Reiner Priggen: „Die CDU agiert als ’schwarze Null‘ der Haushaltspolitik“

Landeshaushalt 2015

###NEWS_VIDEO_1###
Anrede,
die Haushaltsreden des Kollegen Laschet enttäuschen mich doch sehr. Er kritisiert unentwegt die Ausgaben der Regierung – nun gut, das ist Oppositionsaufgabe. Und es soll ja auch ein bisschen aussehen wie Opposition, was er hier betreibt. Aber tatsächlich fehlt doch die Hauptsache – denn Opposition meint Alternative. Aber Sie, Herr Laschet, reden schwammig über dies und das, zeigen aber keine wirklichen Alternativen auf!
Bevor ich auf die strukturellen Probleme des NRW-Haushalts eingehe und rot-grüne Lösungsansätze beschreibe, muss ich dann doch etwas zur Haushaltspolitik der CDU anmerken. Denn die Opposition, die Sie hier anbieten, ist eine schwarze Null-Nummer und hat selbst Opposition verdient!

Teil I: Fünf Jahre CDU-Haushaltsstrategie

Mit dem Haushalt 2015 ist die CDU in Nordrhein-Westfalen wieder fünf Jahre in der Opposition. Und bei aller Kritik, die im politischen Wettbewerb üblich und natürlich zulässig ist, müsste doch allmählich erkennbar werden, was die CDU anders und besser machen würde – wenn sie denn 2017 an die Regierung käme. Aber das ist – wie auch jetzt wieder der Beitrag von Herrn Laschet zeigt – eine Fehlerwartung.
Sie haben Ihre Strategie in den Haushaltsdebatten der letzten Jahre mehrfach geändert. Doch eine Konstante gibt es: Sie reden das Land schlecht! Lassen Sie uns den Ablauf einmal durchgehen, das sagt nämlich etwas über die Qualität Ihrer Arbeit als Opposition:

Phase 1 der CDU-Haushaltsstrategie: Luftnummern, Studiengebühren, Kürzungen ohne Anschrift

