Die Folgen der Klimakrise sind auch in NRW immer stärker zu spüren. Unsere Fraktion hat daher die Enquetekommission „Wasser in Zeiten der Klimakrise“ angestoßen. Sie wird untersuchen, welche Auswirkungen die Klimakrise auf Verfügbarkeit und Qualität unserer wichtigsten Ressource haben wird und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Für die Initiatorin und designierte Kommissionsvorsitzende Astrid Vogelheim ist dies eine der zentralen Zukunftsaufgaben.
Es ist üblich, dass jede Fraktion pro Wahlperiode eine Enquetekommission initiiert, in der Abgeordnete und externe Expert*innen über ein komplexes Thema beraten. Warum hat die Grüne Fraktion das Thema Wasser gesetzt?
Wir sehen die Auswirkungen der globalen Erwärmung schon seit Jahren zunehmend auch in NRW: lange Perioden großer Trockenheit mit sterbenden Wäldern und Niedrigwasser beispielsweise im Rhein, auf der anderen Seite Dauerregenfälle und Hochwasser. Wir wissen aus der Klimafolgenforschung, dass die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse steigt. Ob wir auch 2050 oder 2100 noch ausreichend Trinkwasser in höchster Qualität zur Verfügung haben, ob wir Menschen und Umwelt ausreichend vor Extremwetter schützen können, ob wir noch genug Wasser haben, um Nahrungsmittel zu produzieren, das entscheidet sich heute.
Wasserknappheit ist nach dem vielen Regen der vergangenen Monate kein großes Thema. Hat sich die Lage entspannt?
Vor 2023 waren 14 Jahre in Folge trockener als üblich, darunter drei Jahre mit extremer Trockenheit. 2023 war wieder ein Extremjahr – es war das nasseste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Wir haben also keine Normalisierung, sondern eine Zunahme von Extremen. Wir waren als Gesellschaft auf die Dürre der Vorjahre sehr schlecht vorbereitet. Jetzt muss der Aufschub genutzt werden, den uns 2023 gewährt, um auf die nächsten Trockenperioden vorbereitet zu sein.
Kannst Du uns etwas dazu sagen, wie eine Enquetekommission arbeitet?
Das Besondere ist, dass alle Fraktionen gemeinsam über zwei Jahre wissenschaftlich unterstützt an einem Thema arbeiten. Am Ende steht ein Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen.
Wieso hast Du Dir den Fachbereich Wasser in der Grünen Fraktion ausgesucht?
Ich war über 25 Jahre als Bauingenieurin in der Siedlungswasserwirtschaft tätig. Schon im Studium haben wir über den Klimawandel gesprochen, gerade in der Wasserbranche sind die Auswirkungen besonders sichtbar. Da die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen jahrzehntelang unzureichend angegangen wurde, habe ich beschlossen, selbst etwas tun. Mit meinem Fachwissen war es naheliegend, den Bereich Wasser und Klimafolgenanpassung zu übernehmen.
„Nichtstun wird teuer“ heißt es bei der Bewältigung der Klimakrise häufig. Wie schätzt Du das für die Klimafolgenanpassungen rund ums Thema Wasser ein?
Klimaschutz ist eine Generationenaufgabe und die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen auch eine Gerechtigkeitsfrage. Es geht um den Schutz der Bürger*innen vor den Risiken, die mit der Klimakrise einhergehen. Wir wissen, dass die Kosten um ein Vielfaches steigen werden, wenn wir jetzt nicht entschieden handeln. Für den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe wurden allein in Nordrhein-Westfalen 12,3 Milliarden Euro aus dem Aufbaufonds zur Verfügung gestellt. Es ist viel sinnvoller, das Geld schon vorher zur Risikoabwehr zu investieren.
Wie schnell lassen sich Erfolge erzielen?
Es ist wichtig, dass wir handeln. Klar ist aber auch: Viele Anpassungsprozesse haben lange Planungsvorläufe. Nehmen wir mal als Beispiel den Starkregen in Köln im Juli 2021. Dort fielen zwischen 100 und 157 Liter Regen pro Quadratmeter in zwölf Stunden. Normal sind rund 700 Liter im gesamten Jahr. Mit einer solchen Regenmenge in so kurzer Zeit ist die Kanalisation hoffnungslos überfordert. Aber die Anpassung einer Stadt – noch dazu einer eng bebauten, komplett versiegelten Altstadt – geht nicht von heute auf morgen. Das gilt für viele Städte in NRW. Sich darauf einzustellen und insbesondere diese langfristige Perspektive in den Blick zu nehmen, sehe ich als eine zentrale Aufgabe der Enquetekommission an.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, um die Hochwassergefahren zu minimieren?
Wasser braucht Raum zur Ausbreitung. Beim natürlichen Hochwasserschutz geht es im Wesentlichen um Renaturierung von Flusslandschaften. Wenn Flüsse über die Ufer treten und es angrenzende Flächen gibt, die viel Wasser aufnehmen können, verringert das die Ausmaße des Hochwassers. Menschen haben über Jahrhunderte Moore trockengelegt, Flüsse begradigt, Retentionsflächen durch Deiche vom Fluss getrennt. Die Natur muss wieder stärker als unsere Verbündete angesehen werden.
Wenn Du Dir schon mal vorstellst, Du ständest am Abschluss der Enquetekommission: Wann würdest du sagen, dass sie ein Erfolg gewesen ist?
Wenn wir die Fragen im Einsetzungsbeschluss zufriedenstellend beantworten konnten. Wenn wir für die Themen Finanzierung und Planungsbeschleunigung ohne Abstriche an Naturschutzvorgaben gute Handlungsempfehlungen haben. Aber auch, wenn es uns gelingt, das öffentliche Bewusstsein dafür zu steigern, wie wichtig es ist, unsere wertvollste Ressource Wasser im Angesicht drohender Gefahren durch die Klimakrise zu sichern.