Öffentliche Forschung muss dem Frieden dienen

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN

I.  Ausgangslage:
Als Zivilklausel wird die Selbstverpflichtung wissenschaftlicher Einrichtungen bezeichnet, ausschließlich für zivile und friedliche Zwecke zu forschen. Diese Selbstverpflichtung gilt sowohl für eigene Forschungsprojekte als auch für Forschungsprojekte im Verbund mit außerhochschulischen Einrichtungen sowie für Drittmittelkooperationen. Aufgrund von Initiativen aus der Friedensbewegung und von anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen, von Gewerkschaften und Studierenden haben deutschlandweit immer mehr Hochschulen eine Zivilklausel in ihre Grundordnung aufgenommen. Als erste nordrhein-westfälische Hochschule beschloss die Technische Universität Dortmund schon 1991 eine entsprechende Selbstverpflichtung.
In einer Zeit, die neben großen gesellschaftlichen Umwälzungen auch maßgeblich von internationalen Krisen und bewaffneten Konflikten geprägt ist, stehen wissenschaftliche Einrichtung mehr denn je in der gesellschaftlichen Verantwortung, zu einer friedlichen Lösung dieser globalen und internationalen Herausforderungen beizutragen. In aller Regel gelingt dies auch. So entwickeln die Hochschulen unter anderem Strategien ziviler Konfliktprävention und
-lösungen, ergründen Kriegs- und Fluchtursachen, tragen zu Gelingensbedingungen für ein friedliches Zusammenleben in Konfliktregionen bei oder treten für internationale Zusammenarbeit und Völkerverständigung ein.
Mit dem Hochschulzukunftsgesetz hat die rot-grüne Koalition in der vergangenen Wahlperiode die Zivilklausel gesetzlich verankert. In § 3 Abs. 6 Hochschulgesetz wird festgestellt: „Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach.“
Ihren jeweils eigenen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels sollen die Hochschulen in Nordrhein- Westfalen in ihren Grundordnungen selbst ausgestalten. Die Zivilklausel, wie sie mit dem Hochschulzukunftsgesetz verankert wurde und in den nordrhein-westfälischen Hochschulen umgesetzt und gelebt wird, ist insofern ein gelungenes Beispiel für eine Zielformulierung, die gesellschaftliche Erwartungen festhält, aber zugleich die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft und Lehre schützt.
Nordrhein-Westfalen ist ein weltoffenes Land mit einer weltoffenen Wissenschaftslandschaft. Es ist ebenso Standort zahlreicher Institutionen der Vereinten Nationen sowie von Einrichtungen, Forschungsinstituten und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die eine nachhaltige Entwicklung sowie internationale Kooperationen und Solidarität vorantreiben. Die gesetzliche Verankerung der Zivilklauseln ist in diesem Kontext als Ausdruck eines wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsenses für die Gestaltung einer friedlichen und demokratischen Welt zu sehen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung plant nun eine Abkehr von diesem Konsens. In ihrer
„Kleinen Regierungserklärung“ vor dem Wissenschaftsausschuss am 27. September 2017 hatte  die  Ministerin  für  Kultur  und  Wissenschaft  bereits  die  Zivilklausel  als  Beispiel  für
„zentralistische Instrumente und bürokratische Vorgaben“ genannt. In der Folge bekräftigte die Ministerin dies unter anderem mit dem Bekenntnis zur Abschaffung der Zivilklausel und der damit verbundenen Ermöglichung von Militärforschung an öffentlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.
Die Zivilklausel, wie sie heute im Hochschulgesetz ausgestaltet ist, führt zu einer Sensibilisierung der Forschenden und trägt der gesellschaftlichen Erwartung Rechnung, dass öffentliche Gelder nicht für Forschung eingesetzt werden, deren Anwendung und Ziele gesellschaftlich nicht erwünscht sind. Sie bietet den Rahmen für die Debatte, in der sich Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit der Gesellschaft mit der Frage auseinandersetzen, wie Forschungsergebnisse genutzt und angewendet werden können. Das Spannungsverhältnis zwischen Anwendungsmöglichkeiten von Forschungsergebnissen und gesellschaftlichen Erwartungen an die Wissenschaft wird in dieser Debatte reflektiert. Forschung ist relevant, aber teils auch mit dem Risiko behaftet, dass ihre Ergebnisse auch für Ziele eingesetzt werden könnten, die gesellschaftlich nicht erwünscht sind. Die eindeutige Reaktion der RWTH Aachen auf den Versuch, die Expertise des dortigen Werkzeugmaschinenlabors für den Bau einer Panzerfabrik in der Türkei zu nutzen, verdeutlicht ganz aktuell die Akzeptanz der Zivilklausel und wie sie sich in der Praxis bewährt.
Der in Nordrhein-Westfalen beschrittene Weg ist in diesem Sinne vor allem als Friedensklausel zu verstehen, die – ergänzt durch sinnvolle Transparenzvorgaben für Drittmittelströme – auf gesellschaftliche Anforderungen an öffentlich geförderte Forschung reagiert.
II. Der Landtag beschließt

  1. Öffentliche Forschung muss dem Frieden dienen. Die Hochschulen des Landes sollen deshalb im Rahmen ihrer Forschung und Lehre an der Gestaltung einer friedlichen, nachhaltigen und demokratischen Welt mitwirken.
  2. Die Zielformulierung der Zivilklausel in § 3 Abs. 6 Hochschulgesetz ist Ausdruck des Leitbilds einer nachhaltigen, sozialen, gerechten, ökologischen und zivilen Hochschullandschaft, die sich als konstitutiver Teil der Gesellschaft versteht.
  3. Der Landtag fordert die Landesregierung vor diesem Hintergrund auf, von ihren Planungen Abstand zu nehmen, die Zivilklausel aus dem Hochschulgesetz zu streichen, um Militärforschung auch an den öffentlichen Hochschulen in Nordrhein- Westfalen uneingeschränkt zu ermöglichen.