In Ihrem Sanierungskonzept 2013-2020 wollten Sie mit Luftbuchungen 1,5 Milliarden Euro alleine in dem einen Jahr 2013 einsparen.
569 Millionen Euro wollten sie als Einnahme durch ein Steuerabkommen mit der Schweiz erzielen. Dabei war es die ganze Zeit Ihre Linie, den Ankauf von Steuer-Daten zu kriminalisieren und Steuerhinterzieher zu schützen. Sie wollten ein Billigabkommen mit der Schweiz, weit unterhalb dessen, was die USA durchgesetzt haben. Ihr Ablassprediger für Steuerhinterziehung hier im Landtag war der Kollege Sieveke: Sein Lied war Amnestie! Er sah nur noch reuige deutsche Steuersünder und wollte deshalb keine CD-Ankäufe mehr.
Wir haben seit Beginn der Minderheitsregierung 2010 klar gesagt: Ohne Transparenz und zu Billigpreisen für Steuerhinterzieher wird es kein Steuerabkommen mit der Schweiz geben! NRW hat bis jetzt neun Steuer-CDs erworben. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache.
Die Mehreinnahmen seit Einführung der Aufzeichnungen betragen:
2010    263 Millionen Euro
2011    307 Millionen Euro
2012    375 Millionen Euro
2013    592 Millionen Euro
Und 2014 bis einschließlich August: 891 Millionen Euro! Dazu kommen die von der Justiz festgesetzten Geldbußen gegen Banken. Allein in NRW sind das in vier Jahren 550 Millionen Euro. Allein im Jahr 2014 hat es in Deutschland mehr als 35 000 Fälle von Selbstanzeigen gegeben. Die meisten in Baden-Württemberg. NRW liegt auf Platz zwei: Von 2010 bis zum 3.12.2014 gab es bei der OFD Münster 8 032 Selbstanzeigen. Und bei der OFD Köln 19 037 Selbstanzeigen: 30 Prozent in Westfalen – 70 Prozent im Rheinland. Was will uns die Verteilung sagen?
Wir kämpfen jedenfalls für Steuerehrlichkeit – mit guten Erfolgen! Sie kämpfen dagegen für die „Menschenwürde der Tresore“ – und das ist eine ganz falsche Priorität!
Nehmen wir ein anderes Beispiel: 250 Millionen Euro wollten Sie mit der Wiedereinführung der Studiengebühren erzielen – ohne auch nur an die sozialen Kosten zu denken. Wir haben es dagegen geschafft, in nur vier Jahren den Anteil der Studierenden von 46 Prozent auf 60 Prozent eines Jahrgangs zu erhöhen. Aktuell bildet NRW 26 Prozent aller Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland aus – das sind Zukunftsinvestitionen in das teuerste Gut, das wir haben – unsere Menschen, und vor allem die junge, zukünftige Generation.
Sie wollen den bildungspolitischen Rollback und als einziges Bundesland in Deutschland die Studiengebühren wieder einführen. Das bedeutet für eine Familie, die zwei Kinder in der Ausbildung hat, 2000 Euro netto im Jahr zusätzlich. Nur um der Klarheit willen: Tun sie uns den Gefallen und bleiben sie hier doch einmal konstant und verlässlich. Schreiben Sie in Ihr Wahlprogramm 2017, dass Sie die Studiengebühren wieder einführen wollen. Damit die Studierenden wissen, was mit der Union auf das Land zukäme.
Ganz, ganz große Künstler sind Sie in der Kategorie Luftbuchungen und Kürzungen ohne Anschrift. Das ist typisch – „wasch´ mir den Pelz, aber mach´ mich nicht nass“ 20 Prozent Kürzungen auf die Förderprogramme – mich erinnert das an: „20 Prozent auf alles außer Tiernahrung!“
Sie bleiben pauschal und benennen keine konkreten Ausgabenposten. Aber Herrn Prof. Dr. Sternberg lassen Sie von der Kette, sobald ein konkreter Einsparvorschlag auf dem Tisch liegt. Da wird dann locker von der Verfassungswidrigkeit eines Einsparvorschlags schwadroniert! Verantwortliche Politik sieht anders aus!
·                    32 Millionen Euro Einsparungen bei den Personalausgaben – aber bitte nicht bei Schule, Hochschule, Polizei, Justiz, Finanzverwaltung! Gut! Aber da liegen 96 Prozent des Personaletats von NRW. Wenn die pauschal außen vor sind, dann ist der Vorschlag pauschal nichts wert!
·                    Dann soll es plötzlich doch Einsparungen im Schulbereich geben – 24 Millionen. Ja! Aber wo genau? Sagen Sie uns das doch konkret!
·                    Dann veranschlagen sie Effizienzsteigerungen bei der Landesverwaltung mit 60 Millionen. Ja! Aber wo denn bitte konkret? Welche Haushaltstitel sollen so locker 60 Millionen erbringen?
·                    Sie fordern Kürzungen im Umweltministerium pauschal um 50 Millionen – in einem Haushaltsjahr – natürlich wieder ohne konkrete Maßnahmen zu benennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wer so vorgeht, der setzt doch auf Luftnummern und nicht auf seriöse Haushaltspolitik!

Phase 2 der CDU-Haushaltsstrategie: Das Rasenmäher-Modell beim Personal

Mit dem Haushalt 2014 wurde es bizarr. Jetzt kam Herr Laschets großer Wurf – der personalpolitische Rasenmäher: 10 Prozent der Beschäftigten des Landes einsparen – nach dem Beispiel des Saarlandes: das sind in NRW mehr als 40 000 Stellen.
Aber heraus kam wieder nur die CDU-Mathematik: Stellen streichen – Ja, bitte – aber nicht bei Polizei, Schule, Justiz, Finanzverwaltung und Hochschule. Also dann wohl nur in den Ministerien und bei den Bezirksregierungen? Das waren zum Dezember diesen Jahres 11 000 Stellen! 40 000 Stellen einsparen, wo es nur 11000 Stellen gibt? Das ist CDU-Vodoo-Ökonomie!
Sachlich hat dagegen Price Waterhouse Coopers alle 16 Bundesländer einem Vergleich unterzogen. Ganz aktuell, im August 2014. Und kommt zu einem sehr respektablen Ergebnis für Nordrhein-Westfalen. Aber das wollen sie ja nicht sehen und nicht wahrhaben, weil: Das widerspricht ja ihrer Linie, das Land schlecht zu reden, wo es nur geht!

