Norwich Rüße: „Wir sind dabei, unsere ländlichen Räume zu ‚Artenvielfaltswüsten‘ zu machen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Verbot von Neonicotinoiden

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Warten wir mal ab. – Frau Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt genau zehn Jahre her, dass wir erstmals über Neonicotinoide gesprochen haben. Im Jahr 2008 kam es im Oberrheingraben zu einem Vorfall, bei dem massiv Bienenvölker vergiftet worden sind. Tausende Bienenvölker sind damals gestorben. Das Ganze wurde damals als Unfall deklariert. Es waren die Messgeräte noch gar nicht in der Lage, mit diesem Stoff umzugehen. Bei diesen pneumatischen Geräten wurde die Beize durch Luftstrom verweht, in die Umwelt freigesetzt, anstatt in den Boden eingetragen, wie es sein sollte. Angeblich hatten die Saatgutunternehmen damals die Beize auch nicht richtig auf die Maiskörner aufgetragen.
Aus meiner Sicht war das ein Riesenfehler, dass damals alles auf einen Unfall geschoben wurde, weil da eine Chance vertan wurde, diese Wirkstoffgruppe Neonicotinoide intensiv zu untersuchen, zu gucken: Welche Auswirkungen hat dieser Stoff auf die Umwelt, auf Insekten, Vögel, eben auf Lebewesen? Denn es handelt sich immer – das muss man sich klarmachen bei dem schönen Wort Pflanzenschutzmittel – um Gift. Das muss man in der Deutlichkeit sagen. Es sind Giftstoffe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da ist die Chance vertan worden, die letzten zehn Jahre seit 2008 intensiv für eine Analyse, für wissenschaftliche Untersuchungen zu nutzen. Ich habe das Gefühl, dass in dem Entschließungsantrag, der uns vorgelegt wurde, genau das wieder fortgesetzt werden soll. Es wird viel geredet von weiteren Untersuchungen. Wir müssen noch mal gucken: Ist das alles so? Wir schieben es noch einmal um zehn Jahre nach hinten. Damit kommen wir, glaube ich, nicht wirklich weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Thema „Artensterben“ – das wissen wir mittlerweile alle – brennt. Es ist ein aktuelles Thema. Spätestens seit den Ergebnissen der Krefelder Forschergruppe ist es auch international in aller Munde. Die Studie wird international wahrgenommen.
Gerade heute Morgen gab es noch einen langen Bericht über die Situation in Frankreich, wo es genau so ist, dass in den Agrarlandschaften das Insektensterben massiv ist, wo genau die Ergebnisse auch noch einmal bestätigt werden. Und das Ganze fassen die französischen Forscher zusammen mit dem Satz: Es ist eine Katastrophe. Wir sind dabei, unsere ländlichen Räume zu „Artenvielfaltswüsten“ zu machen, wo eben kein Tier, keine Natur mehr wirklich existieren kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Alles hängt – auch das ist klar – in unserem Ökosystem mit allem zusammen, so auch mit dem Insektensterben. Es ist ein Netz von Artenvielfalt. Wenn an irgendeiner Stelle etwas weg- bricht, fehlt etwas, was Konsequenzen für andere Arten hat. Bei Insekten haben wir lange gerätselt. Als ich angefangen habe, haben wir viel stärker über das Vogelsterben diskutiert.
Nach und nach wird klar, dass es eine Parallele zwischen dem Rückgang der Insekten und dem Rückgang der Vögel gibt; denn die einen sind Futtergrundlage der anderen. Wir sind alle aufgerufen, massiv daran zu arbeiten, dass das besser wird.
Insekten haben aber auch – ich sage das, weil in Ihrem Entschließungsantrag die wirtschaftliche Bedeutung von Pflanzenschutzmitteln so sehr nach vorne gestellt wird – eine wirtschaftliche Bedeutung bei der Bestäubung. So sind zum Beispiel die Obstbauern auf sie angewiesen.
Klar ist aber auch, dass Landwirtschaft die Artenvielfalt, die wir heute haben, hervorgerufen hat. Das kann man auch mal zur Kenntnis nehmen. Der Artenreichtum der heutigen Kulturlandschaft war bis in die 50er-Jahre hinein noch nie so groß gewesen. Der Prozess der Intensivierung – stärkere Düngung, stärkere Bearbeitung, Flurbereinigung und eben auch Pflanzenschutzmittel – haben diesen Prozess umgekehrt. Wir verlieren massiv Arten. Bei der Artenvielfalt sind wir auf dem Weg zurück ins Mittelalter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu den Neonicotinoiden möchte ich gerne einen anderen Politiker zitieren, der etwas zu ge- nau dieser Wirkstoffgruppe sagt:
„Es ist ein katastrophaler Zustand auf unseren Feldern. Die Insekten sind weg, mausetot ist alles auf den Feldern. Das liegt unter anderem an einem Pflanzenschutzmittel namens Neonicotinoide. Das ist ein Teufelszeug, …“
(Roger Beckamp [AfD]: Wer hat das gesagt?)
Meine Damen und Herren, dieser Politiker hat absolut recht. Es war übrigens Karl-Heinz Florenz von der CDU, der das im November letzten Jahres sagte.
Seit 2013 haben wir uns auch aus Nordrhein-Westfalen heraus – der ehemalige Minister Remmel hat es stark mit vorangetrieben – mit der Wirkgruppe der Neonicotinoide beschäftigt.
Immer wieder wurde von den Ländern über die AMK Druck gemacht, dass da was passieren muss. Frau Aigner – kaum jemand erinnert sich noch an sie als Landwirtschaftsministerin – hat das eher blockiert, Herr Schmidt hat dasselbe getan.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Ich glaube, es wäre gut, wenn wir aus Nordrhein-Westfalen heraus ein Signal setzen würden, dass wir erkannt haben, dass diese Wirkstoffe aus dem Verkehr gezogen gehören. Man kann übrigens bei Karl-Heinz Florenz gut nachlesen, in welche Richtung sich Landwirtschaft seiner Meinung nach entwickeln muss.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Lesen Sie das Papier „Nachhaltige Landwirtschaft“ der DLG. Sie kommt zu genau demselben Ergebnis. Tragen Sie unseren Antrag mit. Nehmen Sie nicht Ihren schlechten Entschließungsantrag, der nur nach hinten weist. Gehen Sie mit uns nach vorne. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)