Mehrdad Mostofizadeh: „Die Landesregierung tut nichts für die Kommunen“

Gesetzentwurf der Landesregierung

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, Sie waren offensichtlich noch genauso im Wahlkampfmodus wie Ihr Fraktionsvorsitzender heute Morgen, als er zum Haushalt geredet hat. Ich möchte Sie mal sehr gut über das aufklären, was die Ministerin anders in diesen Haushalt eingebracht hat, als Sie es hier dargestellt haben.
Erstens. Das Stärkungspaktgesetz – Sie haben vorhin bei Kollegin Düker immer den Kopf geschüttelt – wird in folgender Weise geändert: Die 91 Millionen € durch die Abschaffung des Soli werden nicht durch Landesmittel kompensiert, sondern schlichtweg eingespart. Oder nennen Sie mir jetzt die Haushaltsstelle, von der der Zufluss des Landes zum Stärkungspakt kommt! Den gibt es nicht. Sie bescheißen die Leute hier im Landtag ganz eindeutig, wenn Sie das so sagen.
(Zurufe von der CDU: Hey!)
Präsident André Kuper: Herr Kollege, bezüglich der Wortwahl darf ich ermahnen.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Zweitens. Wenn Sie sagen, das GFG 2018 sei eine Leistung der neuen Landesregierung, durch das die Kommunen bessergestellt würden: Es gibt in diesem GFG keinen einzigen Parameter, der anders lauten würde als 2017. Die Steigerung ist allein auf die Mehreinnahmen durch die Konjunktur zurückzuführen. Dies entspricht also nicht dem, was Sie, Frau Ministerin, und Kollege Hoppe-Biermeyer hier propagieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Sven Wolf [SPD])
Drittens. Die sogenannten Vorwegabzüge, die wir so „schlimm“ in dieses GFG eingebracht haben, Herr Kollege, werden auch nicht gegenfinanziert. Die 31 Millionen €, die Sie beim Vorwegabzug streichen, werden eins zu eins beim Zufluss zum Stärkungspaktgesetz eingesammelt. Mit anderen Worten: Die Kommunen bezahlen Ihre Versprechen. Das ist die Wahrheit zum GFG 2018.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber an anderer Stelle ist Ihre Leistungsbilanz noch schlimmer. Die Investitionen für die Krankenhäuser, die Sie vorschlagen, sinken um 200 Millionen € gegenüber dem Haushalt 2017. Sie sinken um 200 Millionen €, und 100 Millionen € – das hat Kollege Zimkeit vorhin gesagt – werden auch noch in 2018 von den Kommunen mitfinanziert.
Mit anderen Worten: Ihr Wert für 2018 liegt unter dem Wert von 2016, und Sie haben gleichzeitig auch noch eine Glanzleistung hingelegt, was die Kommunikation mit den Kommunen betrifft. Das ist wirklich ein starkes Stück, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])
Weil in Ihren Fachbereich auch das Thema „Heimat“ fällt, sage ich: Sie haben ja versucht, eine Definition zu machen, Frau Ministerin.
(Sarah Philipp [SPD]: Versucht, ja! Versucht!)
Wohnen ist gebaute Heimat. Deshalb gehört Wohnen untrennbar mit Heimat zusammen. – Frau Ministerin, dem kann ich zustimmen.
(Zuruf von der CDU: Oh!)
Allerdings: Wenn ich mir die Landesbauordnung und das Moratorium in der Landesbauordnung anschaue, muss ich feststellen, dass dieses Land offensichtlich keine Heimat für diejenigen hat, die bezahlbaren Wohnraum brauchen und die vor allem barrierefreies Wohnen für Behinderte brauchen. Sollen die heimatlos werden in Nordrhein-Westfalen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ministerin Ina Scharrenbach: Das ist ja Quatsch!)
Eine Heimat haben Sie, Frau Ministerin und die Landesregierung, offensichtlich vor allem für 139 Parteigängerinnen und Parteigänger in der Landesregierung geschaffen, die auf hochbezahlten Posten jetzt in der Landesregierung arbeiten dürfen.
(Stephen Paul [FDP]: Kommunismus!)
Ich möchte einen zweiten Punkt beim Stärkungspaktgesetz anführen. Sie haben das Stärkungspaktgesetz bzw. den Zufluss zum Stärkungspakt um insgesamt 121 Millionen € gekürzt. Sie kürzen aber auch noch im Topf II, also bei den sogenannten freiwillig am Stärkungspakt teilnehmenden Kommunen. Wenn Sie das machen, würde das ausweislich der Zahlen, die uns vorliegen, dazu führen, dass der Stärkungspakt nicht mehr ausreichen würde, um die Bescheide, die bereits an Städte wie Essen, Solingen oder andere ergangen sind, bezahlen zu können.
Deswegen greifen Sie zu einem zweiten Haushaltstrick: Sie wollen jetzt auch noch die Töpfe I und II gegenseitig deckungsfähig machen. Das macht doch deutlich, mit welchen Taschen-spielertricks Sie diesen Haushalt schönen wollen.
(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)
Die Landesregierung tut nichts für die Kommunen, sondern sie zieht das Geld für ihre Versprechen den anderen Kommunen auch noch aus der Tasche.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, Sie haben es in aller Offenheit eben gesagt: Sie wollen mit Ansage die Integrationspauschale nicht an die Kommunen weiterreichen. Sie behaupten allen Ernstes, dass die CDU nur für 2016 die Durchleitung der Integrationspauschale gefordert habe.