Phase 3 der CDU-Haushaltsstrategie: Nebel-Null und Maut-Pirouette

Nun nähern wir uns langsam der Landtagswahl 2017 – die Bürgerinnen und Bürger brauchen eigentlich Fakten für ihre Entscheidung. Aber statt konkreter, präziser, verbindlicher wird es bei Ihnen nur noch unkonkreter, allgemeiner, nebulöser:
Substanzielle Haushaltsanträge der CDU in der Haushaltsberatung 2014? Fehlanzeige! Kein Wunder, wenn Fraktionssitzungen ausfallen und man nicht zum Arbeiten kommt, weil sich der Vorsitzende in Straßburg mit Herrn Lucke treffen muss.
Erst zur heutigen abschließenden Lesung flattert uns ein „Konzept“ der CDU auf den Tisch. Das ist wieder typisch: Erst die Arbeit verweigern und dann ein Papier aus dem Hut zaubern und zum Konzept überhöhen. Immerhin: Damit ist seit heute wenigstens bei den Kindergartengebühren die Katze aus dem Sack – unsozial aber konsequent: Sie wollen die Beiträge für die Kindergärten um mindestens 150 Millionen Euro erhöhen.
Und was steht sonst noch in dem sogenannten Konzept: Weniger Bürokratie, weniger Bevormundung, mehr Entscheidungen vor Ort. So dreht sich Ihre Gebetsmühle immer weiter – ohne jede Konkretion! Und was nicht fehlen darf – immer wieder: das Land schlecht reden!
Und uns jetzt auch noch die Dobrindt-Maut als Erfolg der Nordrhein-Westfälischen CDU verkaufen. Die Maut von Herrn Dobrindt ist nach dem Betreuungsgeld der zweitgrößte Schuss in den politischen Ofen, den eine quartals-irre CSU dem ganzen Land aufzwingen will, und die gerade am heutigen Tag durch das Bundeskabinett gewunken werden soll!
In Bayern wird sie ja auch Ausländer-Maut genannt– um gleich noch ein populistisches Geschäftsmodell mit zu bedienen. Und im Verfahren hat Dobrindt auch erst ‚mal mächtig drauf gesattelt – und gleich 100 Prozent gefordert: Auf allen deutschen Straßen und Wegen soll Ausländer-Maut sein!
Und weil das Ganze so unsinnig ist und nicht alleine an der Union hängen bleiben durfte, sollte auch die SPD etwas abbekommen. Deshalb haben Sie, Herr Laschet, die Sache an dieser Stelle in der ersten Haushalts-Lesung ja auch Dobrindt-Gabriel-Maut getauft: also CSU plus SPD ab in den Sündenstand, und die CDU kommt unbefleckt zur Maut.
Das war Teil eins des Maut-Schlachtplans, die erste Pirouette, um aus der Sache glimpflich heraus zu kommen. Dann kam Teil zwei und der politische Verschiebebahnhof. In härtestem Ringen wurde Herrn Dobrindt die vorsorglich draufgesattelte Verhandlungsmasse wieder abgerungen – und die Maut auf Nebenstrecken wieder einkassiert: Das war die Tat von Armin Laschet als St. Georg, der Drachentöter, der einen nur scheinbar abgespeckten Unsinn als 100 Prozent Erfolg verkaufen will – und andere kritisiert, weil für sie Unsinn nach wie vor Unsinn heißt!
Aber ich will Ihnen auch sagen, wie das jetzt weiter geht Da gibt es nämlich zwei Möglichkeiten: Erstens – und darauf hoffen wir doch wohl alle – die Sache findet einen verständigen Richter, der den Quatsch einfach abräumt. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht! Zumal die zuständige EU-Kommissarin dem Entwurf gerade bescheinigte, dass er gegen das Diskriminierungsverbot verstößt.
Oder zweitens die Sache wird tatsächlich durchgezogen und macht Schule. Und Belgien, die Niederlande und Luxemburg erinnern uns daran, dass wir alle Ausländer sind – fast überall – und führen ebenfalls eine Ausländermaut ein! Das hat nämlich der Luxemburger Premier dem saarländischen Kabinett schon angekündigt, und Populisten in den Benelux-Staaten trommeln längst schon dafür!
Was bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger aus NRW über kurz oder lang, wenn Sie nach Belgien, Holland oder Luxemburg fahren, erst einmal 50 und 100 Euro Maut abdrücken müssen. Das dürfen Sie dann den Menschen in NRW erklären. Und auch, was es mit Dobrindts populistischem Gerede auf sich hat, dass kein Deutscher für die Ausländermaut zahlen wird!
Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer! Er tut es auch in diesem Fall: Er gebiert Bürokratiemonster und mindestens 40 Millionen bürokratische Vorgänge jedes Jahr. Und 40 Millionen Bescheinigungen, die in den Autos mitzuführen sind. Er gebiert neue Grenzen in Europa und mehr Abgase, mehr Verkehrslärm und Unfälle auf den Nebenstrecken.
Und er zeigt einen ganz konkreten Fall, über den wir reden müssen, wenn wir NRW voranbringen wollen – der mit Europa am engsten und dichtesten vernetzten Region. NRW voranbringen – das geht nicht mit bayerischer Kirchturmspolitik, sondern nur mit mehr Offenheit im gemeinsamen Europa. Wenn Sie dafür kämpfen würden, Herr Laschet, statt die Maut schön zu reden, dann wären wir auch bei Ihnen!

