Arndt Klocke: „Es geht um die Weiterfinanzierung auch nach 2019“

Antrag der Fraktion der SPD zum Sozialticket

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Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Deppe, was für eine peinliche Rede!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Man merkte Ihren Fraktionskollegen an, dass sie Mühe hatten, zu klatschen.
Ich wollte eigentlich einen konsensualen Einstieg machen. Denn gestern hat der Minister erklärt, ähnlich wie der Ministerpräsident schon am Wochenende, das Sozialticket habe doch eine Perspektive.
Und jetzt halten Sie eine solche Rede, Herr Deppe! Wo sind Sie nach fünf Monaten an der Regierung angelangt? Das ist absolut peinlich. Denn am Ende unserer Regierungszeit haben Sie uns vorgeworfen, an einen Punkt gekommen zu sein, an dem Sie schon nach fünf Monaten angelangt sind. Das hat man Ihrem Auftritt gerade angemerkt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es gibt nur wenige Momente im politischen Leben, in denen man wirklich fassungslos im Ausschuss sitzt. Letzte Woche im Verkehrsausschuss war das der Fall. Herr Minister Wüst brachte den Einzelplan ein und sagte beiläufig – er nuschelte es ein bisschen in seinen nicht vorhandenen Bart –, dass das Sozialticket 2021 auslaufen werde. Da auch mein SPD-Kollege es nicht ganz verstanden hatte, habe ich eine Nachfrage gestellt und den Minister gebeten, noch einmal darzulegen, wie es denn mit dem Sozialticket aussieht.
Daraufhin haben Sie uns mit schonungsloser Offenheit erklärt, dass im nächsten Jahr die erste Kürzung erfolgen wird und 2020 überhaupt keine Finanzierung mehr erfolgen wird. Da-bei geht es – so gut die Rede der Kollegin Philipp eben auch war – nicht um Haushaltskonsolidierung. Nein, es geht um ein Umswitchen im Haushalt. Das Geld soll in den Straßenbau investiert werden. Das war die Aussage des Ministers im Ausschuss.
(Zuruf von der SPD: 3,5 km!)
Es geht gar nicht darum, dass man Geld einsparen will.
Letztlich setzen Sie auch nur das fort, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, was Sie in der Oppositionszeit immer angekündigt haben. Da blieb es allerdings folgenlos. Damals haben Sie immer gesagt, das Sozialticket solle eingekürzt werden. Jetzt sind Sie in der Regierung und stellen fest, was die Folgen sind, wenn man eine solche Ankündigung auch umsetzt: Massenproteste in Nordrhein-Westfalen; eine unglaublich schlechte Presse; 50.000 Menschen, die eine Petition unterschrieben haben, Proteste, die heute vor dem Landtag stattfinden werden. Das sind die Folgen Ihrer Politik und Ihrer Ankündigung aus der letzten Woche.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Natürlich kann man darüber reden, auf welche Weise das Ticket zukunftsfest gemacht werden soll. Ich muss dem Kollegen Deppe übrigens widersprechen, der auf die Linke verwiesen hat. Es mag sein, dass die Linke – so gut kenne ich mich mit deren Wahlprogrammen nicht aus – dieses Thema im Jahr 2010 auch in ihrem Wahlprogramm stehen hatte. Insbesondere war es aber Bestandteil des Wahlprogramms von Bündnis 90/Die Grünen, und die SPD hat es in den Koalitionsverhandlungen mitgetragen. Wir sind der Urheber dieses Sozialtickets. Das ist die politische Wahrheit. Sie können das natürlich gerne bei der Linken abladen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Es war aber eine gemeinsame Vereinbarung von SPD und Grünen, die sich auch durchgetragen hat. Im Übrigen haben wir die entsprechende Kritik der Verkehrsverbünde umgesetzt und das Sozialticket in diesen Jahren einmal höher finanziert und die Förderung um 10 Millionen € angehoben.
Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Finanzierung zukunftsfähig aufgestellt ist. Ich fand ja die Bemerkung des Ministerpräsidenten höchst spannend, …
(Zuruf von der CDU)
– Hören Sie doch einmal zu.
… der am Wochenende gesagt hat, eigentlich müsse der Bund einen solchen Mobilitätssatz in die Regelsätze aufnehmen. Das ist völlig richtig.
Wenn Sie aber schon eine solche Forderung erheben, stellt sich doch die Frage: Wer ist seit zwölf Jahren in der Bundesregierung und hätte das somit längst umsetzen können?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Das haben Sie nie ge-macht!)
