Steuerfahndung in NRW stärken – Whistleblower schützen – Steuer-CDs weiter ankaufen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Wer Steuern hinterzieht, macht sich strafbar, verhält sich unsolidarisch gegenüber allen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und schadet dem Gemeinwohl. Menschen und Unternehmen hinterziehen jährlich Steuern in Milliardenhöhe, die dem Staat für wichtige Investitionen fehlen. Sie verstecken dieses Geld unter anderem in sogenannten Schattenfinanzplätzen. Laut einem kürzlich vom Tax Justice Network veröffentlichten Ranking führt noch immer die Schweiz die Liste der Staaten an, in denen Menschen am einfachsten ihr Geld vor dem Fiskus verstecken können. Aber auch Staaten wie die USA, Singapur, Luxemburg und Deutschland rangieren unter den Top Ten.
Solange es keine wirksamen Transparenzregeln gibt, bleibt der Ankauf von Datenträgern mit Kontoinformationen von Steuerbetrügerinnen und Steuerbetrügern eine notwendige Maßnahme im Kampf gegen Steuerbetrug. Diese Datenträger werden meist von Whistleblowern aus dem Ausland angeboten. Deutsche Behörden kauften erstmals im Jahr 2006 eine Steuer-CD von einem Mitarbeiter einer Liechtensteiner Bank. Seither hat Nordrhein- Westfalen mit bisher 11 Datenträgern bundesweit die meisten Daten angekauft – und das mit großem Erfolg: Von 2010 bis 2017 zeigten sich 120.000 Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher selbst an. Bundesweit nahmen die Behörden 7 Milliarden Euro zusätzlich ein, die der Allgemeinheit vorenthalten werden sollten oder sich aus Strafzahlungen ergaben. Davon flossen allein 2,4 Milliarden Euro in den Landesetat.
Auch die inzwischen verbesserten internationalen Transparenzvorschriften konnten Steuerbetrug, Geldwäsche und aggressive Steuervermeidung bislang nicht entscheidend verhindern. Insbesondere die Einführung des automatischen Informationsaustauschs hat zwar zu mehr zwischenstaatlicher Transparenz geführt, doch stecken die multilateralen Lösungsversuche für das Problem noch in den Kinderschuhen. So entwickelte die OECD im
Jahr 2014 einen Berichtstandard zum Austausch von Informationen über Finanzkonten (Common Reporting Standard) und initiierte ein internationales Abkommen von inzwischen mehr als 100 Staaten. Ratifiziert wurde der Vertrag von Deutschland im September 2017. Darüber hinaus wurde vonseiten der EU eine Amtshilferichtlinie erlassen, die den Austausch über alle Kapitaleinkünfte und Kontostände vorschreibt. Auch die Schweiz setzt diese seit letztem Jahr um. Wie wirksam die inzwischen geltenden Standards letztendlich in der Praxis sind und inwiefern sie umgangen werden, wird sich noch zeigen. Für eine abschließende Bewertung sind die neuen Vorschriften noch zu frisch. Zumal ihre Wirksamkeit auch von der Schlagkraft flankierender Maßnahmen abhängt, etwa einem effektiven Kampf gegen Geldwäsche, der Schaffung eines öffentlichen Zugangs zum Transparenzregister, welches die wirtschaftlich Berechtigten von Briefkastenfirmen aufführt, und der Aufstellung umfänglicher Schwarzer Listen von Schattenfinanzplätzen.
Derzeit ist unklar, wie CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen künftig mit dem Ankauf von Steuerdaten umgehen. Zwar bezeichnete die Regierung den Ankauf von Steuerdaten als
„legitimes Ermittlungsinstrument der Steuerfahndung im Kampf gegen die Steuerhinterziehung“ (vgl. Vorlage 17/514). Doch in der Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 1. Februar 2018 wurde mehr als deutlich, dass die Koalition der bundesweit renommierten Steuerfahndung Wuppertal keinen besonderen Stellenwert einräumt, obwohl diese bisher für 80 Prozent aller Ankäufe von Datenträgern verantwortlich war. Der Wechsel einer renommierten Steuerfahnderin und ihres ebenso renommierten Kollegen vom Finanzamt Wuppertal in die Privatwirtschaft spricht für sich, denn der Minister hätte diesen Wechsel verhindern können. Auch die widersprüchlichen Aussagen zur Handhabung von CD-Ankäufen der FDP-Fraktion einerseits und die des Ministers der Finanzen andererseits lassen am Stellenwert des Themas Steuergerechtigkeit für die neue Landesregierung zweifeln. So äußerte sich der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ralf Witzel, in der Plenarsitzung vom 13. September 2017 wie folgt:
„Was die Frage der Steuer-CDs angeht, so kennen Sie die Vereinbarungen in der Koalition. Wenn es Angebote dieser Art gibt, muss im Kabinett darüber gesprochen werden, um sie im Einzelfall zu bewerten. Das bewirkt ein situativ sachgerechtes Vorgehen im Umgang damit. Das heißt weder, dass man es pauschal macht, noch, dass man es pauschal sein lässt, sondern es erfordert je nach Situation eine Einzelfallbewertung." 