Teil II: Strukturelle Benachteiligung des Landes NRW

Aber vor allem Sie müssen endlich aufhören, das Land schlecht zu reden und stattdessen bei der jetzt anstehenden Neustrukturierung der Bund-Länder Finanzbeziehungen mithelfen, die strukturelle Benachteiligung des Landes zu beenden – das ist nämlich unsere gemeinsame Aufgabe, egal, ob wir gerade Opposition oder Regierung sind. Und hier liegt auch der zweite große Punkt, über den ich sprechen möchte.

Steinkohlebeihilfe informell eingerechnet

Wir wissen alle: NRW ist seit Jahrzehnten bei Verkehr, Infrastruktur und Hochschulen gegenüber den anderen Bundesländern schlechter gestellt worden. Ihr designierter Schatten-Finanzminister, Kollege Optendrenk, hat den Grund in seiner Rede zur zweiten Lesung des Haushaltes am 3. Dezember angeführt: Man dürfe nicht verschweigen, dass NRW von den anderen nicht benachteiligt worden sei, sondern unter anderem vom Kohlepfennig und den Kohlebeihilfen in Milliardenhöhe profitiert habe.
CDU Kollege Rehbaum hat am 5. Dezember in die gleiche Kerbe geschlagen – und gleich auch einen Schuldigen ausgemacht: Schuld an der Benachteiligung Nordrhein-Westfalens seien Verhandlungsfehler von Johannes Rau im Jahr 1993.
Warum hat NRW sich das so lange gefallen lassen? NRW war mehr als 20 Jahre ein gutmütiger Riese, der ein schlechtes Gewissen hatte wegen der hohen Steinkohlesubventionen, weil die Steinkohlebeihilfen des Bundes in den Finanzverhandlungen immer informell NRW angerechnet worden sind. Mehr als vier Milliarden Euro jährlich von 1990 bis 2000 – das sind nach heutiger Kaufkraft jährlich sechs Milliarden Euro, von 1990 bis 2015 insgesamt 74 Milliarden vom Bund, und 13 Milliarden eigene Leistungen.
Das ist nicht ohne Auswirkungen auf die Verteilung der anderen Bundesmittel geblieben. Und das war aber nicht nur SPD Politik, nicht nur Johannes Rau. So einfach dürfen Sie es sich nicht machen, Kollege Rehbaum! Dafür standen auch einflussreiche CDU-Kollegen hier aus dem Landtag wie Fritz Kollorz, wie der ehemalige Finanzminister und jetzige Stiftungsvorstand der RAG Stiftung Helmut Linssen und unser noch aktiver Kollege Lothar Hegemann.
Aber 2018 wird die Kohleförderung in NRW beendet. Es gibt überhaupt keinen Grund mehr, dass NRW zurücksteckt und nicht angemessen berücksichtigt wird. NRW ist ein zutiefst solidarisches Land, es war ein gutmütiger Riese, der ein schlechtes Gewissen wegen der Steinkohlesubventionen hatte, aber diese Zeiten müssen endgültig vorbei sein! Und darüber muss doch jenseits des notwendigen politischen Wettbewerbs Einigkeit herzustellen sein!

