Ergebnisse des Diesel-Gipfels greifen zu kurz – wirksame Sofortmaßnahmen zur Luftreinhaltung umsetzen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

I.         Ausgangslage

Luftverschmutzung ist das größte Umweltproblem in Europa, insbesondere in Ballungsgebieten. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Luftbelastung durch Stickstoffdioxid (NO2) unverändert hoch – an 60 von 127 Messstellen in den Städten wird der EU-Grenzwert für die mittlere Jahresbelastung permanent überschritten. Zwar konnten bislang die Feinstaubbelastungen flächendeckend kontinuierlich gesenkt werden, gleichzeitig sind allerdings die Stickstoffdioxid- Konzentrationen gestiegen bzw. gleich hoch geblieben. Hauptverursacher diese Belastungsschwerpunkte ist der Straßenverkehr, da die genannten Überschreitungen der Grenzwerte ausnahmslos an stark verkehrsbelasteten Straßen gemessen wurden. Insbesondere Diesel- Fahrzeuge der stoßen erhebliche Mengen an Stickstoffdioxid im Stadtgebiet aus.
Eine hohe Luftverschmutzung wirkt sich schädlich auf die Gesundheit der Menschen und das städtische Mikroklima aus. Stickstoffdioxid ist ein Reizgas, welches durch das Einatmen über die Atemwege in die Bronchien und Lungenbläschen gelangt und dort Atemwegserkrankungen wie Asthma und chronische Bronchitis verursachen kann. In Deutschland führt dies jährlich zu rund 10.000 vorzeitigen Todesfällen, die darauf zurückzuführen sind, dass die Betroffenen übermäßig einer gesundheitsschädliche Luftbelastung ausgesetzt waren. Der wirksame Umweltschutz ist essentiell, um die menschliche Gesundheit zu schützen und das individuelle Verfassungsgut auf körperliche Unversehrtheit zu gewährleisten. Darüber hinaus ist bekannt, dass überwiegend Menschen aus einkommensschwachen Milieus derartigen Belastungen verstärkt ausgesetzt sind. Ein wirksamer Umwelt- und Gesundheitsschutz ist daher auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit, gerade in unseren Ballungsräumen in Nordrhein-Westfalen. Daher hat die Landesregierung in der letzten Legislaturperiode das Förderprogramm „Emissionsfreie Innenstädte“ aufgelegt und Nahmobilität intensiv gefördert.
Die rechtliche Grundlage für die Abwendung von Gesundheitsgefahren durch Stickstoffdioxid und Feinstaub ist die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG, deren Zielsetzung Deutschland derzeit nicht erfüllt. Die Europäische Kommission beabsichtigt Medienberichten zufolge, aufgrund der anhaltend hohen Luftverschmutzung in mehreren Städten, Klage gegen die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof einzureichen. Hinzu kommt ein weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren, da die Bundesregierung nicht konsequent genug gegen Automobilhersteller vorgegangen ist, die manipulierte Abschaltsysteme in den Fahrzeugen installiert (Richtlinie 2007/46/EG) haben. Im Zuge dieser Vertragsverletzungsverfahren drohen hohe Geldstrafen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist im Jahr 2015 vor Gericht gezogen, um die Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat im September 2016 die Bezirksregierung Düsseldorf dazu verurteilt, den Luftreinhalteplan für Düsseldorf zu überarbeiten, damit spätestens ab 2018 überall im Stadtgebiet der Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten werden kann. An der Überarbeitung des Luftreinhalteplans wird derzeit gearbeitet, die Offenlegung und die Beteiligung der Öffentlichkeit ist zeitnah zu erwarten. Gleichzeitig ist für den22. Februar 2018 beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Verhandlungstermin angesetzt. Falls dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gefolgt wird, können die Bezirksregierungen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge als Maßnahme zur Einhaltung des Stickoxidgrenzwertes aussprechen. Dies hat die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anfang Dezember 2017 bereits als mögliche Maßnahme angekündigt.
Im September und November 2017 fanden auf Einladung von Bundeskanzlerin Merkel in Berlin zwei sogenannte „Diesel-Gipfel“ mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder und Kommunen statt. Dabei wurden Fördergelder des Bundes u.a. für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos, den Ausbau des ÖPNVs, die Nachrüstung von Diesel-Bussen und für die Digitalisierung von kommunalen Verkehrssystemen beschlossen. Die Kommunen können nun entsprechenden Fördermaßnahmen beginnen.
Die vom Deutschen Städtetag und der Deutschen Umwelthilfe geforderte Einführung einer „Blauen Plakette“ für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 wurde hingegen nicht beschlossen. Ebenso wurden keine Maßnahmen ergriffen, um die Automobilindustrie zu einer für die Kfz-Halterinnen und Halter kostenlosen Hardware-Umrüstung auf die Euro-6-Norm zu verpflichten. Eine Nachrüstung allein über die Variante eines Software-Updates wird abgelehnt, da diese im Vergleich unwirksam ist, um Belastungen innerorts messbar zu reduzieren. Somit hat es die Bundesregierung versäumt, den entstandenen wirtschaftlichen Schaden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern abzuwenden.

