Monika Düker: „Für die Ehrlichen in diesem Land ist das ein fatales Signal“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Steuerfahndung

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wenig Wertschätzung und wie wenig Priorität – der Finanzminister ist noch nicht einmal da.
(Staatssekretär Dr. Patrick Opdenhövel [FM] macht auf sich aufmerksam.)
– Der Staatssekretär kann zum Tagesordnungspunkt hier nicht reden. Also, es ist bemerkenswert, dass noch nicht einmal der Finanzminister zu diesem Thema im Plenarsaal ist. Das steht in einer Reihe von Sachverhalten, von Begebenheiten, die zeigen, wie wenig Priorität diese Landesregierung dem Kampf gegen Steuerbetrug und für mehr Steuergerechtigkeit widmet.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zuletzt zeigte das Ihr – gemeint ist der Minister, der dort sitzen sollte – Umgang mit zwei bundesweit renommierten Steuerfahndern der erfolgreichen Wuppertaler Finanzbehörde.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Moritz?
Monika Düker (GRÜNE): Von Herrn Moritz?
Vizepräsident Oliver Keymis: Ja.
Monika Düker (GRÜNE): Jetzt schon?
(Zuruf: Geht direkt los!)
Herr Moritz, ich habe doch noch gar nichts gesagt, aber bitte.
(Heiterkeit – Zuruf: Aber mit vielen Worten!)
Wenn das schon Anlass zur Nachfrage gibt, bitte.
Arne Moritz (CDU): Frau Kollegin Düker, Sie haben gerade den Finanzminister für seine Nichtanwesenheit kritisiert. Können Sie denn in dem Zusammenhang erklären, warum Sie bei der vorvergangenen HFA-Sitzung im nichtöffentlichen Teil, als alle Fakten auf den Tisch gelegt wurden, nicht im Raum waren, sondern stattdessen dem WDR ein Interview gegeben haben?
Monika Düker (GRÜNE): Ich weiß nicht, was diese beiden Sachverhalte hier miteinander zu tun haben. Wenn man den Raum einer Sitzung verlässt und was ich da draußen gemacht habe,
(Marc Herter [SPD]: Das ist doch dem Hohen Haus gegenüber nicht angemessen! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)
Herr Moritz, dafür muss ich Ihnen keine Rechenschaft ablegen. Hier findet die Debatte statt, die Regierung ist mit ihrem Minister nicht am Platz. Ich finde, das ist schon vielsagend genug.
(Minister Lienenkämper betritt den Plenarsaal. – Zurufe: Ah! – Allgemeine Heiterkeit)
– Ah, da ist er ja. – Also, fangen wir noch einmal von vorne an. Herr Minister, schön, dass auch Sie jetzt hier zu einer Rede erscheinen,
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
die wir zumindest für relevant für dieses Land halten. Das ist nämlich die Frage: Wie kann diese Landesregierung, wie kann dieses Land weiter erfolgreich gegen Steuerbetrug vorgehen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen?
Sie haben in den letzten Haushalts- und Finanzausschusssitzungen sehr klar gemacht: Die Entscheidung, dass zwei der renommiertesten Steuerfahnder in diesem Land oder sogar bundesweit in die Privatwirtschaft gegangen sind, liegt in Ihrer Verantwortung.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Mit Ihrer Entscheidung – Sie haben gesagt, es war Ihre Entscheidung –, diese Leitungsstelle für die Wuppertaler Behörde auszuschreiben, haben Sie bewusst in Kauf genommen, dass der Weggang in die Privatwirtschaft – mit all dem Wissen dieser beiden Kollegen – erfolgt. Beamtenrechtlich hätten Sie im Übrigen die Möglichkeit gehabt, die Leute zu halten. Es wäre ganz sauber gewesen – es gab ja noch nicht einmal eine Überlastungsanzeige aus der Behörde –, die ständige Vertretung weiter so im Amt zu lassen.
Sie haben sich bewusst dagegen entschieden. Die Headhunter aus der Privatwirtschaft freuten sich. Für uns, für die Steuerzahlerinnen, für die Steuerzahler, für die Ehrlichen in diesem Land, ist das ein fatales Signal, ein fataler Braindrain. Das wird diese Finanzverwaltung, Herr Witzel, spürbar schwächen. Genau das ist in Ihrer Verantwortung.