Königsteiner Schlüssel

Der Königsteiner Schlüssel regelt nach dem Staatsabkommen von 1949 die Beteiligung der einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen. Der Anteil, der auf ein Land entfällt, richtet sich nach seinem Steueraufkommen und seiner Bevölkerungszahl. Der Schlüssel wird jährlich neu berechnet und beträgt für Nordrhein-Westfalen seit langem rund 21 Prozent.
Im Verkehrsbereich, bei den Regionalisierungsmitteln für den Nahverkehr, erhält NRW aber nur 15,8 Prozent. Das sind in jedem Jahr 440 Millionen Euro weniger als uns nach dem Königsteiner Schlüssel zustehen würde. Minister Groschek hat diese Benachteiligung des Landes in einem Kompromiss mit den anderen Ländern auf zumindest 19 Prozent ausverhandeln können. Aber die Bundesregierung weigert sich bis jetzt, überhaupt eine Anschlussfinanzierung für die Regionalisierungsmittel sicherzustellen.
Im Hochschulbereich bilden wir in NRW zur Zeit 26 Prozent der Studierenden aus. Nach Königstein müsste mindestens daraus eine Zuweisung von 21 Prozent der Hochschulneubau- und Ausbaumittel für NRW folgen, tatsächlich sind es aber nur 15 Prozent.
In den anstehenden Verteilungsverhandlungen müssen gerade Sie von der NRW-CDU ein Bündnispartner sein beim Einsatz für die Interessen Nordrhein-Westfalens in Berlin. Wenn Sie aber weiter das Land schlecht reden oder einzelnen Sozialdemokraten die Schuld in die Schuhe schieben wollen, dann sind Sie die Stichwortgeber für alle anderen, die in dieser Verteilungs- Auseinandersetzung natürlich ihre eigenen Interessen vertreten und keinerlei Anlass sehen, NRW objektiv zu bewerten.
Wir können uns dann weiter streiten über die einzelnen Maßnahmen der Umsetzung. Aber so blauäugig wie Herr Laschet das im Kölner Stadtanzeiger vom 4. Dezember getan hat, sollten wir nicht vorgehen. Dort hat er vorgeschlagen, den Soli in eine Infrastrukturabgabe umzuwandeln. Auf die richtige Frage der Zeitung: „Wie kann man denn bei einer zweckgebundenen Abgabe sicherstellen, dass nicht wieder der größte Teil nach Bayern fließt?“ antwortet er: „Indem die Gelder aus einer solchen Infrastrukturabgabe nach Bedarf vergeben werden.“
Was glauben sie denn, wie der bayerische Bundesverkehrsminister die Gelder vergeben wird? Wo er den Bedarf sehen wird? Er wird selbstverständlich sagen, dass er die Mittel auch in den vergangenen Jahren nach Bedarf vergeben hat!
Wir brauchen als Ergebnis der anstehenden Verhandlungen über die Neustrukturierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine gerechte Berücksichtigung Nordrhein-Westfalens. Wir können nicht länger akzeptieren, dass wir vor Beginn der Umverteilungs- und Ausgleichsschritte zwischen den Bundesländern die fünfhöchsten Pro-Kopf-Einnahmen aller 16 Bundesländer haben und nach Ausgleich und Ergänzung auf Platz 16 landen! Das zu ändern ist eine Aufgabe, die uns gemeinsam angeht – gegen die strukturellen Benachteiligungen des Landes NRW und für einen fairen Bund-Länder-Ausgleich!

Teil III. Leistungen der Koalition in den letzten fünf Jahren in wichtigen ausgewählten Bereichen

Dass unsere Haushaltssituation nicht einfach ist, das wissen wir. Die Schuldenaufnahme muss weiter reduziert werden. Aber seitdem wir Sie 2010 mit der Minderheitsregierung abgelöst haben – seit nunmehr fünf Haushalten! – gibt es eine fallende Linie.

Entwicklung der Neuverschuldung

Die Neuverschuldung im letzten CDU-Haushalt von 2010 lag bei 6,5 Milliarden Euro. Und die dort geplante Neuverschuldung in der mittelfristigen Finanzplanung der CDU sah im Haushaltschluss 2010 wie folgt aus:
2011    6,6 Milliarden Euro
2012    6,5 Milliarden Euro
2013    6,4 Milliarden Euro

Demgegenüber zeigt die Neuverschuldung in den von uns verantworteten Haushalten eine eindeutige Entwicklung:
2011    3,0 Milliarden Euro
2015    1,9 Milliarden Euro
Und die geplanten Werte bis 2017:
2016    1,4 Milliarden Euro
2017    1,3 Milliarden Euro
Ja, Sie können viel schwadronieren, dass Sie ja die steigenden Steuereinnahmen nicht hätten voraussehen können! Aber die gegenüber Ihrem Ansatz jetzt schon mehr als halbierte Kreditaufnahme ist Realität, die kriegen Sie nicht aus der Welt!

