Norwich Rüße: „Mit dieser einseitigen Fokussierung machen Sie Symbolpolitik“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Wildschweinbejagung

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Afrikanische Schweinepest“ bewegt seit Monaten die Gemüter unserer Bäuerinnen und Bauern, und das vollkommen zu Recht; denn im Fall des Auftretens der Schweinepest würde es zu Millionenschäden kommen – auch und gerade in Nordrhein-Westfalen, weil wir ein starker Standort der Schweinehaltung sind.
Gleichzeitig – das wird in der Debatte oft vergessen; deshalb will ich das noch mal ausdrücklich erwähnen – kann die Schweinepest auch zu einem erheblichen tierschutzrechtlichen Dilemma führen. Wir reden zwar zurzeit gar nicht darüber, aber ich kann mich gut daran erinnern, zu welchen Bildern der letzte Ausbruch der Schweinepest hier in NRW geführt hat: Da wurden Tausende gekeulte Tiere gezeigt. Daher sind wir aufgerufen, alles zu tun, um das Auftreten dieser Seuche in Nordrhein-Westfalen zu verhindern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Alles zu tun, heißt aber auch, umfänglich an das Thema heranzugehen. Ich bin der Meinung, dass sich die Landesregierung zurzeit – nicht ganz berechtigt – einseitig auf den Wildschweinabschuss fokussiert, und ich glaube, dass Sie das Thema deutlich breiter anfassen müssen. Mit dieser einseitigen Fokussierung machen Sie aus unserer Sicht Symbolpolitik. Es hat etwas Aktionistisches; denn Sie wissen genauso gut wie ich, Frau Ministerin, dass die Wildschweine nicht der entscheidende Faktor sind, wenn es um die Frage geht, ob die Schweinepest nach Nordrhein-Westfalen kommt oder nicht.
Sie haben suggeriert – das finde ich nicht gut –, dass die Schweinepest durch einen massiven Abschuss von Wildschweinen eingedämmt werden könnte. Sie haben im August letzten Jahres eine Presseerklärung herausgegeben, aus der ich kurz zitieren möchte:
„Dies“
– “dies“ meint in dem Fall eine verstärkte Bejagung –
„ist eine der wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest …, die auch über die Wildschweinpopulation eingeschleppt und verbreitet werden kann.“
Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Hauptfaktor bei der Einschleppung der Mensch ist. Der Mensch ist hierbei entscheidend. Er trägt die Seuche über Hunderte von Kilometern weiter. Es gibt Berechnungen, wonach die Verbreitung über Wildschweine nur ganz langsam geschieht, weil Wildschweine standorttreu sind. Daher stellen sie nicht den entscheidenden Faktor dar.
In diesem Zusammenhang hat ein Überbietungswettbewerb stattgefunden: Wer tut sich beim Wildschweinabschuss am meisten hervor? Da war der Bauernverband mit seiner Forderung, gleich mal 70 % der Wildschweine abzuschießen, ganz vorne mit dabei. „70 % wovon denn?“, fragt man sich; denn keiner weiß genau, wie hoch der Wildschweinbestand eigentlich ist.
Und vor allem: Wo befinden sich die Nutztierschweine überwiegend? – Dort, wo sie gehalten werden, leben relativ wenige Wildschweine. Die Wildschweine leben bei uns in Nordrhein-Westfalen vor allem in den Mittelgebirgslagen. Daher stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, was diese Fokussierung wirklich bringt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Blicken wir einmal zehn Jahre zurück. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands ist unverdächtig, besonders grünennah zu sein. Diese Interessengemeinschaft, Frau Ministerin – Sie werden sie gut kennen –, hat schon vor zehn Jahren gesagt, dass die stärkere Bejagung nichts bringt und nicht funktionieren wird, und zwar auch deshalb nicht, weil die Jagd im Regelfall ein Hobby ist. Die Jägerinnen und Jäger haben gar nicht genügend Zeit, um die Jagd auf Wildschweine zu intensivieren. Wenn man da wirklich etwas erreichen wollte, müsste man mit Berufsjägern herangehen.
ISN hat schon vor zehn Jahren gesagt: Wir brauchen vor dem Hintergrund der heranrückenden Seuche eine ganz andere Strategie. – Diese Position der ISN teilen wir ausdrücklich. Auch aus naturschutzfachlicher Sicht sind wir der Meinung, dass der Wildschweinbestand reduziert werden muss. Wenn man das will, dann darf man da aber nicht vor allem über die Jagd rangehen.
Ich glaube, dass die Jagd allenfalls den Bestand halten kann. Eine Reduzierung wird sie nicht erreichen; da bin ich mir ziemlich sicher. Vielmehr gehört dazu die Frage nach der Ausgestaltung von Agrarlandschaft. Es muss auch die Frage gestellt werden – wie wir es in unserem Antrag tun –, ob wir die Fruchtbarkeit von Wildschweinen regulieren möchten. Gibt es Methoden, das zu tun?
Mit Blick auf ASP sind wir klar für diese Trennung. Da gibt es viel entscheidendere Fragen zu klären, wie zum Beispiel die Abzäunung der Rastplätze entlang der Autobahnen A2 und A44. Das sind die Schneisen, über die der Virus letztendlich nach Nordrhein-Westfalen reinkommen könnte. Ist der Verkehrsminister so weit, dass dort Zäune gebaut werden? Werden die Mülleimer ersetzt, sodass sie im Zweifelsfall nicht mehr von Wildschweinen zu öffnen sind? Diese Dinge müssen geschehen. Dann, glaube ich, kommen wir ein Stück weiter.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Norwich Rüße (GRÜNE): Ich komme zum Schluss. – Ganz entscheidend ist die Frage: Können wir in puncto Schweinepest endlich eine Impflösung erreichen? Wenn wir als Politik uns wirklich dazu bekennen würden, dann könnten wir auch einen Impfstoff erhalten.
Das sind die entscheidenden Fragen, die wir mit Blick auf ASP klären müssten. Das würde unseren Bäuerinnen und Bauern wirklich helfen.
Ich freue mich auf die Beratung mit Ihnen im Ausschuss. – Vielen Dank.