Sexualisierte Gewalt endlich wirksam bekämpfen

Josefine Paul zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Silvesternacht“

Portrait Josefine Paul

Die bisherigen Befragungen von 103 Zeug*innen in 32 Sitzungen haben gezeigt, dass die Perspektive der Opfer leider oft zu kurz kommt und mögliche sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen bislang keine Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung von Großveranstaltungen gespielt hat. „Nein, das war kein Thema bei den Vorbereitungen“, „Nein, da gab es kein Konzept“, „Zu solchen Taten kommt es leider immer wieder, aber Gegenmaßnahmen…“: Antworten wie diese erhalten meine Kolleg*innen und ich immer wieder.
Sowohl der Polizei in Bund und Land als auch den kommunalen Ordnungsbehörden war sexualisierte Gewalt als gängiges Phänomen bei Großveranstaltungen zwar bekannt. Sexuelle Übergriffe wurden aber offenbar als unvermeidbar hingenommen, konsequente Gegenstrategien fehlten in jedem Fall. Bislang hatte auch das Strafrecht Frauen und Mädchen unzureichend gegen sexualisierte Gewalt geschützt. Das Prinzip „Nein heißt Nein!“ hat erst vor wenigen Wochen durch konsequenten Druck aus Frauenpolitik und Frauenbewegung endlich Eingang ins deutsche Strafrecht gefunden.
Die Ereignisse von Köln haben sehr deutlich gemacht, dass viele Politik*innen sowie Sicherheits- und Ordnungsbehörden das Problem sexualisierter Gewalt gegen Frauen und Mädchen strukturell verharmlosen. Als GRÜNE war es uns daher wichtig, den Opferschutz und die Prävention sexualisierter Gewalt im Untersuchungsausschuss zu thematisieren. Die sachverständigen Zeug*innen aus Frauenhilfe und Wissenschaft haben sehr deutlich gemacht, dass im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Frauen und Mädchen noch immer von einem immensen Dunkelfeld auszugehen ist. Opfer wenden sich oft nicht an Polizei und Staatsanwaltschaft – sei es, weil sie sich schämen oder weil sie nicht glauben, bei den Behörden gehört zu werden. Viele stufen eine Tat für sich nicht als gravierend ein, obwohl sie längere Zeit danach unter den physischen und psychischen Folgen leiden.
Es ist erschreckend, dass die zuständigen Behörden auf die massenhaften Übergriffe auf Frauen offensichtlich nicht vorbereitet waren. Weder fassten Polizei und Ordnungsbehörden auch in der Nacht die eingehenden Hinweise auf sexualisierte Gewalt strukturiert zusammen, noch wussten sie, die Opfer bei der Aufnahme von Anzeigen angemessen zu betreuen.
Der in den Tagen und Wochen nach den Übergriffen in Köln entstandene Eindruck, festigt und verdichtet sich: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum wird bagatellisiert statt ernstgenommen und bekämpft. Wir müssen Mädchen und Frauen immer und überall vor Übergriffen schützen. Eine Konsequenz aus den Ereignissen in Köln und anderen Städten muss daher sein, dass bei der Planung von Veranstaltungen Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt als Standard zum Sicherheitskonzept gehören. Netzwerkpartner der Frauenhilfestruktur können die Entwicklung von Präventionskonzepten unterstützen und Beamt*innen für den Umgang mit Betroffenen sensibilisieren.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch die kommunalen Verantwortungsträger*innen sind aufgefordert, den öffentlichen Raum für Mädchen und Frauen sicher zu machen. Kommunale Sicherheitskonferenzen müssen das Thema auf ihre Agenda nehmen und auch Gleichstellungsbeauftragte, Opferschutz und Frauenselbstorganisation sowie kommunale Verkehrs- und Stadtplanungsverantwortliche mit an den Tisch holen.
Im ersten Schritt müssen Angsträume in den Städten identifiziert und beseitigt werden. Beispielsweise durch permanente Beleuchtung von Plätzen und Unterführungen und bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum durch zusätzliche Lampen, insbesondere in schlecht einsehbaren Bereichen. Die Bundespolizei in Köln hatte für die Silvester-Nacht im Übrigen mobile Lampen für den Kölner Bahnhofsvorplatz angefordert – aber vom Bund nicht erhalten. Und nach der Silvester-Nacht installierte Lichtmasten wurden inzwischen wieder abgebaut. Genau das Gegenteil ist notwendig.