Was unternimmt die Landesregierung zum Erhalt der Streuobstbestände?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Bundesweit betrug der Rückgang der Streuobstbestände von den 1950er Jahren bis heute ca. 75% auf aktuell wohl weniger als 300.000 ha, wobei sich dieser Trend die letzten 10 – 20 Jahre verlangsamt hat und in einigen Regionen auch gestoppt wurde.
Im Vergleich zu den ca. 69.000 ha des ausschließlich marktorientierten Plantagenobstbaus ist dies immer noch landschaftlich dominant, wobei nur ein Drittel bis 40 Prozent des Obstes aus Streuobstes in irgendeiner Weise auf den Markt kommt – für Keltereien inkl. der immer häufigeren mobilen Mostereien, Brennereien, für Mus- und Dörrobst oder auf Wochenmärkten und in der Direktvermarktung.
Streuobstbestände gelten für weite Teile Europas als "Hot spots der Biologischen Vielfalt". Auf über 5.000 Tier- und Pflanzenarten – noch ohne Pilze – sowie auf über 3.000 Obstsorten wird die Biologische Vielfalt in Deutschland nach Angaben des NABU-Bundesfachausschuss Streuobst geschätzt. Diese herausragende Biologische Vielfalt hängt sowohl mit dem Vorkommen von Offenlandarten und dem Vorkommen von baumgebundenen Arten, als auch mit dem Alter der Streuobstbäume. Bei guter Pflege erreichen insbesondere Birn-, Walnuss-, aber auch Apfel- und Kirschbäume ein Alter von über 100 Jahren, in Einzelfällen insbesondere bei Birnbäumen auch über 200 Jahre.
In Nordrhein-Westfalen wurden Streuobstbestände über die sogenannte Biotopschutzregelung (§ 30 BNatSchG und Umsetzung im LNatSchG) landesweit unter Schutz gestellt. Die Umstellung der Bewirtschaftung von Streuobstbeständen nach EU-Biorichtlinie scheint sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt zu haben. Ein zentraler Ansatz zur Erhaltung der Streuobstbestände ist wie in anderen Bereichen ein fairer Preis für die Bewirtschaftung. 1987 haben BUND-Gruppen in Süddeutschland die "Aufpreisvermarktung" kreiert, bei der ökonomische und ökologische Standards miteinander zum gemeinsamen Interesse der Landwirte und des Naturschutzes verbunden wurden. Bei den bisher vier bundesweiten Treffen der inzwischen rund 120 Streuobst-Aufpreisvermarkter gab es stets Konsens über diese Mindeststandards für die Verwendung des Begriffes Streuobst. Das NABU-Qualitätszeichen dient hierbei der Auszeichnung und Unterstützung von Unternehmen und Initiativen, die diesen Weg der freiwilligen Kooperation von Landwirtschaft, Naturschutz und Verwertungseinrichtungen gehen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche Erkenntnisse über die Anzahl an Hochstamm-Obstbäumen bzw. über die Fläche von Streuobstbeständen in ha gibt es aktuell in Nordrhein-Westfalen?
  2. Wie viele verschiedene Arten wurden in den Streuobstbeständen des Landes nachgewiesen? Bitte benennen Sie Tier-, Insekten-, Pflanzen und Pilzarten, andere Organismengruppen und die jeweilige Anzahl.
  3. Stimmt die Landesregierung der Aussage aus Kreisen von Verbraucherzentralen zu, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bei Produkten mit der Bezeichnung "aus Streuobst" bzw. "aus Streuobstwiesen" Pestizidfreiheit erwarten?
  4. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung die Zielsetzungen der Nationalen Biodiversitätsstrategie sowie der Naturschutzoffensive 2020 des Bundesumweltministeriums, demzufolge die Fläche von Streuobstbestände um 10% zunehmen soll?
  5. Stimmt die Landesregierung der Forderung der Streuobst-Aufpreisvermarkter bei ihrem 4. Bundesweiten Treffen im Jahr 2014 in Fulda zu ("Kasseler Erklärung zum Streuobstbau"), dass für eine betriebswirtschaftlich rentable Bewirtschaftung von Streuobstbeständen zum Zwecke der Verwertung des Obstes für Getränke mindestens 25 Euro pro Doppelzentner erforderlich sind?