Josefine Paul: „Es war höchste Zeit, dass das erlittene Leid und die Ungerechtigkeit auch staatlicherseits anerkannt werden“

Antrag der SPD zur Rehabilitierung homosexueller Justizopfer

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte der Verfolgung homosexueller Männer in der Bundesrepublik ist ein sehr dunkles Kapitel der bundesrepublikanischen Geschichte. Es hat auch sehr lange gedauert, bis die Bundesrepublik sich dazu durchringen konnte, dieses Unrecht anzuerkennen und dieses Unrecht aufzuheben.
Wir haben darüber auch hier in diesem Haus sehr intensiv diskutiert, ob ein Rechtsstaat Unrecht tun kann. Ich finde, es ist eine sehr starke Geste des Rechtsstaates, dieses Unrecht am Ende anerkannt zu haben und die Urteile aufzuheben. Es ist aus meiner Perspektive gerade eine Stärke eines Rechtsstaates, zuzugeben, dass er in einem historischen Kontext falsch gehandelt hat.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Die individuelle Entschädigung der Betroffenen kann dabei natürlich nur eine Geste sein. Aber diese Geste ist wichtig, und es war höchste Zeit, dass das erlittene Leid und die Ungerechtigkeit auch staatlicherseits anerkannt und entschädigt werden. Leider – darauf ist schon hingewiesen worden – können es nicht mehr alle Betroffenen erleben, und das ist auch eine traurige Seite bundesrepublikanischer Geschichte.
Neben der individuellen Rehabilitierung und Entschädigung geht es aber auch um die gesellschaftliche Aufarbeitung; denn der § 175 steht ja nicht außerhalb eines gesellschaftlichen Kontextes. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns unter dem Motto „Zukunft braucht Erinnerung“ diesem gesellschaftlichen Kontext widmen.
In NRW widmet sich die ARCUS-Stiftung dieser wichtigen Aufgabe, beispielsweise mit einem ZeitzeugInnenprojekt zur Aufarbeitung der Verfolgung und Diskriminierung von homosexuellen Männern unter dem § 175 StGB.
Hierzu gehört aber auch die Lebenssituation lesbischer Frauen in der Bundesrepublik. Anders als in Österreich galt der § 175 StGB in Deutschland nie für Frauen. Nichtsdestotrotz haben in der Bundesrepublik auch lesbische Frauen unter einer bestimmten, sehr restriktiven gesellschaftlichen Haltung gegenüber unterschiedlichen Lebensformen gelitten, unter einer sehr restriktiven Auffassung eines restriktiven Frauen- und Familienbildes. Auch das gilt es in den Blick zu nehmen; denn auch die Marginalisierung und Diskriminierung lesbischer Frauen muss Teil bundesrepublikanischer Erinnerungskultur werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sind sehr froh, dass es noch 2016 gelungen ist, der ARCUS-Stiftung die Zustiftungen aus nicht verausgabten Mitteln der entsprechenden Titelgruppe im Haushalt zur Verfügung zu stellen, sodass im Jahr 2017 immerhin 135.600 € an Zustiftungen an die ARCUS-Stiftung gehen konnten. So konnte man dort diese wichtigen Projekte weiter vorantreiben und damit auch die Sichtbarkeit homosexueller, schwuler, lesbischer, Bi- und Trans-Geschichte und Erinnerungskultur in diesem Land stärken.
Es geht aber nicht nur darum, die Diskriminierung und Verfolgung in den Blick zu nehmen. Die Geschichte der Rehabilitierung von homosexuellen Männern, aber auch die Geschichte lesbischer Diskriminierung wäre ja nicht möglich gewesen, gäbe es nicht eine starke LSBTI-Emanzipationsbewegung in diesem Land. Auch diese Geschichte muss aufgearbeitet und erzählt werden. Dazu gehört eben auch, dass die Verfolgung und die Emanzipation als Teil historischer Bildung innerhalb und außerhalb schulischer Bildung Eingang in unsere Erinnerungskultur findet und Teil einer bundesrepublikanischen Geschichtserzählung wird.
Ich habe im Entschließungsantrag der regierungstragenden Fraktionen sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass es hier ein ganzes Maßnahmenbündel gibt, mit dem Sie sich der Aufgabe verschreiben, eine Allianz für Vielfalt zu gründen, einen Aktionsplan gegen Gewalt an jungen Männern und LSBTI. Ich finde, das ist eine etwas merkwürdige Zusammensetzung, aber nichtsdestotrotz ist das ja nicht falsch. Ich möchte an der einen oder anderen Stelle erklärt bekommen, wie es zu dieser Zusammensetzung gekommen ist.
Aber grundsätzlich ist das der richtige Weg. Ich hätte nur die Frage, was denn mit den vielen Projekten, die von der Vorgängerregierung im Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie aufgegriffen worden sind, passiert. Dort wartet man dringend auf ein Signal, ob es nun weitergeht oder nicht. Werden die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen auch diese Projekte fortschreiben? – Ich hoffe da auf ein positives Signal Ihrerseits; denn die Arbeit, die dort gemacht wird, ist gut und wichtig und verdient es, auch weiterhin gefördert zu werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich finde es auch sehr gut und richtig, dass Sie hier eine Bundesratsinitiative zur Neufassung des Transsexuellengesetzes in Aussicht stellen. Das ist, so meine ich, ein ganz wichtiger Punkt; denn diese Menschen sind lange Zeit wenn auch nicht in der Art und Weise verfolgt, aber doch sehr marginalisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden. Daher ist es wichtig, ihre Rechte und ihre Forderungen jetzt mehr in den Blick zu nehmen. Unsere Unterstützung haben Sie an dieser Stelle.
Ich möchte Ihnen auch sagen, dass ich es sehr gut finde, dass wir hierzu einen breiten Konsens in diesem Hause haben. Die eine oder andere Wahlkampfrhetorik von Herrn Kamieth fand ich bei dieser ansonsten doch sehr breiten und sachlichen Debatte leider ein bisschen schade.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir werden aber nichtsdestotrotz beiden Anträgen zustimmen; denn sie gehen in die richtige Richtung. Lassen Sie uns bei diesen Themen weiterhin gemeinsam in eine Richtung gehen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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