Das Handwerk auf dem Weg ins digitale Zeitalter

Entschließungsantrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Entschließungsantrag zum Antrag der Fraktion der CDU und Fraktion der FDP „Wer Zukunftschancen schafft, hat Zukunftschancen verdient – Das nordrhein- westfälische Handwerk bei seinem Weg im digitalen Zeitalter unterstützen“
Das Handwerk nimmt in NRW wirtschaftspolitisch eine besondere Rolle ein. Jedes vierte Unternehmen in unserem Land wird dem Handwerk zugerechnet und jede/r fünfte Arbeitnehmer/in hat hier seinen/ ihren Arbeitsplatz. Es leistet also einen wichtigen Beitrag zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Neben der Arbeitsplatzschaffung und -sicherung trägt es in besonderem Maße zur ökologischen Erneuerung, zur Ausbildung und zur regionalen Wertschöpfung bei.
Das Handwerk sichert die Ausbildung und ist eine tragfähige Stütze des dualen Systems: fast ein Drittel aller Auszubildenden hat eine Stelle in einem Handwerksbetrieb. Im Vergleich mit dem Anteil der im Handwerk Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigtenzahl (18 Prozent) macht das die besondere Bedeutung des Handwerks für den Berufsausbildungssektor deutlich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Zukunftsfähigkeit des Handwerks und des Wirtschaftsstandorts NRW ist die Frage der Unternehmensnachfolge. Die Gründungsquote bei Handwerksbetrieben liegt deutlich unter dem Anteil anderer Wirtschaftsbereiche. Das hängt zwar einerseits mit der überdurchschnittlich langen Bestandsdauer eines Unternehmens zusammen. Andererseits gestaltet sich der Betriebsübergang bei Handwerksbetrieben aus verschiedenen Gründen zunehmend schwierig. Ein erkennbares Problem für den Wirtschaftsstandstandort und den Arbeitsmarkt entsteht dann, wenn ein Handwerksbetrieb aus Altersgründen komplett geschlossen werden muss, weil kein/e Nachfolger/in gefunden werden kann.
Laut Handwerkskammer Düsseldorf stehen in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren zehntausende Handwerksbetriebe zur Übergabe an. Bereits heute existiert eine große Zahl an öffentlichen Unterstützungs- und Beratungsleistungen, die allerdings dringend einer Evaluation und Bündelung bedürfen, da die bisherige Struktur für Gründungs- oder Übernahmewillige oft unüberschaubar ist. Auch sollten alternative Formen der Übergabe, wie zum Beispiel die Mitarbeiterbeteiligung, erleichtert werden.
Viele dieser Themen und Herausforderungen sind in der vergangenen Legislaturperiode in die Arbeit der Enquetekommission „Zukunft von Handwerk und Mittelstand“ eingeflossen und bearbeitet worden. Mit der Handwerksinitiative NRW und dem Mittelstandsgesetz sind in der Vergangenheit aber bereits entscheidende Schritte zur Unterstützung des Handwerks unternommen worden:

Handwerksinitiative NRW

Nordrhein-Westfalen bietet bereits heute eine Vielzahl von Angeboten zur Unterstützung von Existenzgründungen im Handwerk an: Zum Beispiel die Handwerksinitiative NRW mit dem StarterScheck, bei dem durch die Übernahme einer Ausfallbürgschaft durch die Bürgschaftsbank NRW Finanzierungskredite für Existenzgründer abgesichert werden. Ebenso ist die Meistergründungsprämie ein zentrales Instrument, um die Gründung eines eigenen Unternehmens zu fördern. Diese Maßnahmen zur Stärkung und Förderung des Handwerks müssen wie schon unter der rot-grünen Landesregierung gemeinsam mit den Betrieben und ihren Interessensvertretungen weitergeführt und weiterentwickelt werden.

Mittelstandsfördergesetz NRW

Mit dem rot-grünen Mittelstandsförderungsgesetz ist es gelungen, die Interessen der NRW- Wirtschaft frühzeitig in die Erarbeitung von Gesetzes- und Verordnungsvorhaben einzubinden. Die Clearingstelle Mittelstand prüft neue Gesetzes- und Verordnungsvorhaben der Landesregierung in Zusammenarbeit mit Kammern, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kommunen auf ihre Auswirkungen auf Kosten, Verwaltungsaufwand oder Arbeitsplätze in der Wirtschaft und trägt damit effektiv zu einer Reduzierung des bürokratischen Aufwands für die Wirtschaft bei. Mit diesem Gesetz ist NRW bundesweit Vorreiter und Vorbild für andere Bundesländer bei der Vermeidung unnötiger Bürokratie, die OECD lobt die Clearingstelle als beispielhaftes Modell zur Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Vor diesem Hintergrund sollte die Clearingstelle in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben.

