Mehrdad Mostofizadeh: „Ansonsten wird es ein zahnloser Tiger“

Antrag der SPD zu Teilzeitarbeit

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 46 % der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit. Anders, als das einige gerade vorgetragen haben, geschieht dies durchaus nicht immer freiwillig. Wie schon richtig ausgeführt worden ist, wechseln viele Frauen – und zwar viel mehr als Männer; von ihnen arbeiten nämlich nur 10 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Teilzeit – nach einer Familienphase in Teilzeit.
Anders, als das eben hier dargestellt wurde, haben diese Frauen in späteren Jahren keineswegs einen Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit. Sonst müssten wir uns ja heute nicht über diesen Tatbestand unterhalten.
Ich möchte einmal schildern, wie ein normaler, durchschnittlicher Mensch sich eine Erwerbsbiografie vorstellt. Natürlich fragt man sich, wie man Familien- und Aufstiegsphasen miteinander in Einklang bringen kann. Dadurch, dass man zu dem Schluss kommt, sich Teilzeit gar nicht erlauben zu können und deswegen eine Familie nicht so gründen oder so gestalten zu können, wie man es für richtig hält, werden viele Menschen – Väter wie Mütter – zu Vollzeitarbeit gezwungen; oder sie nehmen Teilzeit in Anspruch und haben dann nicht mehr die Möglichkeit, zu Vollzeit zurückzukehren.
Das hat schwerwiegende Folgen. Es ist richtig dargestellt worden, dass derjenige, der in Teilzeit bleibt, weniger Fortbildungen macht, eine schlechtere Rente bekommt und geringere Aufstiegschancen hat. Wer das heute hier bezweifelt, ist wirklich nicht in der Realität angekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])
Der Ministerpräsident hat gestern in seiner Regierungserklärung die Frauenförderung angesprochen. Er möchte, dass Frauen für die gleiche Arbeit das gleiche Geld bekommen. Das ist erst einmal eine gute Erkenntnis. Aber schon in der Diskussion um das Landesbeamtengesetz ist die Haltung der CDU/FDP-Landesregierung deutlich geworden.
Ich vertrete die Auffassung, dass das, was im Beamtenrecht Gott sei Dank häufig möglich ist, nämlich Freistellungen oder die Rückkehr von Teilzeit zu Vollzeit, in viel mehr Betrieben in Deutschland möglich sein muss. Das gehört zur Erwerbsbiografie von erwachsenen, gut ausgebildeten Menschen einfach dazu. Das ist modernes Arbeitsrecht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will einen weiteren Punkt aus dem Antrag der Kollegen der SPD ansprechen, der nicht untergehen soll, und zwar das Kompetenzzentrum Frau und Beruf. Zumindest in der letzten Legislaturperiode ist Folgendes in diesem Rund oft nicht verstanden worden: Dieses Kompetenzzentrum berät Unternehmen – und nicht Einzelpersonen –, wie sie ihren Betrieb familienfreundlich gestalten können. Dafür gibt es sehr gute Lösungen. Ich sage an dieser Stelle ganz eindeutig, dass das viel besser ist, als es gesetzlich zu regeln. Natürlich ist es besser, wenn durch vertragliche Gestaltung oder durch Betriebsvereinbarungen in den Betrieben selbst flexible Möglichkeiten verabredet werden. In diesem Fall kann man nämlich viel flexibler auf die verschiedenen Situationen eingehen.
Deswegen halten wir es für richtig, dieses Kompetenzzentrum weiter zu stärken. Ich appelliere an CDU und FDP, nicht die Axt an dieses Kompetenzzentrum zu legen, sondern eher seine Fähigkeiten auszubauen und für entsprechende EFRE-Mittel zu sorgen, damit es besser arbeiten kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Einen letzten Kritikpunkt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, kann ich Ihnen aber nicht ersparen. Der Koalitionsvertrag ist ja von der Kollegin von der CDU eben angesprochen worden. Er ist eindeutig. Anders, als Sie es dargestellt haben, Frau Oellers, wurde der Vertrag aber nicht erfüllt. Vielmehr hat die Bundeskanzlerin ganz klar Koalitionsbruch begangen und eine Besserstellung für Teilzeitbeschäftigte verweigert. Das sehe ich eindeutig so.
(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Warum die Arbeitsministerin aber nicht in der Lage war, dieses wichtige Thema früher in der Legislaturperiode anzusprechen, bleibt ihr Geheimnis. Ich kann nur feststellen, dass das wohl tatsächlich dem Wahlkampf geschuldet ist. Das finde ich außerordentlich bedauerlich, weil es wichtig wäre, Familienpolitik, Zeitpolitik und Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland wieder deutlich stärker in den Fokus zu rücken. Dieses Thema hätte es verdient, früher behandelt zu werden. Es ist schade, dass das nicht zum Gesetz geworden ist.
(Nadja Lüders [SPD]: Der Ausschuss tagt nach der Bundestagswahl!)
Wir Grünen halten dies inhaltlich für richtig und setzen uns sogar für deutlich mehr ein.
Die Kollegin Schneider hat es schon angesprochen: Die CDU hat die Zustimmung verweigert, weil Frau Nahles – so, wie es üblich ist – die Grenze der Gültigkeit bei 15 Beschäftigten ziehen wollte. Die CDU wollte sie aber bei 250 und mehr Beschäftigten ziehen. Damit wären weitere 6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von dieser Regelung ausgeschlossen gewesen. Dann kann man es auch irgendwann sein lassen. Wenn man schon ein solches Gesetz einführt, dann sollte man es so, wie es auch sonst im Teilzeitrecht üblich ist, ab 15 Beschäftigten gelten lassen. Ansonsten wird es ein zahnloser Tiger. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN) 

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