Mehraufwendungen bei den Kommunen

Das Verfassungsgericht ist eine wichtige Einrichtung. Es korrigiert uns Politiker immer wieder – und das ist auch gut so. Aber wenn Frau Merkel auf Ihrem Bundesparteitag über vier verlorene Verfassungsklagen der Rot-Grünen Koalition räsoniert – Zitat: "Vier Regierungsjahre, vier Niederlagen vor dem Landesgerichtshof. Ihr müsst dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen ein Rechtsstaat bleibt!" – dann ist das, mit Verlaub, mehr als Betriebsblindheit. Das ist bösartig.
In der letzten Legislaturperiode der CDU-FDP-Bundesregierung 2009 bis 2013 hat das Bundesverfassungsgericht 33 bundesgesetzliche Vorschriften für verfassungswidrig erklärt. Und auch die NRW-CDU sei hier in aller Gelassenheit daran erinnert, dass die Schwarz-Gelbe Koalition in den fünf Jahren, in der sie wie Mehltau über dem Land lag, acht Verfassungsklagen verloren hat. Aber das möchten Sie heute nicht mehr hören.
Und wir – auch diese Anmerkung sei gestattet – bezahlen unter anderem die Verfassungsklagen, die Sie verloren haben, weil Sie den Kommunen das Geld weggenommen haben. Wir zahlen für Ihre Fehler, das ist die Realität! Aber wir sind angesichts der schwierigen Haushaltslage der Kommunen in den Haushalten seit 2010 wesentlich fairer mit den Kommunen umgegangen, als Sie in den fünf Jahren Ihrer Regierungsbeteiligung!

Beteiligung an der Grunderwerbsteuer

Mit der Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetz GFG 2010 hat Rot-Grün bereits für 2010 die Kommunen wieder an den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer beteiligt. Kommunen und Gemeindeverbände haben in den Haushalten von 2010 bis 2015 mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro an der Grunderwerbsteuer partizipiert. Ebenfalls bereits mit dem Änderungsgesetz zum GFG 2010 hat die Koalition von SPD und GRÜNEN Ihre bis dahin obligatorische Befrachtung des GFG zur Konsolidierung des Landeshaushaltes gestrichen. Das Befrachtungsvolumen lag bei 166,2 Millionen Euro im Jahr. Auch das ergibt in den Haushalten 2010 bis 2015 rund eine Milliarde Euro, die die Kommunen von uns erhalten haben – und die Sie ihnen vorenthalten haben!

Gerichtsurteil zum Einheitslastenabrechnungsgesetz

Das Einheitslastenabrechnungsgesetz (ELAG) regelt die Abrechnung der Kommunen an den Kosten der deutschen Einheit. CDU und FDP hatten das Gesetz vor der Landtagswahl 2010 zu Ungunsten der Kommunen verändert. Das Landesverfassungsgericht gab daraufhin 2012 einer Verfassungsbeschwerde mehrerer Kommunen statt. SPD und GRÜNE haben mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine neue faire Lösung ausgehandelt. Aber Sie rechnen uns die verlorene Verfassungsklage an, weil das Urteil in unsere Regierungszeit fiel. Wir zahlen jetzt für Ihr fehlerhaftes Gesetz der kommunalen Ebene rückwirkend seit 2007 und bis 2016 eine strukturelle Besserstellung von rund einer Milliarde Euro! Und wir haben wegen der kritischen Haushaltslage der Kommunen für die Jahre 2007 und 2008 auf die dem Land zustehenden Rückforderungen in Höhe von rd. 240 Millionen Euro verzichtet.

Stärkungspakt Stadtfinanzen

Mehr als die Hälfte der Gemeinden in NRW konnten in 2011 ihren Haushalt nicht ausgleichen. 144 Kommunen haben sich in 2011 dauerhaft im Nothaushaltsrecht befunden. Deswegen ermöglicht das Land mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen seit 2011 Gemeinden mit besonders schwieriger Haushaltslage einen nachhaltigen Haushaltsausgleich. Insgesamt 61 Kommunen nehmen am Stärkungspakt teil. Das ist für die beteiligten Kommunen ein anstrengender Weg, aber er zeigt gute Ergebnisse: Ende 2012 waren nur noch 29 Kommunen im Nothaushaltsrecht, Ende 2014 sind es noch drei. Für den Stärkungspakt Stadtfinanzen wenden wir so in den Haushalten von 2011 bis 2015 insgesamt 1,93 Milliarden Euro auf. Über die Laufzeit des Stärkungspaktes gibt das Land von 2011 bis 2020 rd. vier Milliarden Euro an die Kommunen.

Anstieg des GfG

Wir haben einen stetigen Anstieg der GfG-Mittel im Steuerverbund seit 2010. Die Höhe des GfG lag im Jahre 2010 bei 7,6 Milliarden Euro und im Jahre 2015 bei 9,6 Milliarden Euro. Das sind 15 Prozent des Landeshaushaltes, eine Steigerung um 26 Prozent! Und für die Steuermehreinnahmen, die wir weiterleiten, sollen wir uns dann vor der CDU rechtfertigen!? Das ist doch verkehrte Welt!

