Lehren aus den Paradise Papers ziehen – Steuervermeidung, Steuerbetrug und Geldwäsche konsequent entgegentreten.

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

I.  Ausgangslage:

Nach den Enthüllungen durch Lux-Leaks, Offshore-Leaks und die Panama Papers, haben die Paradise Papers ein weiteres Mal deutlich gezeigt, wie Superreiche und Konzerne jede Möglichkeit nutzen, um Steuerzahlungen zu vermeiden. Steuervermeidung und Geldwäsche sind zu einer Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa geworden. Jedes Jahr verlieren die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einen dreistelligen Milliardenbetrag durch Geldwäsche, Steuerhinterziehung und -vermeidung. Dieses Geld fehlt anschließend für Investitionen in das Gemeinwesen.
Noch immer existieren legale, aber ungerechtfertigte Steuerschlupflöcher sowie Regelungslücken. Auch fehlende Transparenz bei Finanztransaktionen von Unternehmen begünstigt eine breite Steuervermeidungspraxis. Nur ein Teil der Probleme kann auf nationaler Ebene behoben werden. Die Enthüllungen der Paradise Papers führen aber auch vor Augen, dass es weiterhin einige Staaten gibt, deren Geschäftsmodell das Steuerdumping ist. Dies wird durch unzureichende Steuerregelungen begünstigt, die zur Folge haben, dass Umsätze und Gewinne nicht dort besteuert werden, wo sie entstehen, sondern dort wo keine oder kaum Steuern anfallen.
Wieder sind die Enthüllungen Informantinnen und Informanten zu verdanken, die auch ein hohes persönliches Risiko eingegangen sind, um die Missstände sichtbar zu machen. Leider zeigt nicht zuletzt der Prozess gegen die Lux-Leaks-Enthüller, dass häufig der Schutz von Konzerninteressen vor dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit steht.

II.  Der Landtag stellt fest:

Die Paradise Papers offenbaren ein weiteres Mal, dass zum Teil durch kriminelle Machenschaften, zum Teil aber auch durch extensive Ausnutzung von Lücken im Steuerrecht, das Gemeinwesen jährlich um viele Milliarden von Euro betrogen wird und ehrliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an der Steuergerechtigkeit zweifeln können.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat aus diesem Grund in der vergangenen Wahlperiode ihre Bemühungen deutlich intensiviert, diesen Praktiken aufzudecken und konkrete Maßnahmen ergriffen, um Steuerhinterziehung mit allen rechtssta
atlichen Mitteln entgegenzutreten und Steuerschlupflöcher zu stopfen. Um diese Anstrengungen fortzusetzen und Schlussfolgerungen sowie Handlungen aus den neuen Enthüllungen abzuleiten, ist es nicht notwendig, dass die Originaldokumente der Paradise Paper-Veröffentlichungen vorliegen und das Netzwerk bei der Auswertung unterstützt wird, wie es der nordrhein- westfälische Finanzminister Lienenkämper gefordert hat. Über dieses Kooperationsangebot hinaus hat die Landesregierung in diesem Bereich noch nicht viel gemacht.
Das Europäische Parlament hat sich in einem Untersuchungsausschuss mit den Konsequenzen aus dem Skandal um die Panama Papers beschäftigt. Die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses müssen nun umgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat nicht zuletzt durch die Untersuchungen des Europäischen Parlaments ebenfalls zahlreiche Vorschläge vorgelegt. Allerdings wird die Umsetzung von Seiten einiger EU-Mitgliedsstaaten weitgehend blockiert. Diese Blockade gegen die Steuergerechtigkeit muss aufhören. Jede Regierung, die ihre schützende Hand über Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung hält, verletzt in höchstem Maße ihre gesellschaftliche Verantwortung.
Die Paradise Papers haben die zentrale Rolle des Vereinigten Königreichs für das globale Steuerdumping bewiesen. Die Brexit-Verhandlungen müssen nun genutzt werden, die britischen Steueroasen trocken zu legen. Es muss auch Ziel dieser Verhandlungen sein, der Londoner City und den überseeischen Steueroasen nur dann den weiteren Zugang zum EU- Binnenmarkt zu gewähren, wenn sie die Steuervermeidungsgeschäfte beenden.
Der Landtag macht erneut deutlich, dass Steuerbetrug und -vermeidung einen unsolidarischen Raubbau an unserem Gemeinwesen darstellt und daher mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden muss.

