Mehrfachsanktionierung von Fußballfans in NRW

Kleine Anfrage von Josefine Paul

Portrait Josefine Paul

Im Frühjahr 2016 wurden 15 Ultras des SC Rot-Weiß Oberhausen e.V. durch die Stadt Oberhausen aufgefordert sich einer Medizinisch Psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen. Begründet wurde die Aufforderung entsprechend § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz i. V. m. § 11 Absatz 3 Fahrerlaubnisverordnung mit erheblichen Zweifeln hinsichtlich der charakterlichen Eignung der Betroffenen zur Führung eines Kraftfahrzeugs. Untermauert wurden die Zweifel mit Auflistungen von eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Allerdings lagen die Ermittlungsverfahren bis zu 8 Jahre zurück. Zudem waren den Betroffen viele der Ermittlungsverfahren nicht bekannt und sie wurden größtenteils eingestellt. Erschwerend kommt hinzu, dass Verfahren aufgelistet wurden, bei denen die Betroffenen selbst Opfer waren.
In einem durch das Fanprojekt initiierten Gespräch mit zuständigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung, konnten die Betroffenen ihre Situation noch einmal schildern. Alle 15 Aufforderungen wurden daraufhin erneut einer Einzelfallprüfung unterzogen. Anschließend wurde die Aufforderung zur MPU nur noch gegen vier der Beteiligten aufrechterhalten. Keiner der Vier war bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund von Verkehrsdelikten auffällig geworden. Lediglich eine Person hatte einen Eintrag im erweiterten Führungszeugnis.
Nach Durchführung der MPU bzw. Fristablauf und dem sich anschließenden Führerscheinentzug, bestritten die Betroffenen schließlich den Klageweg vor dem Verwaltungsgericht. Vor Gericht wurde von mehreren geladenen Beamten ausgesagt, es handele sich bei den Geschehnissen in Oberhausen um ein „Pilotprojekt“. Dieses Pilotprojekt, samt seiner Laufzeit und genauen Ausgestaltung sind bisher nicht bekannt. Das Gericht folgte in seiner Entscheidung der Stadt Oberhausen und bejahte die Rechtsmäßigkeit des Führerscheinentzugs. Mittlerweile wurde eine fünfte Person aus der Fanszene dazu aufgefordert, sich einer MPU zu unterziehen.
Der Bundestag hat am 22.06.2017 eine Gesetzesänderung verabschiedet, nach der es möglich ist ein Fahrverbot als Nebenstrafe zu verhängen. Zuvor konnte diese Sanktion ausschließlich bei Verkehrsdelikten ausgesprochen werden. Nach der Gesetzesänderung ist die Aussprache eines Fahrverbots von bis zu sechs Monaten nun auch bei allen anderen Straftaten möglich. Während diese Änderung im Koalitionsvertrag von SPD, CSU und CDU 2013 noch angedachte wurde, um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, wurde in der Debatte im Deutschen Bundestag vor allem der erzieherische Gedanke der Sanktion verbunden mit dem Jugendstrafrecht betont.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie genau ist das von den Zeugen vor Gericht benannte „Pilotprojekt“ in Oberhausen ausgestaltet?
  2. Wie beurteilt die Landesregierung die Mehrfachsanktionierung (Gerichtsverfahren und ggf. entsprechende Sanktion, Stadionverbot, Anordnung einer MPU/ Fahrverbot ohne Gerichtsverfahren), die bei Fehlverhalten im Umfeld von Fußballspielen derzeit in einigen Städten angewandt wird?
  3. Verfolgt die Landesregierung das Ziel, die Anordnung einer MPU bzw. den Führerscheinentzug gegen (jugendliche) Fans in ganz NRW zu etablieren?
  4. Wie häufig wurde in den letzten fünf Jahren vor der Gesetzesänderung MPUs außerhalb von Verkehrsverstößen in NRW verhängt (bitte aufschlüsseln nach Alter der Betroffenen, Geschlecht, Zugehörigkeit zur Fanszene, anordnende Behörde oder Gericht, Anlass und Wohnort)?
  5. Wie häufig wurden seit der Gesetzesänderung Fahrverbote außerhalb von Verkehrsverstößen in NRW verhängt (bitte aufschlüsseln nach Alter der Betroffenen, Geschlecht, Zugehörigkeit zur Fanszene, anordnende Behörde oder Gericht, Anlass und Wohnort)?