II.       Der Landtag stellt fest

  • Die Luftverschmutzung durch Diesel-Fahrzeuge unterhalb der EURO-Norm 6, stellt insbesondere in den Ballungsräumen eine akute Gefahr für die menschliche Gesundheit und das innerstädtische Klima dar.
  • Die auf den zwei Diesel-Gipfeln beschlossenen Maßnahmen werden kurzfristig keine wirk- same Verbesserung der Luftqualität in den Städten erzielen. Nur eine effektive Nachrüstungsoffensive durch die Automobilhersteller kann zeitnah messbare Stickstoffdioxid-Minderungen erwirken und drohende Fahrverbote vermeiden.
  • Für eine wirkungsvolle Reduzierung der Stickoxidbelastung wäre eine flächendeckende Umrüstung aller Fahrzeuge unterhalb der Diesel-6-Norm erforderlich, um in den betroffenen Städten die Luftqualität spürbar zu verbessern und die Grenzwerte einzuhalten.

III.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • einen Investitionsfonds „Saubere Luft NRW“ von zwei Milliarden Euro bei der NRW.Bank aufzulegen, um – insbesondere in den betroffenen Städten – Verwaltung, kommunalen Betrieben und Unternehmen (wie z.B. Taxis, Ver- und Entsorgung, Handwerksbetriebe, Lieferantinnen und Lieferanten) mithilfe eines zinslosen und langfristigen Darlehens zu ermöglichen, emissionsfreie Antriebe nachzurüsten oder auf entsprechende Fahrzeuge umzusteigen;
  • die von drohenden Fahrverboten betroffenen Kommunen zu einem landesweiten Gipfel „Saubere Luft“ einzuladen, um gemeinsam weitere Maßnahmen der Luftreinhaltung zu erarbeiten;
  • die NRW-Automobilindustrie (Hersteller und Zulieferer) zu einem NRW-Gipfel „Saubere Luft“ einzuladen, um die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen von Dieselfahrverboten, die Verantwortung der Automobilhersteller an der derzeitigen Lage sowie mögliche Lösungswege zu diskutieren;
  • die Mittel für das Landesprogramm „Emissionsfreie Innenstädte“ kurzfristig zu verdreifachen und die Fördermittel für die Nahmobilität in den Kommunen anzuheben, um den innerstädtischen Rad- und Fußverkehr deutlich zu stärken;
  • bei der Neuanschaffung für den Fuhrpark des Landes möglichst auf emissionsarme bzw. emissionsfreie Antriebe umzustellen und dafür bis zum Sommer 2018 ein Konzept vorzulegen, dass die Umsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode sicherstellt;
  • ein NRW-Ticket „Saubere Luft“ einzuführen, das denjenigen Bürgerinnen und Bürgern zwei Jahre kostenlos zur Verfügung gestellt wird, die sich entscheiden, ihren alten Diesel- Pkw abzugeben und auf den öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen;
  • sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln im Bundesrat und gegenüber der Bundesregierung für eine schnelle Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen auf Kosten der Automobilindustrie einzusetzen. In diesem Zusammenhang wird für alle Euro 6-Fahrzeuge die sogenannte „Blaue Plakette“ bundesweit eingeführt. Diesel-Fahrzeuge mit geringerem NOX-Ausstoß werden so von einem drohenden generellen Fahrverbot ausgenommen;
  • gegenüber der Bundesregierung und den Bundesrat darauf hinzuwirken, bestehende Steuersubventionen für Diesel-Antriebe abzuschaffen,
  • gegenüber der Bundesregierung die Auferlegung eines Hilfsprogramms über zwei Milliarden Euro für die flächendeckende Umrüstung von Busflotten und Binnenschiffen einzufordern. Das schließt auch die Umrüstung der Schiffsliegeplätze auf flächendeckende Landstromversorgung mit ein;
  • sich gegenüber der Bundesregierung hinsichtlich der Abgasüberprüfung für eine Zuständigkeitsübertragung auf die Umweltbehörden einzusetzen.