„Es geht um unser aller täglich Brot – im wahrsten Sinne des Wortes“

Ist das Pflanzenschutzmittel Glyphosat krebserregend?

Portrait Norwich Rüße

Vereinfacht ausgedrückt gilt dabei ein Grundsatz, den FahrlehrerInnen jungen AutofahrerInnen häufig mit auf den Weg geben: "Im Zweifelsfall nie!“. Was sich beim Autofahren auf riskante Überholmanöver bezieht, meint im Verbraucherschutz, dass nichts in Produkten oder Produktionsverfahren eingesetzt werden sollte, was die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern  potenziell gefährdet. In diesem Zusammenhang sind Pestizide immer wieder ein wichtiges Thema. So beschäftigt die Wasserversorger noch heute ein Wirkstoff, der vor Jahrzehnten massenhaft im Maisanbau eingesetzt worden ist: Das krebserregende Atrazin, ein Herbizid auf Chlorbasis, ist zwar seit 1991 in Deutschland verboten, trotzdem lässt es sich aber noch immer im Grundwasser nachweisen.
Wenn dieser Grundsatz ernstgenommen wird, dann ist es dringend an der Zeit, endlich das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ("Roundup") aus dem Verkehr zu ziehen. Immer wieder gab es in der Vergangenheit ernstzunehmende Berichte, wonach Glyphosat Missbildungen hervorrufen soll, Tiere und Menschen krank macht und auch Krebs auslösen kann. So gibt es Forschungsergebnisse, die eine kanzerogene Wirkung an Laborratten aufzeigen und in Argentinien – einem Hauptanbaugebiet für gentechnisch veränderte Soja und damit auch für Glyphosat – wurde eine signifikant ansteigende Krebsrate und Missbildungen bei Kindern nachgewiesen. Aber auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren ernstzunehmende Berichte, dass zahlreiche Milchkühe, an die Futtermittel mit Glyphosatrückständen verfüttert wurden, schwer erkrankten und auch an den Folgen starben. Beim Menschen ist mittlerweile nachgewiesen, dass sich fast bei jedem und jeder Glyphosatrückstände im Blut nachweisen lassen. Wir nehmen Glyphosat vor allem über Brotgetreide zu uns. Zwar ist, auf Initiative des nordrhein-westfälischen Umweltministers Johannes Remmel, mittlerweile die sogenannte Sikkation von Getreide in Deutschland verboten, so dass kein Weizen oder Roggen mehr kurz vor der Ernte noch einmal mit Glyphosat "geduscht" wird. Dies war aber jahrelange Praxis, um die Ernte zu erleichtern. Dass damit Pestizidrückstände in unser Brot und unsere Brötchen gelangen können, galt demgegenüber anscheinend nur wenig. Ohnehin greift dieses Verbot nur in Deutschland und betrifft auch nur die Vorerntebehandlung. Deshalb bleibt Glyphosat auch das weltweit meistgebrauchte Pestizid. Aber bislang wurde Glyphosat – auch durch eine geschickte Propaganda des Herstellers – ja auch als vollkommen ungefährlich für den Menschen dargestellt.  
Jetzt allerdings äußerte auch die International Agency for Research on Cancer (IARC), ein Institut der WHO zur Erforschung von Krebs, den Verdacht, dass dieses weltweit meist eingesetzte Pestizid krebserregend ist. Damit vollzieht die WHO eine Kehrtwendung um 180 Grad, denn bislang galt Glyphosat als vergleichsweise unproblematisches Pflanzenschutzmittel. Sein Wirkstoff greife nur in Bioprozesse von Pflanzen ein und sei für Tiere und Menschen völlig unproblematisch, so lautete bislang das Urteil vieler Studien und Berichte. Viele dieser Studien wurden allerdings vom Hersteller selbst durchgeführt oder beauftragt, was schon gewisse Zweifel weckt. Aber auch das Bundsamt für Risikobewertung (BfR) hat sich bislang immer dieser Bewertung angeschlossen, weshalb eine erneute Erteilung einer Zulassung dieses Wirkstoffes auch sehr wahrscheinlich war. Wenn das BfR die Neubewertung der WHO ernst nimmt, dann führt eigentlich kein Weg daran vorbei, dass diese Einrichtung empfiehlt, dem Wirkstoff keine Zulassung mehr zu geben. Schließlich geht es um unser aller täglich Brot – im wahrsten Sinne des Wortes. Und genau da sollte das Vorsorgeprinzip nicht nur ein schönes Wort, sondern eben ein ernstzunehmendes Prinzip sein!