Herr Kollege wir werden für Transparenz sorgen. Seien Sie sicher. Wir werden diesen Satz allen Bürgermeisterinnen und allen Bürgermeistern des Landes zustellen und ihnen deutlich machen, dass diese CDU nicht einen Deut auf das gibt, was Sie ihren eigenen Leuten versprochen hat. Das ist klarer Wortbruch.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will auch den Blick auf die Zukunft richten, auf die Jahre 2019, 2020 und 2021. Frau Kollegin Düker hat vorhin darauf hingewiesen, auf welch tönernen Füßen die mittelfristige Finanzplanung aufgebaut ist. Auf den Erkenntnisgehalt aus den Auswertungen der mittelfristigen Finanzplanung ist Frau Düker ausführlich eingegangen; da ist wenig drin. Aber die Zahlen sind ausgesprochen spannend. Die Steuereinnahmen für 2020 und 2021 steigen nach der Mai-Steuerschätzung gegenüber 2019 insgesamt um 8 Milliarden €. Selbst wenn man sich die November-Steuerschätzung ansieht, stellt man fest, dass die Zahlen trotz insgesamt massiv steigender Steuereinnahmen weit über dem Bundesschnitt liegen.
Das lässt zwei Schlüsse aus meiner Sicht zu. Erstens: Die mittelfristige Finanzplanung kann so nach jetzigen Annahmen für den Landeshaushalt nicht eintreten. Deswegen werden auch viele schwarze Nullen, die hier beschrieben werden, wahrscheinlich nicht realisiert werden. Da wird man Ausreden suchen, wie: Da gab es die Finanzkrise, oder der Boden war schlecht bespielbar, um bei dem eben genannten Beispiel zu bleiben. Oder man wird andere Punkte anführen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Noch viel wichtiger ist, weil wir jetzt über das GFG sprechen – das hat auch unmittelbare Folgen für die Kommunalhaushalte –: Erstens muss man quasi täglich fürchten, dass Ihre Versprechungen eingehalten werden oder nicht eingehalten werden. Wenn zum Beispiel das Versprechen bezüglich der Grunderwerbsteuer eingehalten würde, würden bei den Kommunen mehrere hundert Millionen € Einnahmen wegfallen. Das würde schon einmal zu einer zur Belastung führen.
Oder man schaut sich die Orientierungsdaten an. Die Orientierungsdaten müssen natürlich – das ist konsequent – um ebendiese Fantasiebeträge ansteigen, die Sie aufgrund der Steuereinnahmen in den Haushalt geschrieben haben. Was passiert, wenn diese Steuereinnahmen, wie wir alle glauben, nicht eintreten? Dann werden alle diese Kommunalhaushalte wie Kartenhäuser in sich zusammenbrechen. Sie verschleiern die Wahrheit über die Kommunalhaus-halte mit diesen Orientierungsdaten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich hätte mir gewünscht, wenn Sie mit so viel Anlauf in die Regierung gehen … Da war Kommunalpolitik ein ganz wichtiges Feld; Sie haben ja allen Ernstes behauptet, dass die rot-grüne Landesregierung die Städte gespalten und sich nicht um sie gekümmert habe.
(Matthias Kerkhoff [CDU]: Das war doch so! – Gegenruf von Sven Wolf [SPD]: Nein, nein, nein!)
– Wenn das stimmt, Herr Kollege Kerkhoff, was machen Sie denn dann? Sie machen es keinen Deut anders, als wir es an der Stelle gemacht haben, außer dass sie die Haushaltstricks anwenden, die ich Ihnen hier eben geschildert habe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das passt übrigens bestens in das Bild im Kommunalausschuss. Da geht es um das Pro-gramm „Gute Schule 2020“. Da haben wir ein paar Nachfragen gestellt und gesagt: Das ist ein gutes Programm. Das führt dazu, dass Investitionen, die sonst in den Städten nicht gelaufen wären, jetzt endlich laufen können. Da sagt Kollege Hoppe-Biermeyer: Das ist doch ein kreditfinanziertes Programm. Deswegen ist das nicht gut.
Dann frage ich die Ministerin: „Ändern Sie einen Deut an dieser Finanzierung?“, und da war die Antwort natürlich: „Nein, das machen wir nicht, weil das ein gutes Programm ist.“ – Das ist die Politik der Landesregierung: Hin- und Herspielerei, um die Wahrheit zu verdecken, dass die Maßnahmen von Rot-Grün in diesem Bereich gar nicht so schlecht waren und viele wichtige Akzente gesetzt haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Meine Bitte ist nur – das meine ich sehr ernst, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, und das richte ich auch an die Kolleginnen und Kollegen der FDP –: Die Zeit des Wahlkampfes ist wirklich vorbei.
(Lachen von der FDP – Zuruf von der CDU: Ja!)
Lassen Sie uns über die Sachthemen reden und lassen Sie uns Konzepte entwickeln! Was Sie machen, ist Trickserei. Das hat mit der Zukunftsplanung dieses Landes herzlich wenig zu tun. Sie schmücken sich mit fremden Federn. Sie brechen ganz offensichtlich Wahlkampfversprechen, etwa hinsichtlich der Integrationspauschale, um nur ein Beispiel zu nennen.
Deswegen freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss, sage Ihnen aber sehr klar: Wir werden transparent machen, wenn Sie nicht einhalten, was Sie versprochen haben, und wir werden auch Konzepte entgegensetzen, wo wir einen anderen Schwerpunkt haben.
Einen will ich Ihnen noch kurz vor Abschluss der Rede nennen. Folgendes wäre nach den Zahlen, die uns vorliegen, möglich: Wenn Sie schon den Stärkungspakt auslaufen lassen wollen – dazu machen Sie keine klare Ansage –, müssen doch zuerst die notleidenden Kommunen entlastet werden
(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)
und nicht Monheim, das Gewerbesteuereinnahmen hat, genauso wie Duisburg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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