Teilzeit-Arbeit auch für Minister möglich? …

Kleine Anfrage von Mehrdad Mostofizadeh

… Warum konnte der Ministerpräsident bei der Ernennung von Minister Biesenbach keine Probleme mit der Landesverfassung feststellen?
Am 30.06.2017 wurde Peter Biesenbach zum Minister für Justiz des Landes NRW ernannt. Über zwei Monate später (06. September 2017) und über einen Monat nach Einberufung der Ministerehrenkommission durch den Ministerpräsidenten (31. Juli 2017) wurde er dann von der CDU-Fraktion im Kreistag des Oberbergischen Kreises als Fraktionsvorsitzender wiedergewählt. Darüber hinaus war er auch als Mitglied der Landesregierung weiterhin im Verwaltungsrat und in Ausschüssen der Kreissparkasse Köln tätig und nahm in dieser Funktion an Sitzungen teil.
In Art. 64 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung NRW heißt es: „Mit dem Amte eines Mitgliedes der Landesregierung ist die Ausübung eines anderen öffentlichen Amtes oder einer anderen Berufstätigkeit in der Regel unvereinbar“. In der Kommentierung zur Landesverfassung von Heusch/Schönenbroicher heißt es zur Definition des öffentlichen Amtes, dass Ämter in der mittelbaren Staatsverwaltung und auf kommunaler Ebene davon erfasst werden. Es sei jedoch nicht schon die Innehabung eines öffentlichen Amtes unzulässig, sondern unvereinbar sei allein die Ausübung der damit verbundenen Tätigkeiten, da das Amt des Ministers grundsätzlich den ungeteilten Einsatz des Amtsinhabers fordert. Art. 64 Abs. 2 LVerf NRW verhindere hingegen nicht die Ausübung eines Parteienamtes. Allerdings ist für einen derartigen Fall die aktive Entscheidung des Ministerpräsidenten bezüglich einer Erlaubnis für die Ausübung eines solchen öffentlichen Amtes nötig.
Wie Minister Lienenkämper in der Fragestunde des Landtags am 16. November ausführte, fand vor der Ernennung der Ministerinnen und Minister die Prüfung nach Artikel 64 Landesverfassung durch die Staatskanzlei statt und führte zu dem Ergebnis, dass in jedem Fall eine Ernennung erfolgen konnte. Auch zu diesem Zeitpunkt war Minister Biesenbach bereits Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Die Ernennung erfolgte also in dem Wissen, dass der Abgeordnete Biesenbach einer Tätigkeit nachging, die den ungeteilten Einsatz des Amtsinhabers zumindest erschwert.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. In einem Bericht für den Rechtsausschuss des Landtags (Vorlage 17/128) führte Minister Biesenbach aus, dass er bereits seit dem Jahr 2000 Mitglied des Landtags und seit dem Dezember 2002 Vorsitzender der Kreistagsfraktion der CDU im Oberbergischen Kreis sei. Er habe in der Vergangenheit keine Interessenskollisionen bei der Ausübung dieser beiden Funktionen gesehen. Lässt sich aus dieser Darstellung folgern, dass dem Minister die in der Landesverfassung festgelegte Besonderheit bei der Ausübung eines Ministeramtes in der Landesregierung nicht bekannt war?
  2. Die Ernennung des Ministers Biesenbach erfolgte am 30.06.2017. Am 06.09.2017 wurde er (erneut) zum Vorsitzenden der Kreistagsfraktion gewählt. Warum wurde im Vorfeld dieser Wahl – immerhin standen mehr als zwei Monate zur Verfügung – die Vereinbarkeit der Funktionen nicht geklärt – oder hat Minister Biesenbach bewusst auf eine Klärung verzichtet?
  3. In dem unter Frage 1 erwähnten Bericht heißt es, dass der zeitliche Aufwand für die Kreistagstätigkeit von Minister Biesenbach nicht angegeben werden könne, da er nicht nachgehalten worden sei. Laut einem aktuellen wissenschaftlichen Gutachten zum kommunalen Ehrenamt in NRW im Auftrag der Landesregierung liegt der zeitliche Arbeitsaufwand eines Fraktionsvorsitzenden in einem Kreistag bei durchschnittlich 40,8 Stunden im Monat. Hält die Landesregierung diese Einschätzung des Zeitaufwandes für realistisch?
  4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass bezüglich des zu akzeptierenden Zeitaufwandes für die Ausübung eines anderen öffentlichen Amtes zwischen den jeweiligen Ministerien zu unterscheiden ist?
  5. In der Begründung für die Niederlegung seines Mandates führte Minister Biesenbach aus, er wolle damit dem Ansehen des Ministeramts nicht durch längere Diskussionen schaden. Es darf sicherlich unterstellt werden, dass dem Justizminister die Landesverfassung NRW und insbesondere die Kommentierung zu Artikel 64. Abs. 2 Satz 1 bei Eintritt in die Landesregierung bekannt war. Warum war Minister Biesenbach die Diskussionswürdigkeit seiner Doppelrolle und damit der potentielle Schaden für das Amt nicht bereits zum Zeitpunkt seiner Ernennung bewusst?