Diese Aussage lässt darauf schließen, dass im Kabinett Laschet der Ankauf von Steuer-CDs künftig einem Kabinettsvorbehalt unterliegt. Das war in früheren Kabinetten nicht der Fall. Auf Nachfrage dementierte der Minister der Finanzen Lienenkämper in der Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 1. Februar einen solchen Kabinettsvorbehalt. Er behauptete, er könne allein über den Ankauf der CDs entscheiden, das Kabinett werde lediglich informiert. Der Ankauf von Datenträgern im Kampf gegen Steuerhinterziehung wird derzeit vor allem von der FDP abgelehnt. In der Vergangenheit lehnte ihn auch die CDU ab. So äußerte sich Christian Lindner noch im März 2010 dahingehend, dass man mit dem Ankauf von Steuer-CDs „Diebstahl und Denunziantentum Tür und Tor“ öffne. Der damalige CDU- Fraktionschef Karl-Josef Laumann bezeichnete den Erwerb in einem Brief an Hannelore Kraft aus dem Jahr 2012 gar als „eines Rechtsstaats nicht würdig“.
In den Debatten im Haushalts- und Finanzausschuss betonte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, dass er auch weiterhin an seiner kritischen Haltung zum Datenankauf festhält. Seine Haltung vom September 2012 im Landtag, als er sich gegen den Ankauf von Steuer-CDs mit den Worten „Wo kein Hehler ist, ist auch kein Diebstahl“ (Plenarprotokoll 16/9) wandte, bestätigte Herr Witzel in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 25.1.2018: „So ist das“ (APr 17/163). Mit dieser Aussage verurteilt er staatliche Ankäufe von Datenträgern als Hehlerei. Der Finanzminister dagegen hat mehrfach öffentlich betont, er wolle weiter Steuer-CDs ankaufen, etwa am 28. Juli 2017 in der Rheinischen Post. Dieser offene Konflikt zwischen den Koalitionspartnern führt zu Verunsicherung bei Steuerbehörden und potenziellen Whistleblowern. In einer solchen Kernfrage von Steuergerechtigkeit müssen die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung endlich zu einer einheitlichen Haltung finden. Sie müssen außerdem klar stellen, wie die Landesregierung mit angebotenen Steuer-CDs im Kabinett umgeht.

II.               Der Landtag stellt fest:

  • Steuerbetrug ist eine Straftat und ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem. Um Steuerbetrug zu unterbinden, müssen zwischenstaatliche Kooperation und Transparenz ausgebaut werden. Die Behörden brauchen einen schlagkräftigen automatischen Informationsaustausch und geeignete Maßnahmen gegen Geldwäsche und Steuerbetrug.
  • Steuergerechtigkeit ist eine wesentliche Grundlage für eine faire Finanzierung unseres Gemeinwesens. Derzeit greifen multilaterale Übereinkünfte nicht hinreichend, um Steuerbetrug effizient zu unterbinden. Deswegen stellt der staatliche Ankauf von Datenträgern mit Steuerinformationen aus dem Ausland auch heute ein probates und wirkungsvolles Mittel dar, um Steuerbetrügerinnen und Steuerbetrüger zu überführen und das von den Behörden so eingenommene Geld für unser Gemeinwesen nutzbar zu machen.
  • Der achtlose Umgang des Ministers der Finanzen mit Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung wird durch den Landtag missbilligt.
  • Die widersprüchlichen Aussagen innerhalb der schwarz-gelben Regierung und den sie tragenden Fraktionen zum weiteren Ankauf von Datenträgern schädigen den Ruf Nordrhein-Westfalens als Vorreiter im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit. Besonders die weiterhin kritische Haltung der FDP zum Ankauf von Steuer-CDs macht deutlich, dass der Kampf gegen Steuerbetrug und der Einsatz für mehr Steuergerechtigkeit offenbar nicht zu den politischen Prioritäten der Landesregierung gehören.
  • Angesichts der Debatte um den Weggang einer erfolgreichen Steuerfahnderin und ihres ebenso erfolgreichen Kollegen aus der Wuppertaler Steuerfahndung muss die Landesregierung ein eindeutiges und vertrauensförderndes Signal an potentielle Whistleblower senden. Genauso deutlich muss sie aber auch ausländischen Schattenfinanzplätzen klar machen, dass Nordrhein-Westfalen den Ankauf von Steuer-CDs auch weiterhin forciert und die nordrhein-westfälischen Steuerfahnderinnen und – fahnder die volle Unterstützung der gesamten Landesregierung haben.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • Den Einsatz für mehr Steuergerechtigkeit und gegen Steuerbetrug zur politischen Priorität der Landesregierung zu erklären und auf Bundes- und europäischer Ebene entsprechende Maßnahmen voranzutreiben. Nordrhein-Westfalen muss Vorreiter im Kampf gegen Steuerflucht und aggressiver Steuervermeidung bleiben.
  • Sich für eine enge Kooperation der Steuerbehörden der Länder im Inland, aber auch mit ausländischen Behörden einzusetzen, um einen funktionsfähigen Informationsaustausch zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung zu gewährleisten.
  • Einen unbürokratischen Erwerb von Steuerdaten in alleiniger Verantwortung des Finanzministers ohne Kabinettsvorbehalt zu ermöglichen.
  • Die Identität und Interessen von Whistleblowern bestmöglich zu schützen.
  • Der erfolgreichen Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen politisch den Rücken zu stärken und auch in Zukunft in eine schlagkräftige Finanzverwaltung zu investieren. Dies beinhaltet auch, die personelle Ausstattung der Steuerfahndung und die Arbeitsbedingungen in der Finanzverwaltung weiter zu verbessern, um den Verlust wichtigen Knowhows aus der Mitte der Finanzverwaltung künftig zu vermeiden und die Finanzverwaltung zukunftsfest aufzustellen.