Erfolgsmodell Semesterticket darf nicht scheitern!

Rolf Beu meint:

Das Semesterticket gilt für alle daran teilnehmenden Hochschulen. Das Prinzip ist einfach: Alle Studierenden zahlen zwingend einen fixen Beitrag pro Semester und dafür erhalten sie ein besonders günstiges Ticket für Fahrten im VRR bzw. darüber hinaus in ganz NRW. Ob eine Hochschule daran teilnimmt, entscheidet das zuständige Hochschulgremium, bei den großen Hochschulen der AStA. Und ob das Ticket überhaupt angeboten wird und zu welchem Preis entscheiden die Kommunen mit ihren Verkehrsunternehmen bzw. in Form des Verkehrsverbundes.
Nun will der VRR den Preis für das Semesterticket deutlich anheben. In den Jahren 2015-2019 soll der monatliche Preis in Stufen (2015: 2,- Euro, danach 0,45 Euro pro Jahr) steigen. Dazu kommen dann noch die regulären Preiserhöhungen, die noch nicht feststehen, sich aber immer so um die drei Prozent bewegen. Das alles führt dazu, dass das Semesterticket in 2019 statt bisher heute 18,36 Euro pro Monat dann ca. 26 Euro pro Monat kosten würde. Ein Preisanstieg von über 40 % verteilt auf fünf Jahre also.
Viele ASten wehren sich gegen dieses neue VRR-Angebot, auch online. Und das ist verständlich. Denn die geplanten Mehrkosten sind für viele Studierende natürlich eine finanzielle Belastung, erst recht wenn der Semesterbeitrag in einem Rutsch fällig wird. Und zudem gibt es doch einige Studierende, die das Ticket gar nicht so oft nutzen, wenn sie z.B. direkt in der Nähe der Hochschule wohnen.
Andererseits ist genau dieses Solidarprinzip  „alle zahlen, günstiger Preis“ das Grundprinzip des Semestertickets, das die Verkehrsverbünde anbieten. Wäre es anders, würde der Preis deutlich steigen. Die Alternativen wie das YoungTicket oder andere Tarife für Auszubildende zeigen deutlich wie teuer es dann werden kann. Und die Verkehrsverbünde bzw. die dahinter stehenden Kommunen sind natürlich unter finanziellem Druck, um ordentliche Verkehrsangebote aufrechterhalten zu können. Mit ein Grund dafür sind viel zu niedrige Bundesmittel für den Nahverkehr, vor allem auf der Schiene.
Was also tun?
Zunächst einmal kann sich das Land nur schlecht in die Verhandlungen zwischen Hochschulen und Verkehrsverbünden einmischen. Hinter jedem Semesterticket-Angebot stehen individuelle Tarifbedingungen, verschiedene Preissysteme und Leistungen der Verkehrsunternehmen. Es kann gute Gründe dafür geben, dass ein Semesterticket in Aachen einen anderen Preis hat als in Duisburg oder in Bielefeld – weil die Verkehrsangebote oder die Finanzierungssituation der Verkehrsunternehmen anders sind. So kostet ein Semesterticket beispielsweise im Aachener Verkehrsverbund (AVV) 17 Euro, in Paderborn sind es 28 Euro und in Mainz 31 Euro.
Die Kommunen tragen einen Großteil der Finanzierung des Nahverkehrs mit Bus und Stadt- oder Straßenbahn. Die Hochschulen mit ihren ASten haben eine ganz eigene Autonomie in ihrer Entscheidung. Eine „Basta“-Ansage des Landes NRW zum Semesterticket wäre also unter den derzeitigen Organisationsbedingungen im ÖPNV nicht nur sachlich falsch, sondern höchstens auch rechtswidrig.
Perspektivisch gibt es nur eine Stellschraube. Etwa die Hälfte der Preiserhöhungen beim VRR-Semesterticket kommen nicht speziell durch die Steigerung beim Semesterticket zusammen, sondern durch die allgemeinen Preiserhöhungen. Jährlich wird der ÖPNV in ganz NRW mit Tarifsteigerungen von 3-4 % deutlich teurer. Das ist unattraktiv und schadet der  notwendigen ökologischen Verkehrswende.
Es wäre schon viel geholfen, wenn man diesen allgemeinen Tarifanstieg beim ÖPNV bremsen könnte. Das ist nicht einfach. Wesentlich wird es sein, die Synergieeffekte zwischen den Verkehrsverbünden durch landesweite Koordination besser zu nutzen. Und wir müssen auf Bundesebene darauf hinwirken, dass die Ungleichbehandlung von NRW sowie die viel zu geringen Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr endlich vom Bund erhöht werden. Das würde mehr Luft auch für die Tarifgestaltung der Kommunen schaffen. Dies tuen die GRÜNEN im NRW-Landtag, kurzfristig mit dem Einsatz für mehr Regionalisierungsmittel, langfristig mit Ideen zur Stärkung der ÖPNV-Finanzierung wie sie z.B. in der ÖPNV-Zukunftskommission entwickelt wurden oder demnächst in einer Enquete-Kommission beraten werden.
Die neuesten Entwicklungen deuten an, dass es eine Einigung geben könnte. Wir appellieren ausdrücklich an beide verantwortliche Seiten, die Hochschulen und den VRR, trotz aller problematischen Verhandlungen, den Weg in Richtung Konsens weiter zu suchen und das Erfolgsmodell Semesterticket nicht zu gefährden.