Bund muss beim Nahverkehr seine grundgesetzliche Pflicht erfüllen

Zur Debatte um die Regionalisierungsmittel im Vermittlungsausschuss meint Rolf Beu

Bis zur Bahnreform 1994 war ausschließlich die Deutsche Bahn für den Nahverkehr auf der Schiene zuständig. Heute organisieren ihn die Bundesländer. Da sie damit Aufgaben des Bundes übernommen haben, zahlt der Bund dafür einen grundgesetzlich garantierten finanziellen Ausgleich: die Regionalisierungsmittel. Die Länder zahlen daraus die Zuschüsse zum Schienennahverkehr. Erst durch den Wettbewerb der Bahnunternehmen erfuhr der zuvor wenig attraktive Schienennahverkehr in den letzten zwanzig Jahren einen Qualitäts- und Modernisierungsschub. Seitdem steigen die Fahrgastzahlen kontinuierlich.
Durch steigende Kosten ist diese Entwicklung an ihre Grenzen gekommen: Die DB erhebt immer höhere Preise für die Nutzung von Gleisen und Bahnhöfen, Umbauarbeiten für die Barrierefreiheit stehen an und die Personalkosten steigen. NRW wird zudem bei der Mittelverteilung benachteiligt – obwohl in NRW 21 Prozent der Bevölkerung wohnen, erhält das Land nur knapp 16 Prozent der Regionalisierungsmittel.
Die Bundesländer haben sich nach zähen Verhandlungen und mithilfe eines Gutachtens auf eine gemeinsame Position geeinigt:

  • Aufstockung der Regionalisierungsmittel von ca. 7,4 Mrd. auf ca. 8,5 Mrd. Euro
  • Höhere jährliche Steigerung von mindestens 2 Prozent (bisher: 1,5 Prozent)
  • Mittelfristig ein größerer Anteil der Regionalisierungsmittel für NRW (19 Prozent statt bislang 16 Prozent – ein Plus von 500 Millionen Euro)

Eine Einigung zwischen dem Bund und den geschlossen auftretenden Ländern gab es nicht. Die Große Koalition konnte sich lediglich zu der Zusage durchringen, die bisherige Regelung fortzuführen. Der Bundesrat hat auch den Vorstoß von Bundesfinanzminister Schäuble abgelehnt, die vom Grundgesetz garantierten Regionalisierungsmittel gemeinsam mit der Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs zu verhandeln. Denn der Nahverkehr auf der Schiene muss losgelöst von anderen Verhandlungen betrachtet und am Ende gestärkt werden.
Eine schnelle Einigung im Vermittlungsausschuss des Bundesrates ist insbesondere wichtig, da  Ende 2019 das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und die sogenannten Entflechtungsmittel auslaufen. Über beide Instrumente werden neue Nahverkehrsprojekte von Ländern und Kommunen gefördert. Wir GRÜNE fordern, auch diese beiden Finanzierungsinstrumente fortzuschreiben.
Bereits heute sind aufgrund der unklaren Zukunft der Bundesfördertöpfe Projekte im Bereich der SPNV/ÖPNV-Infrastruktur gefährdet, die bis 2019 nicht abgeschlossen werden können. Eigenverantwortlich können solche Projekte nicht mehr begonnen werden, bis die Finanzierungsregelungen zwischen Bund und Ländern geklärt sind. Dies führt beispielsweise dazu, dass der Nahverkehr Rheinland (NVR) selbst Anträge zur Förderung für dringend notwendige Maßnahmen nicht mehr bewilligen kann.
Bei allen drei Finanztöpfen für den Nahverkehr müssen der Stillstand und die Unsicherheit der Förderung endlich beendet werden. Der Bund steht in der Pflicht, den Ländern entgegenzukommen. Tut er dies nicht, gefährdet er die Erfolge der letzten zwanzig Jahre und verhindert eine klimaschonende und bürgerfreundliche Nahverkehrsentwicklung in Ländern und Kommunen.