„Wir müssen Frauen vor Gewalt schützen!“

Josefine Paul im Interview

Portrait Josefine Paul

Warum braucht es einen Tag, der speziell auf die Gewaltbetroffenheit von Frauen und Mädchen hinweist?
Josefine Paul:
Jede vierte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Frauen und Mädchen sind weitaus häufiger von häuslicher Gewalt betroffen, sie erleben häufiger sexualisierte Gewalt und neuere Gewaltformen wie Cybermobbing oder Stalking. Und das nur auf Grund ihres Geschlechts. Es ist wichtig, auf die spezielle Situation von Frauen und Mädchen als Opfer von Gewalt immer wieder hinzuweisen. Der Landtag NRW beteiligt sich darum auch in diesem Jahr an der Aktion „frei leben – ohne Gewalt“ von Terre des Femmes, indem er gut sichtbar eine Fahne mit diesem Motto hisst.

Gewaltschutz ist auch ein Thema in der Flüchtlingsdebatte. Zahlreiche Organisationen fordern, dass geflüchtete Frauen und Mädchen in Einrichtungen besser geschützt werden. Was brauchen wir?
Josefine Paul:
Wir wissen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen in vielen Konflikten gezielt eingesetzt wird. Vor dieser Gewalt flüchten Frauen und Mädchen, genau wie vor Unterdrückung. Sie erleben aber auch auf ihrer Flucht oder in Aufnahmeeinrichtungen Gewalt. Die aktuelle Situation darf keine Entschuldigung sein: wir müssen Frauen auch in Flüchtlingseinrichtungen vor Gewalt schützen. Gewaltschutz ist ein Grundrecht. Deshalb ist es wichtig, dass wir für Flüchtlingsunterkünfte Gewaltschutzkonzepte erarbeiten. Frauen und Mädchen brauchen insbesondere Rückzugsräume und abschließbare sanitäre Anlagen. Wir müssen die Frauen und Mädchen darüber informieren, dass und wie sie sich gegen Gewalt wehren können. Dazu gehört auch, geflüchteten Frauen die Angst zu nehmen, dass es sich negativ auf ihren Asylantrag auswirken könnte, wenn sie sich an die Behörden, die Polizei oder an Einrichtungsverantwortliche wenden.   

Für traumatisierte geflüchtete Frauen haben wir in diesem Jahr 900.000 Euro bereitgestellt, beispielsweise für psycho-soziale Beratung. Im Haushalt 2016 haben wir die Summe auf 1,5 Millionen Euro erhöht. Es ist wichtig, dass davon aber nicht nur Frauen profitieren, sondern auch Mädchen stärker in den Fokus rücken. 

Die Fraktionen von Bündnis 90/Die GRÜNEN und SPD haben sich darauf verständigt, die Frauenhäuser finanziell besserzustellen. Was soll konkret verbessert werden?
Josefine Paul:
Wir wollen mit dem Haushalt 2016 zusätzlich eine Million Euro an die Frauenhäuser geben, um konkret drei Bereiche zu stärken. Zum einen wollen wir die Kinder und ihre Bedürfnisse in den Frauenhäusern verstärkt in den Blick nehmen, etwa durch pädagogische Betreuungsangebote. Auch sie mussten oftmals die Gewalt zu Hause miterleben oder waren gar selbst von ihr betroffen. Ein  zweiter wichtiger Aspekt sind alternative Wohn- und Unterstützungsformen wie Wohngruppen oder Appartements. In akuten Krisensituationen brauchen Frauen einen sicheren Zufluchtsort mit anonymer Adresse. Nur so sind die Frauen vor ihren TäterInnen geschützt. Um in einen „normalen“ Alltag zurückzufinden, brauchen die Frauen vielfach Unterstützung dabei, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen und für sich und ihre Kinder neue Perspektiven aufzubauen. Die neuen Wohnformen erleichtern Frauen den Weg zurück in die Selbstständigkeit. Als drittes wollen wir den Frauenhäusern mit überdurchschnittlich vielen Plätzen einen weiteren Zuschuss gewähren. Bislang fördert das Land vier Stellen pro Frauenhaus, unabhängig von der Platzzahl.