Frühkindliche Bildung incl. U3-Ausbau

Im Haushaltsjahr 2015 stellen wir für die frühkindliche Bildung insgesamt 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Jahr 2010 wurde im Elementarbereich 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zu der Zeit als Minister Laschet für diesen Bereich Verantwortung hatte ein Zuwachs von 1 Milliarden Euro. Wir schaffen damit 2015 auch einen Ausbau auf 166 000 Plätze. Bei der Regierungsübernahme 2010 hatten wir 75000 Plätze. Die Zahl von 166 000 hätte sich die Vorgängerregierung doch in Ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.
Im Haushalt 2015 stehen zusätzliche 100 Millionen Euro für die qualitative Verbesserung der frühkindlichen Bildung. Mit den Mitteln der Jahre davor sind das 270 Millionen Euro an Landesmitteln in die Qualität der frühkindlichen Bildung. Im Vergleich zur Vorgänger-Regierung sind das 270 Millionen Euro mehr für die Qualität. Natürlich – kein Dankeschön, keine Anerkennung. Sie sind Opposition – und da würde das schwerfallen.

Schulische Bildung

In diesen Bereich fließen mit dem Haushalt 2015 rund 16 Milliarden Euro. Das ist ein Viertel des gesamten Haushalts. Und damit wird eine hervorragende Arbeit gemacht. 109 neue Sekundarschulen und 91 neue Gesamtschulen seit 2010 sprechen eine deutliche Sprache. Die Frage G8 oder Rückkehr zu G9 ist in großem Konsens beantwortet. Und mit der Fortführung der schulischen Inklusion packen wir eine weitere wichtige Aufgabe an. Und stellen auch dafür erhebliche zusätzliche Mittel und Stellen zur Verfügung.

Hochschulen

Mit 42 öffentlichen und 30 privaten, staatlich anerkannten Hochschulen weist NRW die dichteste Hochschullandschaft Deutschlands und Europas auf. Im Wintersemester 2014/2015 ist die Zahl der Studierenden in NRW auf 712.000 gestiegen. Das sind 4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor – und da hatten die Hochschulen den doppelten Abiturjahrgang zu bewältigen.
Nur zum Vergleich: Gegenüber dem Wintersemester 2009/2010 ist die Zahl der Studierenden damit um 210.000 gestiegen. NRW bildete im Wintersemester 2012/2013 26 Prozent der Studierenden in Deutschland aus, NRW hatte Ende 2012 selbst aber nur einen Anteil von 21 Prozent an der Bevölkerung. Im Jahr 2010 waren im Haushalt für das Wissenschaftsministerium rund 5,8 Milliarden Euro an Ausgaben vorgesehen. Im Haushalt 2015 sind mit 7,8 Milliarden Euro rund 2 Milliarden Euro bzw. 34 Prozent mehr Ausgaben vorgesehen.
Aus dem Länderfinanz-Benchmarking von Price Waterhouse Coopers vom August 2014 wissen wir, dass wir keinerlei Grund haben, uns unsere Leistung im Hochschulbereich kleinreden zu lassen! Wir liegen mit einer finanziellen Leistung von 268 Euro je Einwohner für das Jahr 2012 um drei Euro hinter Bayern, das 271 Euro je Einwohner im Jahr 2012 aufgewendet hat. Aber wir bilden damit 34 Studierende je 1000 Einwohner aus, Bayern nur 26. Das heißt, wir bilden bei gleichem finanziellem Engagement 30 Prozent mehr junge Leute aus.
Und wir haben es in den vergangenen fünf Jahren geschafft, die Studienanfängerquote von 46 Prozent eines Jahrgangs auf 60 Prozent zu steigern.
Das ist ein hervorragendes Ergebnis. Insgesamt fließt mehr als ein Drittel des Landeshaushalts in die Bereiche Kinder und Bildung. Das ist eine Leistung auf die wir stolz sind!

Sozialarbeit an Schulen

Wir ermöglichen mit diesem Haushalt den Kommunen die Fortführung der Schulsozialarbeit – was eigentlich Bundesaufgabe wäre. Denn die Schulsozialarbeit wurde mit dem Bildungs- und Teilhabepaket bundesweit eingeführt – mit einem Ansatz von 400 Millionen Euro pro Jahr, davon für NRW 100 Millionen Euro pro Jahr.
Das Geld wurde zunächst für die Jahre 2011 bis 2013 zur Verfügung gestellt. Es handelt sich unzweifelhaft um Sozialarbeit in der Schule. Eingeführt wurde die Schulsozialarbeit von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales – damals Ursula von der Leyen. Damit ist auch klar, wer die Fortführung dieser sinnvollen Maßnahme zu finanzieren hat. Das sehen auch die kommunalen Spitzenverbände so und werden sich mit uns gemeinsam dafür einsetzen, dass der Bund diese Verantwortung auch trägt. Aber: Der Bund drückt sich hier um seine Verantwortung. Die Bundesregierung weigert sich jetzt, ihrer Verantwortung zur Weiterfinanzierung nachzukommen.
Damit dieser Streit nicht auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen und der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter ausgetragen wird, springen wir in die Bresche: Wir garantieren den Kommunen ein Förderprogramm zur Schulsozialarbeit in Höhe von 47 Millionen Euro für jedes der kommenden drei Jahre. Über die Modalitäten haben wir mit den Vertretungen der Kommunen Einigkeit erzielt. Damit kann diese wichtige Arbeit fortgesetzt werden.

