Emanzipation statt Repression: Der Bund schafft ein Bürokratiemonster

Josefine Paul zum geplanten Prostituiertenschutzgesetz:

Portrait Josefine Paul

Prostituierte und ihre Familien schützen statt stigmatisieren
Die Bundesregierung will, dass sich Sexarbeiter*innen bei einer Kommune als Gewerbetreibende anmelden müssen. Sie erhalten dann ein Dokument, das sie stets mit sich tragen müssen. Für die meisten Prostituierten würde ein solcher „Hurenpass“ eine Stigmatisierung bedeuten. Sie sind auch heute noch gezwungen ein „Doppelleben“ zu führen, um sich und ihre Familien vor moralischer Verurteilung zu schützen. Eine Zwangsregistrierung könnte zu Stigmatisierung und Zwangsoutings von Sexarbeiter*innen führen. Die Bundesregierung bleibt außerdem Informationen schuldig, wie und wo die Daten der Registrierung erhoben werden, wer sie einsehen kann und was mit ihnen passiert, wenn Sexarbeiter*innen sich wieder abmelden.
Aufklärung statt Kondompflicht
Für Sexarbeiter*innen soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig eine Kondompflicht gelten. Wer gegen sie verstößt, soll eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro zahlen. Eine Pflicht greift aber nur, wenn sie auch kontrolliert wird. Wie eine solche Kontrolle aussehen soll, verrät der Gesetzentwurf nicht. Prostituierte erbringen sexuelle Dienstleistungen in der Regel in einem geschützten Raum, in dem eine Kondompflicht von Kunden wie von Sexarbeiter*innen umgangen werden kann. Aus der Erfahrung der Gesundheits- und HIV-Prävention wissen wir, dass nur präventive, freiwillige Angebote funktionieren: Gesundheitsaufklärung führt zu reflektiertem Handeln.
Freiwillige Information statt Zwangsberatung
Der Entwurf sieht auch eine gesundheitliche Pflichtberatung vor. Eine solche Zwangsberatung als Voraussetzung für den „Hurenpass“ bedeutet eine weitere Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen. Dieser können sie sich auch nicht entziehen, wollen sie sich nicht in die Illegalität begeben. Alle Erfahrungen mit den bewährten, freiwilligen Strategien zur Bekämpfung sexuell übertragbarer Krankheiten widersprechen einem Beratungszwang. Aufsuchende Beratungs- und Informationsangebote sowie auf freiwillige anonyme Inanspruchnahme gerichtete Angebote der Gesundheitsversorgung sollten stattdessen verbessert werden. Dies gilt insbesondere für Menschen in der Prostitution, die über geringe Deutschkenntnisse verfügen.
Prävention und statt Bürokratiemonster
Mit einem Prostituiertenschutzgesetz nach Vorstellung der Bundesregierung würde ein Bürokratiemonster geschaffen. „Hurenpass“ und Zwangsberatung  führen zu erheblichen Kosten. Der Bund geht von einmaligen administrativen Kosten von 11,3 Millionen Euro und einer jährlichen Belastung von 13,4 Millionen Euro aus. Da der Bund nur einmalig für einen Teilbetrag aufkommen will, droht das Gesetz für NRW und die anderen Bundesländer teuer zu werden. Statt Prostituierte mit kontraproduktiven Repressionsmaßnahmen zu überziehen, denen die Menschen in der Sexarbeit aufgrund der vorhandenen gesellschaftlichen Stigmatisierung entkommen wollen, wären diese Gelder in Prävention und Beratung besser investiert.
Die Bundesregierung muss endlich zuhören und von NRW lernen
Der Gesetzentwurf lässt befürchten, dass die Bundesregierung Sexarbeiter*innen nicht schützen und ihr Selbstbestimmungsrecht nicht stärken will. Sie setzt stattdessen auf Stigmatisierung und Repressionen von Menschen, die freiwillig in der Sexarbeit ihr Geld verdienen. Trotz massiver Bedenken von Wohlfahrtsverbänden, der deutsche Aidshilfe, dem Deutschen Juristinnenbund, dem Berufsverband der Sexarbeiterinnen und dem Bundesverband der Fachberatungsstellen zeigt die Bundesregierung sich nicht verhandlungs- und schon gar nicht kompromissbereit.
Mit dem Runden Tisch Prostitution hat NRW Akteur*innen auf Augenhöhe beteiligt. Die Bundesregierung täte gut daran, die Erkenntnisse des Runden Tisches in eine dringend notwendige weitere Überarbeitung mit einzubeziehen. Darüber hinaus sollte sie sich ein Beispiel am breiten Beteiligungsprozess in NRW nehmen. Wir sprechen mit den Akteur*innen und nicht über sie!