Mehrdad Mostofizadeh: „Dieser Finanzminister ist kein ‚ehrbarer Kaufmann'“

Gesetz der Landesregierung zum Nachtragshaushalt

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz Rekordsteuereinnahmen, trotz boomender Konjunktur und trotz niedriger Zinsen legen Sie heute erneut einen Schuldenhaushalt in Höhe von 1,6 Milliarden € vor. – So hätten Sie Ihre Plenarreden begonnen, wenn wir an der Regierung wären, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der SPD: Schuldenkaiser!)
Und was Sie noch gemacht haben: FDP und CDU haben Frau Kraft in diesem Hohen Hause eine Schuldenkönigin geschimpft.
(Zurufe von der SPD)
Sie haben peinliche Wortspiele wie „Kabinett Kraftikakis“ kreiert,
(Zuruf von der SPD: Schuldenkaiser!)
um an vermeintlich griechische Verhältnisse zu erinnern.
Eines kann ich Ihnen sagen: Ich würde mir Herrn Varoufakis nach Nordrhein-Westfalen wünschen. Seine Bilanz ist keinen Deut besser als die von Herrn Lienenkämper, aber dafür hat er das eindeutig coolere Motorrad, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Meine Damen und Herren, das ist der teuerste Regierungswechsel aller Zeiten. Es ist ein Wahlkampfhaushalt. Sie haben sich Zeit gekauft, um über den September zu kommen. Das ist die Bilanz dieses zweiten Nachtragshaushaltes 2017.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben 139 neue Stellen in Ihren Etat eingefügt, und zwar – das muss ich schon sagen – einigermaßen schamlos. Auf der einen Seite sagen Sie in Ihrem Haushaltsentwurf auf Seite 29 sehr offen, dass Sie diese Stellen brauchen, um Vertrauenspositionen in den Regierungen abzubilden. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die Staatssekretäre und die Ministerinnen und Minister ausgetauscht werden; es gibt auch eine dauerhafte Fluktuation.
Ich frage mich, ob Sie wirklich 139 Getreue brauchen, um Vertrauen in diese Regierung zu bekommen. Sind denn die Beamtinnen und Beamten in diesem Lande alle nicht mehr vertrauenswürdig, Herr Kollege Lienenkämper?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Da passt es ins Bild, was im Hause der Heimatministerin mit dem langjährigen Leiter der Kommunalabteilung, Johannes Winkel, geschehen ist. mit dem ich, ehrlich gesagt, nicht immer einer Meinung war – und das ist auch gut so. Er ist ein integrer, über alle Parteigrenzen hinweg geachteter Mann, der seine Meinung gesagt hat und trotzdem loyal war. Offensichtlich sind solche Qualitäten bei CDU und FDP jetzt nicht mehr gefragt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber auch die haushalterische Umsetzung dieser 139 Stellen macht mir Angst, Herr Finanzminister Lienenkämper. Warum erhalten diese nicht den Vermerk „kw“, wie es sich gehört? Die Aussage im Haushaltsausschuss dazu lautete lediglich: Wir haben auch andere Mittel.
Es gibt nur zwei Schlüsse, die das zulässt: Entweder wollen Sie das Parlament entmachten und machen aus einer Ermächtigungsgrundlage für die Regierung eine Entmündigungsgrundlage für das Parlament, oder Sie wollen diese 139 Stellen ganz schamlos in den Haushalt hineinpacken; denn das kommt rechtlich bei Ihrem Gesetzentwurf heraus.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen: den BLB-Kredit. So wie der Landesrechnungshof es auslegt, könnte man denken, man kann es so oder so sehen. Tatsächlich ist es aber anders. Sie wollen die fallende Linie beschreiben. Sie wollen die 880 Millionen € BLB-Kredit in den Haushalt dieses Jahres einstellen, um einen vermeintlichen Abfall der Nettokreditaufnahme zu konstruieren. Das geschieht jedoch auf dem Rücken des Immobilienbetriebes. Das ist finanzpolitisch falsch und letztlich ein schlichter Haushaltstrick, Herr Kollege Lienenkämper. Das ist die schwarze Kasse Nummer eins, die CDU und FDP hier aufgemacht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die schwarze Kasse Nummer zwei ist das Phoenix-Portfolio. Das Phoenix-Portfolio wurde von Ihrem Vorvorgänger, Herrn Linssen, angelegt, um die Risiken der WestLB-Abwicklung abzufangen. Das wurde gemacht, um sukzessive die Risiken durch Haushaltsmittel zu hinterlegen.
Herr Finanzminister Lienenkämper, Sie haben doch alle Möglichkeiten. Sie haben die Experten der Ersten Abwicklungsanstalt, und Sie haben die Experten in Ihrem Hause. Fragen Sie sie doch! Machen Sie doch einen Abbaupfad und keine Arbeitsverweigerung hier! Das ist die schwarze Kasse Nummer zwei. Sie ist haushalterisch unvernünftig und letztlich eine schwarze Kasse auf dem Rücken des Kreditmarktes.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist auch spannend, was alles nicht im Haushalt steht. Stichwort „Grunderwerbsteuer“: CDU und FDP sind im Lande rauf und runter gezogen und haben gesagt: SPD und Grüne haben die Grunderwerbsteuer auf 6,5 % angehoben. Wir werden eine Entlastung der jungen Familien vornehmen.
Dazu steht nichts im Haushalt, und der Finanzminister weigert sich, Aussagen dazu zu machen. Warum eigentlich? Es liegt doch ein Gutachten der FDP vor, das klipp und klar sagt, was dann passieren würde. Eine Milliarde € fehlt im Landeshaushalt, und es sind noch einmal 200 Millionen € bei den Kommunen.