Flüchtlinge

Wir erleben in Syrien und in Teilen des Iraks den Zusammenbruch jeder staatlichen Ordnung und eine ungeheure humanitäre Katastrophe. Die Hälfte der Einwohner Syriens ist auf der Flucht. Nach Deutschland werden sich allein in diesem Jahr mehr als 200.000 Asylsuchende retten. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl – angesichts der fortdauernder Krisen und Kriege – auch im kommenden Jahr nicht verringert.
Gemäß der aktuellen Aufnahmequote nach dem Königsteiner Schlüssel muss NRW im Jahr 2014 rund 21 Prozent der Erstantragsteller aufnehmen. Die Zahl der in Nordrhein-Westfalen Hilfe suchenden Flüchtlinge ist sehr stark angestiegen – von 10.000 Flüchtlingen im Jahr 2011 auf 40.000 Flüchtlinge in 2014.
Der Bund kündigt öffentlich – nachdem er sich lange davor gedrückt hat, einen Kostenanteil zu übernehmen – 1 Milliarde Euro für zwei Jahre an. Und jeder denkt, der Bund zahlt eine Hilfe von einer Milliarde Euro. Für NRW wären das 108 Millionen Euro pro Jahr. Aber im Kleingedruckten steht dann, dass nur die Hälfte als Zuschuss gezahlt wird und die andere Hälfte als rückzahlbares Darlehen. So einfach kann man es sich machen. Wir geben die 54 Millionen, die vom Bund als Zuschuss kommen
1 : 1 weiter und nehmen 91 Millionen Euro Landesgeld in die Hand. Aber wir können nicht noch weitere Darlehen zu Lasten des Landes aufnehmen.
Insgesamt gehen mit diesem Haushalt zusätzlich 108 Millionen Euro direkt an die Kommunen. Mit weiteren 37 Millionen Euro finanziert das Land unter anderem eine zusätzliche Erstaufnahmeeinrichtung, weitere Lehrer an den Schulen und die Ausweitung der sozialen Betreuung in den Landeseinrichtungen. Seit 2010 hat sich damit der Haushaltsansatz für die Flüchtlinge von 60 Millionen Euro auf nunmehr 390 Millionen Euro im Haushalt 2015 mehr als versechsfacht. Das Land NRW wird hier in besonderer Weise seiner Verantwortung gerecht. Es erfüllt die Verabredungen der beiden Flüchtlingsgipfel und unterstützt die vielfachen Anstrengungen der Städte und Gemeinden.

Fazit

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe aufgezeigt, wo die strukturellen Probleme des Haushalts liegen. Und ich könnte noch sehr viele Beispiele hervorragender Arbeit auch der Ressorts und Fachbereiche anführen, die ich aus Zeitgründen nicht alle erwähnen konnte. Diese Koalition leistet in der Sache eine sehr gute Arbeit – eine harte Arbeit, die von allen Beteiligten viel abverlangt. Und es wird nicht einfacher werden. Und diese Koalition wird heute für die Fortsetzung dieser sehr guten Arbeit den fünften Haushalt beschließen.
Die CDU-Opposition dagegen macht im Haushaltsverfahren so gut wie keine beratbaren Vorschläge – sie agiert als „schwarze Null“ der Haushaltspolitik. Und das ist nicht das, was einer großen Volkspartei geziemt! Das ist nicht Heavy-Weight, Herr Laschet, das ist Bruder Leichtfuß, was Sie uns anbieten.
Ich will gar nicht bestreiten, dass man sich mit einer solchen Politik durchwurschteln kann, aber sagen Sie uns ehrlich: Unbestimmtheit als Programm – ist das wirklich die Politik, die die CDU-Fraktion uns hier anbieten will und die dieses Land NRW braucht? Wenn Ihnen die Puste schon in der Opposition ausgeht, was wäre das dann erst in der Regierung?