Als wenn das schon nicht schlimm genug wäre, gibt es jetzt auch noch fatale Widersprüche in dieser Koalition über den weiteren Ankauf von Datenträgern. Worüber reden wir da? Wir reden hier über in der Vergangenheit elf Ankäufe von Datenträgern in NRW. Für 19 Millionen € hat NRW eine Welle von Selbstanzeigen ausgelöst. Bundesweit haben sich etwa 120.000 Bürgerinnen und Bürger selbst angezeigt. Das Ergebnis für die Steuerkasse waren 7 Milliarden € Mehreinnahmen. Allein in NRW konnten wir rund 2,4 Milliarden € dahin zurückführen, wo es hingehört – hinterzogenes Steuergeld, das eigentlich für die Finanzierung unseres Gemeinwesens gedacht war. Dahin haben wir es wieder zurückgeführt. Darüber reden wir.
Herr Minister, Sie haben hier gebetsmühlenartig vortragen – gestern in der Fragestunde ja wieder –, es ändert sich gar nichts beim Ankauf. Nach Werthaltigkeitsprüfung entscheiden Sie, und zwar ganz alleine; das Kabinett wird nur informiert. Und auch in der Vorlage vom Haushalts- und Finanzausschuss steht, das wird alles irgendwie unverändert fortgesetzt.
(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])
All diese eindeutigen Aussagen kommen bemerkenswerterweise nur von diesem Teil der Koalition und von Ihnen. Herr Moritz eiert da immer noch so ein bisschen rum, aber eigentlich ist das in sich klar. Nur wenn man zu Ihrem Koalitionspartner hier auf der anderen Seite schaut, sieht das schon ganz anders aus.
Hier mal ein paar Zitate aus den letzten Jahren: Zu Christian Lindner sagen Sie gleich, der hat ja mit NRW gar nichts mehr zu tun, der ist ja weg. Ich sage trotzdem einmal, was Herr Lindner hier für die FDP zum Beispiel im Februar 2010 gesagt hat: „Der Rechtsstaat darf nicht Denunzianten und Diebe zu Handlungen ermuntern, die ihm selbst untersagt sind.“
Schauen wir einmal auf die koalitionstragenden Fraktionen. Herr Witzel ist ja nach wie vor hier, hat sich noch nicht vom Acker gemacht. Herr Witzel, schön, dass Sie bei uns geblieben sind. Herr Witzel sagt im Landtag dazu im November 2012 – das ist ja nun Ihre koalitionstragende Fraktion –: „Wir dürfen nicht Datendiebstahl gegen Steuerhinterziehung ausspielen.“ Und im September 2015: „Der Finanzminister“, der damalige, „sitzt in einer Glaubwürdigkeits-falle. Er hat seine Steuerdatendiebe mehrfach mit Bargeld für ihre Straftaten honoriert.“ Das sind die Whistleblower, das sind für Sie „Steuerdatendiebe“. Oder zum Haushalt 2013 sagen Sie im September 2012 in der Haushaltsdebatte: „Wo kein Hehler ist, ist auch kein Diebstahl.“
Genau diese Aussagen haben Sie alle noch einmal im Haushalts- und Finanzausschuss wiederholt und bestätigt. – Herr Minister, mir fehlt wirklich jede Fantasie, diese offenkundigen Widersprüche hier übereinander zu bringen.
(Beifall von Horst Becker [GRÜNE] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Worum geht es uns heute mit unserem Antrag? Es geht uns hier nicht um Vorführeffekte – es ließe sich fortsetzen –, wie uneinig sich die Koalition in diesen Fragen ist. Nein, es geht uns nicht um Vorführeffekte. Uns geht es darum, hier und heute die fatalen Signale, Herr Witzel, die Sie mit diesen Aussagen in die Lande schicken, zu korrigieren. Denn das sind die Auswirkungen dieser fatalen Signale, dass diese Landesregierung sich über den Ankauf von Steuerdaten nicht mehr einig ist: Wenn Sie die Finanzbeamten als Hehler beschimpfen, wenn Sie die Whisteblower als Datendiebe beschimpfen, wer, bitte schön, meldet sich denn dann morgen noch vertrauensvoll bei dieser Finanzverwaltung, um werthaltige und wichtige Informationen von Steuerbetrügern weiterzugeben?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Minister, ich erwarte von Ihnen hier und heute ein klares Signal, dass Sie diese Aussagen Ihres Koalitionspartners korrigieren werden, um weiter für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen und damit diese erfolgreiche Tradition in NRW hier nicht fatalerweise zum Erliegen kommt und nicht am Ende die Sektkorken bei denen knallen, die Steuern hinterziehen und unser Gemeinwohl massiv schädigen.
Herr Minister, ich bin gespannt, was Sie dazu heute zu sagen haben. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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