Josefine Paul: „Das kann nicht gerecht sein“

Antrag der GRÜNEN zur Gleichstellung von Regenbogenfamilien

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 30. Juni 2017 war ein Meilenstein der Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Deutschland. An diesem Tag hat der Deutsche Bundestag – in der Tat ein wenig überraschend – sozusagen auf der Zielgeraden der Legislaturperiode doch noch der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zugestimmt. Er hat damit dafür gesorgt, dass gleichgeschlechtliche Paare in diesem Land nicht länger Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse sind.
Das war ein wichtiger Schritt; das war ein überfälliger Schritt; denn gleiche Liebe verdient auch gleiche Rechte. Das ist eine jahre- und jahrzehntelange Forderung der Community gewesen, der sich auch die Grünen schon vor vielen Jahren – auch mit ihrem Vorkämpfer Volker Beck – angeschlossen haben.
(Zurufe von der AfD)
Das Eheverbot für Lesben und Schwule war diskriminierend. Diese Menschen übernehmen Verantwortung füreinander. Das sollte einer Gesellschaft etwas wert sein – unabhängig davon, ob Mann und Frau heiraten und füreinander Verantwortung übernehmen wollen oder Mann und Mann oder Frau und Frau.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dieser Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2017 zur Öffnung der Ehe ist im Übrigen auch noch gar nicht in Kraft. Erst ab dem 1. Oktober werden die Paare beim Standesamt heiraten können oder sozusagen ein Ehe-Upgrade machen können. Das Richtige und Wichtige dazu hat Frau Butschkau schon gesagt; es darf nicht zu weiteren Kosten für die Paare führen.
Der jahrzehntelange Kampf, der mit diesem historischen Beschluss des Deutschen Bundestages zu einem großen Sieg gekommen ist, war jahrelang dadurch blockiert, dass eine Kanzlerin ihr Bauchgefühl quasi vor ihr Bürgerrechtsverständnis gestellt hat.
Auch in Richtung der SPD-Fraktion muss man ehrlicherweise sagen: Die SPD ist ebenfalls Teil der Großen Koalition, die es geschafft hat, den Gesetzentwurf 30-mal im Rechtsausschuss zu vertagen, nur um sich irgendwie über die Legislaturperiode zu retten.
Glücklicherweise – darüber bin ich sehr froh, und darüber sind, glaube ich, alle Lesben und Schwule in diesem Land sehr froh – hat man sich am Ende doch noch dafür entschieden, mit einer großen Mehrheit im Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend zu sagen: Dieses wichtige Bürgerrechtsanliegen setzen wir in dieser Legislaturperiode noch um.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kampf für Gleichberechtigung von LSBTTI und gegen Diskriminierung ist aber noch nicht zu Ende. Die Öffnung der Ehe ist ein wichtiger Schritt. Aber sie löst eben nicht alle Probleme, mit denen sich gleichgeschlechtliche Paare und vor allem Regenbogenfamilien konfrontiert sehen. Eine moderne Familienpolitik – die Enquetekommission der letzten Legislaturperiode, die sich mit einer modernen Familienpolitik für Nordrhein-Westfalen befasst hat, ist schon erwähnt worden – muss der Vielfalt der Familienformen Rechnung tragen. Alle Kinder sollten dem Staat gleich viel wert sein. Familien, die füreinander Verantwortung übernehmen, dürfen nicht benachteiligt werden, weil sie nicht aus Vater, Mutter und Kind, sondern aus Mutter, Mutter und Kind, Vater, Vater und Kind oder alleinerziehenden Konstellationen bestehen.
Insbesondere lesbische Paare mit Kinderwunsch sind in diesem Land weiter benachteiligt. Die Möglichkeit einer Kinderwunschbehandlung ist weiterhin mit hohen Hürden und vor allem hohen Kosten verbunden. Die meisten Paare lösen das irgendwie privat – was vielleicht auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist – oder müssen ins Ausland reisen und sehr viel Geld in die Hand nehmen. Heruntergebrochen heißt das, dass nur besserverdienende lesbische Paare sich die Gründung einer Familie leisten können. Das kann nicht gerecht sein.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Auch die rechtliche Situation ist weiterhin schwierig. Nach wie vor ist die zeitaufwendige und teilweise auch absurde und irgendwie demütigende Stiefkindadoption notwendig – selbst dann, wenn ein Kind in eine bestehende lesbische Beziehung hineingeboren wird.
Es wird höchste Zeit, diese Hürden und Benachteiligungen zu beseitigen. Wir fordern die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass das Abstammungsrecht endlich der Lebenssituation und vor allem dem Kindeswohl angepasst wird, sodass dann beide Mütter bereits ab der Geburt eines Kindes auch rechtlich als Mütter anerkannt werden, wenn das Kind in eine bestehende Beziehung hineingeboren wird. Denn auch im Sinne des Kindeswohls muss es darum gehen, dass Kinder von Geburt an Menschen haben, die Verantwortung für sie übernehmen, und nicht noch jahrelang darauf warten müssen, ob sie vielleicht irgendwann einmal dann doch zwei Elternteile haben.
Wir haben in unserem Antrag noch eine Reihe weiterer Maßnahmen aufgeführt, die auch das Land umsetzen kann, um Regenbogenfamilien besser zu unterstützen. Beispielsweise ist die Landeskoordinierungsstelle, die Kollegin Butschkau angesprochen hat, ein Beitrag für Regenbogenfamilien. Aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, dass wir eine solche Koordinierungsstelle haben – nicht nur als Anlaufstelle für Regenbogenfamilien, sondern auch und gerade, weil wir Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung brauchen – für die Behörden, aber auch für die vielen Familienberatungsstellen im Land, die nicht automatisch schon zu diesem Themenbereich qualifiziert sind. Wir sind daher der Auffassung, dass das ein wichtiger Beitrag ist.
Wir brauchen auch mehr Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der pädagogischen Fachkräfte, weil die Kinder von Regenbogenfamilien eben Teil unserer Gesellschaft sind. Das muss sich bereits in den Jugendeinrichtungen, den Schulen und den Kindertageseinrichtungen widerspiegeln.
Wir hoffen, dass wir im Ausschuss gemeinsam zu gewissen weiteren Maßnahmen kommen werden. Insofern freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) 

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