Strategie Digitale Wirtschaft NRW

Insbesondere die Digitalisierung stellt die Handwerksunternehmen vor große Herausforderungen. Hier ergeben sich zahlreiche Chancen für die Betriebe, neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln, um sich am Markt zu behaupten. Die Entwicklung birgt jedoch auch Risiken, da die Grenze zwischen Handwerk und Industrie, zwischen Produktion und Dienstleistung durch die Digitalisierung weiter verschwimmt. Das Handwerk und der handwerksnahe Mittelstand bedürfen vor diesem Hintergrund besonderer Unterstützung bei der Anpassung ihrer Geschäftsmodelle und Prozesse an die digitalen Rahmenbedingungen. Deshalb ist die Strategie „Digitale Wirtschaft NRW“ (DWNRW) insbesondere darauf fokussiert, etablierte Unternehmen des Mittelstandes mit digitalen Startups zu vernetzen, die Innovation in die Betriebe tragen. Dieser Vernetzungsprozess sollte fortgesetzt werden. Bei der Weiterentwicklung der DWNRW-Strategie sind die besonderen Bedarfe des Handwerks noch stärker zu berücksichtigen.
An diese hervorragenden Rahmenbedingungen gilt es anzuknüpfen und insbesondere die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission in die Tat umzusetzen. Der von CDU und FDP hier vorgelegte Antrag greift dabei deutlich zu kurz und weicht teilweise von der Intention der Vorschläge der Enquete-Kommission ab.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Die erfolgreiche Handwerksinitiative NRW fortzuführen und weiterzuentwickeln,
2. Die Ergebnisse der Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand umzusetzen. Hierbei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:

  • eine bessere Vernetzung und Kooperation zwischen Universitäten und Fachhochschulen mit dem Handwerk, um die Forschung und Entwicklung in Handwerksbetrieben und KMU sowie die wissenschaftliche Forschung künftig noch besser an den besonderen Bedingungen und Bedürfnissen des Handwerks auszurichten und durch steuerliche Anreizsysteme zu fördern. Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene für eine steuerliche Forschungsförderung einsetzen.
  •  Unterstützung des Innovationsprozesses im Handwerk, zum Beispiel durch Anknüpfung an bestehende Programme und Schaffung neuer Programme, sofern Lücken in der Förderung bestehen. Förderprogramme müssen praxisnah und bürokratiearm umgesetzt werden, um die besonderen Voraussetzungen auch kleiner Handwerksbetriebe angemessen zu berücksichtigen.
  • Unterstützung und Stärkung der DWNRW-Programme, um die Vernetzung von Handwerk und innovativen Startups auszubauen.
  •  Weiterentwicklung von überbetrieblichen Berufsbildungszentren zu Handwerksinnovationszentren, damit auch Themen der Digitalisierung und Arbeitswelt 4.0 erforscht und gelehrt werden können.
  • Unterstützung von Handwerk und Mittelstand, damit sie Fachstellen für technische Normierungen unterhalten können und die institutionelle Einbindung in Normierungsverfahren verbessert wird.
3. Handwerksunternehmen bei der Betriebsübergabe in Kooperation mit den Selbstverwaltungsorganen des Handwerks zu unterstützen. Dabei soll die Förderung von Belegschaftsinitiativen zur Betriebsübernahme einen zentralen Schwerpunkt bilden.
4. Existenzgründungen – insbesondere von Frauen und von Menschen mit Migrationshintergrund – zu unterstützen und gezielte Förderung von Innovationen im Handwerk voranzutreiben, Die Projekte der Kompetenzzentren Frau und Beruf leisten bereits einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Gründungsklimas für Frauen. Hier sollten insbesondere die Angebote für Gründungen im Handwerk noch zusätzlich gestärkt werden.
5. Schwarzarbeit intensiv zu bekämpfen und dafür ein Maßnahmenkonzept zu entwickeln, um diese für Handwerksbetriebe existenzbedrohende Kriminalität wirkungsvoller einzudämmen. Dabei ist das erfolgreiche Pilotprojekt der Stadt Remscheid, bei dem Handwerkskammer und kommunaler Ordnungsdienst gemeinsam gegen Schwarzarbeit vor Ort vorgehen, von Landesseite aus zu unterstützen und ggfs. auf andere Ebenen zu übertragen.