– Lieber Herr Löttgen, Sie regieren bereits seit zwölf Jahren in Berlin. Außerdem haben wochenlange Sondierungsgespräche in Berlin stattgefunden. Ich habe den Ministerpräsidenten in der Öffentlichkeit allerdings nur in der Form wahrgenommen, dass er sich um die Zukunft der heimischen Braunkohle kümmert. Wo ist denn die Forderung nach der Umgestaltung der Hartz-IV-Regelsätze und der Einführung des Mobilitätsatzes geblieben?
Damit hätte Herr Laschet schon viel früher in die Öffentlichkeit gehen können – und nicht erst zu einem Zeitpunkt, zu dem das Thema bereits verbrannt war.
(Beifall von den GRÜNEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Genau!)
Wir sind gespannt, wie sich das in den nächsten Wochen weiterentwickeln wird. Sie sind ja weiterhin in der Rolle, dort verhandeln zu können. Wir sind sehr gespannt, ob der Minister-präsident es in die Verhandlungen einbringen wird. Wir würden das jedenfalls unterstützen.
Es wäre eine sinnvolle Finanzierung, über die Regelsätze zu gehen. Aber solange es eine solche Finanzierung nicht gibt, hat das Land …
(Bodo Löttgen [CDU]: Die gibt es doch!)
– Nein, die gibt es eben nicht. Wir haben 27 € im Hartz-IV-Regelsatz, und das ist nicht kostendeckend für ein Sozialticket. Deswegen müsste das angehoben werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Punkt betrifft die Offenlegung der Finanzierung der Verkehrsverbünde. Auch das ist im Laufe der Debatte kritisch angesprochen worden. Auch da hätten Sie unsere Unterstützung. Natürlich wäre es dringend an der Zeit, dass unsere nordrhein-westfälischen Verkehrs-verbünde ihre Finanzierung komplett offenlegen. Das ist uns in den Gesprächen zum ÖPNV-Gesetz nicht gelungen.
Wir haben vor drei Wochen ein Urteil aus Karlsruhe dazu bekommen, was das Auskunftsrecht gegenüber Abgeordneten und Parlament bedeutet. Die Bahn wird ihre Bilanzen offenlegen müssen. Ich bin gespannt, was das für unsere Verkehrsverbünde heißt. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn die Bilanzen der Verkehrsverbünde transparenter und offener gestaltet wer-den sollen, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber all das ist doch nicht der Hintergrund der Debatte. Sie setzen – das hat Minister Wüst in ruhiger und trockener Offenheit im Ausschuss bekannt gegeben – Wahlversprechen um. Sie setzen das um, was Sie in der Oppositionszeit angekündigt haben. Damals haben Sie gesagt: Mit uns braucht es kein Sozialticket, es wird entsprechend gekürzt.
Der Ministerpräsident hat am Wochenende in der „WAZ“ angekündigt, er würde in den nächsten Wochen die Gespräche mit den Verbünden und den Gewerkschaften führen. Wer führt denn nun die Gespräche? Hat Minister Wüst noch das Heft des Handelns in der Hand, oder hat der Ministerpräsident das zur Chefsache gemacht? Auch das sollten Sie uns hier in der Debatte deutlich machen.
(Beifall von den GRÜNEN – Horst Becker [GRÜNE]: Wann kommen die Änderungsanträge für den Haushalt?)
Ich bin gespannt, was uns der Minister gleich zu sagen hat. Es ist die Chance, heute in diesem Hohen Haus vor vielen anwesenden Abgeordneten, vor der Öffentlichkeit und der Presse Farbe zu bekennen. – Herr Minister Wüst, schaffen Sie Klarheit, was das Sozialticket angeht. Hunderttausende von Menschen in Nordrhein-Westfalen warten auf ein klares Signal.
Dabei geht es nicht nur darum, ob 5 Millionen € im nächsten Jahr doch weiterfinanziert werden, wie Herr Deppe es eben angekündigt hat, sondern es geht um die Zukunft des Sozialtickets. Es geht um die Weiterfinanzierung auch nach 2019. Das alles haben Sie in Ihrer Pressemitteilung gestern offengelassen. Die Fragen, wie es mit dem Ticket weitergeht, stehen im Raum. Sorgen Sie hier für Klarheit! Das ist Ihre Chance. Sie haben gleich das Wort. Berichten Sie uns über Ihre Pläne. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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