Recht und Gesetz, nationalem Recht, stattfindet, muss man sich mit diesen Rechtssetzungen auseinandersetzen und die Spielräume des rechtlichen Könnens ausloten. Es sind drei Punkte, die von der Landes- regierung und von den Koalitionsfraktionen geschickt umschifft und nicht genannt worden sind.
Das Erste ist die europäische Luftreinhalterichtlinie, die es nicht erst seit 2010, sondern schon seit 1996 gibt. Es gibt konkrete Zeitläufe. Diese konkreten Zeitläufe enden. Im Mittelpunkt steht der Gesundheitsschutz, im Übrigen ein Verfassungsgrundsatz, nämlich der der körperlichen Unversehrtheit.
Ich muss schon sagen: Es ist zynisch, Herr Löttgen, wenn Sie die Menschen auf die zweite und dritte Etage verweisen. Das sind oft Menschen, die sich keine andere Wohnung leisten können, als an dieser Straße zu wohnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das, lieber Herr Löttgen, haben sowohl das Verwaltungsgericht in Düsseldorf und das Verwaltungsgericht in Stuttgart als auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass dieser Grundsatz über allem steht und einzuhalten ist.
Die Grenzwerte sind einzuhalten, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Der zeitliche Spielraum ist ausgesprochen begrenzt. Wir können nicht erst im Jahr 2030 mit entsprechenden Maßnahmen die Grenzwerte einhalten, sondern sie müssen jetzt eingehalten werden. Das ist die Vorgabe des Gerichts, und das engt unser rechtliches Können erheblich ein. Deshalb müssen jetzt Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.
Da verstehe ich Ihre zögerliche Haltung bezogen auf die Automobilindustrie schon gar nicht, denn das ist der einzige Ausweg, jetzt schnell zu Ergebnissen zu kommen, also 2018, 2019.
Herr Pinkwart, das Problem liegt nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern das Problem liegt in Berlin. Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert – und damit übrigens auch einem einstimmigen Beschluss der Umweltministerkonferenz nachzugehen –, die Automobilindustrie gesetzlich zu verpflichten, nachzurüsten. Ich finde, die Automobilindustrie hat eine verdammte Pflicht, das zu tun, weil sie nämlich mit bestimmten Maßnahmen dazu beigetragen hat, dass wir diese Grenzwertsituation haben und
(Beifall von den GRÜNEN)
sie damit die armen Autofahrerinnen und Autofahrer alleine lässt. Deshalb ist eine politische gesetzliche Grundlage jetzt nötig. Wir brauchen ein Gesetz, das die Automobilindustrie verpflichtet, nachzurüsten.
Da gibt es kein technisches Problem. Der ADAC hat erklärt, dass das möglich ist. Wir haben im Übrigen, Herr Wirtschaftsminister, in Nordrhein-Westfalen auch die Unternehmen, die das können. Wir würden auch noch ökonomisch davon profitieren, wenn wir in diese Richtung gehen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Remmel, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Zeit ist abgelaufen.
Johannes Remmel (GRÜNE): Warum prügeln Sie auf der einen Seite auf die Automobilindustrie ein wie auf einen Strohsack, fordern aber nicht, sie gesetzlich zu verpflichten, wenn es darum geht, Milliardenzahlungen an die Autofahrerinnen und Autofahrer zur Nachrüstung zu leisten?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deshalb stimmen Sie doch bitte schön unserem Antrag zu. Leider ist der Ministerpräsident …
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Remmel, die Zeit ist um, hatte ich gesagt. Darauf muss man schon eingehen, wenn ich das sage.
Johannes Remmel (GRÜNE): Ja. – Leider ist der Ministerpräsident jetzt nicht mehr da, aber wir haben ja gleich noch die Fragestunde zu den Fragen,
Vizepräsident Oliver Keymis: Genau!
Johannes Remmel (GRÜNE): wer wann wie die Haltung der Landesregierung den Bezirksregierungen erklärt. Dazu hat er bisher nichts gesagt.
(Matthias Kerkhoff [CDU]: Schluss jetzt!)
Das wäre schön, wenn die Landesregierung uns das noch erläutert.

Mehr zum Thema

Stadtentwicklung, Verkehr