Teilhabe statt Ausgrenzung

Ali Baş zu Reaktionen auf das Türkei-Referendum

Die türkischen Wähler*innen haben sich mit knapper Mehrheit für eine Verfassungsreform entschieden, die dem Staatspräsidenten Erdogan deutlich mehr Macht einräumt und die Demokratie weiter aushöhlt. Gerade das Abstimmungsverhalten der teilnehmenden Wähler*innen in Deutschland und die Konsequenzen sorgen für Debatten. Die Antwort liegt jedoch nicht in einer Debatte über den Doppelpass und Ausgrenzungsrhetorik. Stattdessen müssen wir mehr Teilhabe- und Beteiligungsmöglichkeiten schaffen.

Das knappe Ergebnis des türkischen Verfassungsreferendums bewegt derzeit viele Menschen. Rund die Hälfte der Wähler*innen in der Türkei stimmte trotz starkem Drucks und medialer Dauerpräsenz des „Ja“-Lagers gegen den Plan Erdogans, das Land künftig alleine zu regieren und dabei parlamentarische Demokratie und Rechtsstaat abzuwickeln. Diese mutige Entscheidung verdient Respekt und zeigt, dass die demokratisch orientierten Kräfte in der Türkei eine große Gruppe sind, die wir als Demokrat*innen auch künftig stärken müssen.
Türk*innen fühlen sich nicht akzeptiert und idealisieren die Türkei
In Deutschland haben rund 46 Prozent und damit rund 644.000 Menschen an der Abstimmung über das Referendum teilgenommen. 63 Prozent von ihnen stimmten der umstrittenen Verfassungsreform zu. Das ist unverständlich und bitter. Viele von ihnen wollten mit ihrer Stimme in erster Linie offenbar ihre Zustimmung für Erdogan bekunden, statt die gravierenden Folgen für Demokratie und Rechtsstaat zu bedenken.
Der Dortmunder Sozialforscher Prof. Dr. Ahmet Toprak macht für dieses Verhalten unter anderem  den sozialen Status und ein Gefühl des Nicht-Akzeptiertseins vieler Türkeistämmiger in Deutschland aus. Sie könnten mögliche Ursachen für eine kritiklose Hinwendung zu einer idealisierten Türkei und ihrem Präsidenten sein.
Einbürgerung und Teilhabe statt populistischer Doppelpass-Debatte
Hier muss Integrationspolitik ansetzen, etwa mit einem modernen Einbürgerungsrecht, verstärkter politischer Teilhabe, aber auch intensiverer Einbeziehung politischer Bildung. Präventionsprojekte sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung gehören seit jeher zur Agenda Grüner Integrationspolitik und müssen das auch in Zukunft tun. Letztlich brauchen wir ein inklusives, gesellschaftliches Narrativ, welches Offenheit und Vielfalt als Chance begreift und nicht ausgrenzt.
Union und FDP laufen stattdessen dem rechten Populismus hinterher. Sie bieten keine Lösungen, sondern schüren Ressentiments. Die angeheizte Diskussion um den Doppelpass und das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen ist da symptomatisch.