III.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1.    Alle Bemühungen, Steuerschlupflöcher zu schließen und Steuerbetrug zu verhindern, müssen fortgesetzt und intensiviert werden.
2.    Die Maßnahmen der Vorgängerregierung zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung müssen konsequent fortgesetzt und intensiviert werden.
3.    Auch über den sogenannten Brexit-Beauftragten des Landes NRW gegenüber Bundesregierung und EU-Kommission auf klare Regelungen in den Brexit- Verhandlungen zu drängen, die den Finanzplätzen auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs den Zugang zum EU-Binnenmarkt nur dann gewähren, wenn diese ihre Steuervermeidungsgeschäfte beenden

IV.  Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich im Bundesrat, gegenüber der Bundesregierung und der EU-Kommission, dafür einzusetzen, dass

1.    die Bemühungen für die Schaffung eines funktionierenden Informationsaustausches staatlicher Behörden zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung fortgesetzt werden.
2.    die Schwarze Liste der Europäischen Union zu Steueroasen und unkooperativen Staaten bei Geldwäsche Glaubwürdigkeit gewinnt, indem sie transparent gemacht wird, ebenso wie die Selbstverpflichtungserklärung der Steueroasen sowie die Überprüfungsergebnisse der Europäischen Union über Drittländer.
3.    weiterhin auf die Einführung eines öffentlich zugänglichen Transparenzregisters für Eigentümer von Briefkastenfirmen, Unternehmen und Trusts gedrängt wird, wobei die Wahrung des Steuergeheimnisses gewährleistet sein muss. Außerdem muss sich gegen Regelungen auf EU-Ebene eingesetzt werden, die die Gründung von Briefkastenfirmen mit nicht identifizierbaren Eigentümern begünstigen, unter anderem in Bezug auf Regelungen zu Einpersonengesellschaften (SUP).
4.    Behörden Zugang zu Informationen über wirtschaftlich Berechtigte von Lebensversicherungsverträgen, Aktien und anderen Finanzinstrumenten sowie von Immobilien erhalten.
5.    auf ein Ende der Blockade der Vorschläge der Europäischen Kommission gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung hingewirkt wird.
6.    der Vorschlag für eine europäische Geldwäschebehörde, die permanent den Diebstahl am Gemeinwohl aufdecken und die effektive Zusammenarbeit der Geldwäschemeldebehörden in den Mitgliedstaaten sicherstellen soll, unterstützt wird. Dazu gehört auch, die Einrichtung eines permanenten Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament zu unterstützen, wie es ihn im US-Kongress gibt, um laufende und künftige Steuer- und Geldwäschefragen zu untersuchen.
7.    Maßnahmen für mehr Steuertransparenz bei Großunternehmen („country-by- country reporting“), für eine Meldepflicht von Anwaltsfirmen und Steuerberatungen, sowohl für rein inländische als auch grenzüberschreitende Steuersparmodelle, für eine gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage und einen europäischen Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne, für ein Maßnahmenpaket gegen den Umsatzsteuerbetrug in der EU, für die Besteuerung von Zins- und Lizenzzahlungen aus der EU in Steueroasen, mit der Möglichkeit zur Erhebung von Quellensteuern sowie für die Überarbeitung von Doppelbesteuerungsabkommen von EU-Mitgliedsstaaten mit Steueroasen umgesetzt werden.
8.    Die Zusammenarbeit der Behörden der Bundesländer und der EU-Mitgliedstaaten im Bereich Steuern und Geldwäsche verbessert und die Möglichkeit von Gruppenanfragen zum Aufspüren von Kriminellen systematisch genutzt wird.
9.    EU-weit ein effektiver Schutz von Whistleblowern gewährleistet wird.
10.    dafür gesorgt wird, dass es zeitnah zu einer Einigung für eine Finanztransaktionssteuer mindestens im Rahmen des bisher beabsichtigten Teilnehmerkreises kommt.