Deutschland ist vielfältiger und offener geworden

Zum 60. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit Italien meint Jutta Velte

Um Arbeitskräfte für die wachsende deutsche Wirtschaft zu gewinnen, schloss die damalige Regierung der Bundesrepublik Deutschland am 20. Dezember 1955 ein Anwerbeabkommen mit Italien. Weitere Abkommen folgten mit Griechenland, Spanien, der Türkei, Marokko, Polen, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien.          
Ein großer Teil der sogenannten „Gastarbeiter“ – es handelte sich überwiegend um Männer – kam nach Nordrhein-Westfalen, wo Arbeitskräfte für den Bergbau und die verarbeitende Industrie gesucht wurden. Nachdem die Familien der Gastarbeiter nachgezogen waren, haben viele von ihnen insbesondere im Ruhrgebiet und im Bergischen Land eine neue Heimat gefunden.
Die Zuwanderung hat Deutschland verändert. Die Einwanderer*innen aus den Anwerbeländern leisten bis heute einen großen wirtschaftlichen und kulturellen Beitrag. Mit der Zuwanderung hat auch eine gesellschaftliche Veränderung eingesetzt, die weiter andauert und nachhaltig wirkt: Deutschland ist offener geworden, sieht Vielfalt als Bereicherung und kann mit unterschiedlichen Biografien umgehen. Heute ist es ganz normal, dass Deutsche einen italienischen Nachnamen haben, zweisprachig oder mehrsprachig sind und immer wieder gesellschaftliche Brücken in die Herkunftsländer ihrer Familien bauen.
Die viel zitierte Erkenntnis, dass Arbeitskräfte angefordert wurden, aber Menschen kamen, zeigt, dass Migrations- und Integrationspolitik gemeinsam gedacht werden müssen. Nordrhein-Westfalen hat gelernt: Es gibt zur Integration keine Alternative. Spracherwerb, Bildung und Ausbildung sind dafür die wesentlichen Voraussetzungen. So gibt es – anders als in den Zeiten der Anwerbepolitik – mittlerweile gut ausgebaute Integrationsstrukturen, die den jetzt ankommenden Menschen helfen, hier eine zweite Heimat zu finden. Unser Respekt und unsere Anerkennung gilt denen, die solche Strukturen nicht vorfanden, aber dennoch mit Fleiß, Einfallsreichtum und dem großen Willen sich einzubringen in NRW Fuß gefasst haben.