Alle Schulen für alle Kinder – statt Verschärfung der Ungleichheit

Zeit für GRÜN: Sigrid Beers Halbzeitbilanz

Immer noch entscheiden maßgeblich das Portemonnaie oder die Herkunft der Eltern über die Bildungschancen und den Bildungserfolg von Kindern. Deswegen muss Schulpolitik für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen. Ministerin Gebauer spaltet jedoch die Schullandschaft. Es dreht sich seit Legislaturbeginn alles um das Gymnasium. Eine halbe Milliarde Euro wurde ohne großes Murren locker gemacht. Gymnasien werden erfolgreich ermutigt, sich aus der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Inklusion zu verabschieden und keine Kinder mit Behinderungen zu unterrichten, die nicht das Abitur machen werden. Die müssen vor allem die integrierten Schulen leisten. Die Begrenzung der Lerngruppen im Gemeinsamen Lernen entpuppt sich als reine „Rechenformel“. Sonderpädagog*innen werden zuerst in die Förderschulen geschickt, die wieder ausgebaut werden sollen. Besonders bitter ist die Bilanz „weltbester-FDP-Bildung“ – das großspurige Wahlkampfversprechen – zudem für die Grundschulen.

Einen Masterplan Grundschule hat die Ministerin mehrfach angekündigt, aber nie geliefert. Und wenn er kommt, darf er offensichtlich auch nichts kosten. Gebauer setzt bei Finanzminister Lienenkämper die versprochene und mehr als gerechtfertigte Gehaltserhöhung für Grundschul- und Sekundarstufe-I-Lehrkräfte nicht durch. Diese könnte aber tatsächlich helfen, mehr Menschen für eine Laufbahn als Grundschullehrkraft zu gewinnen. Es muss attraktiver werden, in der Grundschule und Sekundarstufe I zu arbeiten.
Schwarz-Gelb muss Talente landesweit fördern
Um gegen den massiven Unterrichtsausfall zu kämpfen, sollte Schwarz-Gelb den Schulen das Geld für eingeplante, aber noch nicht besetzte Stellen zur Verfügung stellen. So können die Schulen, Pädagog*innen, Handwerker*innen, Künstler*innen oder das Personal, das sie zum Beispiel zur Entlastung von Verwaltungsaufgaben brauchen, vor Ort einstellen. Aber das größte Sparschwein des Finanzministers steht im Büro der Schulministerin. Das Geld für unbesetzte Stellen geht zurück an die Landeskasse.
Schulstandorte, die auf besondere Herausforderungen reagieren müssen, brauchen aber eine bessere Personalausstattung und eine Absenkung der Unterrichtsverpflichtung. So wird das Arbeiten dort attraktiver. Das würde Schulen generell helfen. Die FDP-Talentschulen – lediglich knapp 60 von rund 5600 in ganz NRW – sollen dagegen sechs Jahre erproben, ob sich mehr Ressourcen lohnen. Die Schulen brauchen aber jetzt solche Unterstützung durch einen entsprechenden Sozialindex!
Gerechte Bildungschancen und individuelle Förderung gehören ins Zentrum der Politik: Lehrkräfte brauchen vor allem Zeit, Zeit für Teams und mehr Zeit, fachliches Lernen, aber auch Kooperation, Kreativität und kritisches Denken in der Schule zu fördern. Sie brauchen mehr pädagogische Freiheit und Raum für politische Bildung, die nicht einem Fach Wirtschaft untergeordnet wird. Derweil „fremdelt“ die Ministerin mit den Schüler*innen der Fridays for Future-Bewegung und baut ihnen gegenüber immer wieder Drohkulissen bis hin zu Bußgeldern auf.
Vorzeigeprojekt für Digitalbildung oder Freundschaftsdienst für Parteispende?
Im Frühsommer 2019 musste Ministerin Gebauer einen handfesten Skandal überstehen. Über mehrere Wochen gelang es ihr nicht, den Verdacht der Vetternwirtschaft aus der Welt zu schaffen. Ihr Ministerium hatte den Auftrag für ein aus Steuergeld bezahltes Projekt zu digitaler Bildung an eine Privatfirma vergeben, deren Geschäftsführerin zuvor an die FDP gespendet hatte. Besonders pikant: Das in den Vergabeprozess eingebundenen LVR-Zentrum für Medien und Bildung hatte frühzeitig eine europaweite Ausschreibung als notwendig erachtet, das Ministerium vergab das Projekt jedoch ganz ohne Ausschreibung. Nachdem die Erklärungs- und Ausweichversuche der Ministerin immer konfuser wurden, zog sie kurz vor der Sommerpause die Reißleine. Sie kündigte an, das Projekt neu auszuschreiben. Ein bitteres Geschmäckle bleibt.