Meiner Meinung nach wollen Sie die Antwort nicht geben, weil Sie die Gegenfinanzierung nicht darstellen können. Sie haben es schlicht nicht drauf, Ihre Wahlversprechen einzulösen. Das ist schamloser Wahlbetrug, was an der Stelle stattfindet!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU: Ui!)
Ich möchte noch ein weiteres Beispiel nennen. Die Integrationspauschale steht auch nicht in diesem Haushalt.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie müssen nicht immer von sich auf andere schließen!)
Das ist allerdings ganz komisch, denn die CDU-Fraktion hat noch bis zum Wahltag gefordert, die Integrationspauschale von 434 Millionen € den Kommunen in voller Höhe zur Verfügung zu stellen.
Ich kann in dem Zusammenhang den Kollegen Optendrenk zitieren, der im Rahmen des Zweiten Nachtragshaushalts 2016 sagte:
„Integration findet vor Ort statt. Das wäre die richtige Antwort auf die Herausforderungen gewesen.“
Deswegen gab es den Antrag, die 434 Millionen € den Kommunen in vollem Umfang bereitzustellen. Das hat Rot-Grün nicht gemacht. Herr Optendrenk sagte, das sei eine Fehlleistung der rot-grünen Landesregierung gewesen.
Die FDP hat immer eine angemessene Weiterleitung der 434 Millionen € gefordert. Was ist jetzt dabei herausgekommen? CDU und FDP haben sich jetzt darauf geeinigt, null Euro an die Kommunen weiterzuleiten. Findet die Integration ab heute hier in Nordrhein-Westfalen nicht mehr statt, Herr Kollege Optendrenk?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der SPD: Hört, hört!)
Dann das Possenspiel bei der Krankenhausfinanzierung: Zuerst feiern Sie sich dafür, 250 Millionen € für diesen Bereich zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen stellen nun fest, dass 100 Millionen € natürlich von den Kommunen zu tragen sind. Dann gibt es hektische Aufregung bei den Koalitionsfraktionen. Es kommt eine Pressemitteilung zutage, in der steht: Die 100 Millionen € müsst ihr überhaupt nicht bezahlen, liebe Kommunen, die bezahlt das Land aus eigenen Haushaltsmitteln.
Dann gibt es Verwirrung bei allen. Die kommunalen Spitzenverbände sagen, es sei ein Affront gewesen, dass mit ihnen vorher nicht einmal gesprochen worden wäre, um diesen Sachverhalt darzustellen. – Also, Ihre Kommunikationsfähigkeit und Kommunalfreundlichkeit möchte ich schon nach 100 Tagen Regierungszeit klar infrage stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber die Verwirrung geht ja weiter. Bis heute ist nicht klar erklärt worden, wie Sie es machen wollen. Aus meiner Sicht ist es klar, was hier passiert: Die 100 Millionen € wollen Sie kreditieren. Sie schaffen es allerdings nicht, das bilanziell aus dem Jahr 2017 herauszukriegen. Lassen wir das einmal stehen.
Aber die 100 Millionen € sollen die Kommunen im nächsten Jahr nach Ihrem Willen darstellen. Und der Gesundheitsminister hat auch klar zum Ausdruck gebracht: Er will, dass die Kommunen weiter beteiligt werden. Warum läuft dann der Fraktionsvorsitzende der CDU auf dem Parteitag in Rhein-Sieg durch die Gegend und sagt: Nein, nein, diese 250 Millionen € sind ein einmaliger Vorgang.
Herr Finanzminister Lienenkämper, ich möchte heute eine klare Aussage von Ihnen haben: Wird die Krankenhausfinanzierungsbeteiligung der Kommunen weitergehen? Wird es ein einmaliger Vorgang oder eine strukturelle Weiterbelastung sein? – Denn es ist ein Schauspiel, was Sie hier abziehen. Auf der einen Seite behaupten Sie, 100 Millionen € Entlastung gäbe es, und strukturell würden die Kommunen nicht belastet. Das ist nicht in Ordnung, das ist Hinter-die-Fichte-Führen der Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Den zweiten Punkt, der die Krankenhausfinanzierung betrifft, möchte ich an der Stelle auch noch ansprechen. Ich hatte die Freude, mir in drei Ausschüssen die Haushaltsberatung anzusehen: im Haushalts- und Finanzausschuss, im Kommunalausschuss und im Gesundheitsausschuss. Ich habe in allen drei Sitzungen nachgefragt, wie das denn technisch ablaufen soll. – Niemand hat mir eine Antwort gegeben.
Allerdings hat der Gesundheitsminister eine aus meiner Sicht interessante Bemerkung gemacht. Er hat gesagt: Mir ist ganz egal, wie die 250 Millionen € zustande kommen. Hauptsache, das Geld ist bei mir. – Das macht doch eins deutlich: Dieser Finanzminister ist Erfüllungsgehilfe von Ressortinteressen, er ist kein ehrbarer Kaufmann und nimmt seine Funktion als Finanzminister bei diesen Haushaltsberatungen in keiner Weise wahr.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, viele – auch ich – waren überrascht, als Sie Herrn Lienenkämper zum Finanzminister ernannt haben. Ich muss leider nach 100 Tagen sagen: Wir brauchen an der Spitze des Finanzressorts keine rheinische Frohnatur, sondern einen ehrbaren Kaufmann, wie es Alt-Finanzminister Helmut Linssen von der CDU mal formulierte. Davon ist Herr Lienenkämper Lichtjahre entfernt. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU)

Mehr zum Thema

Haushalt & Finanzen