Die Minderheit scheint weiter zu sein als die Mehrheit

Ali Bas im Interview zu den Ergebnissen der Studie „Deutschland postmigrantisch“

1. Was denkst Du zu den Ergebnissen der Studie „Deutschland postmigrantisch“
Die Ergebnisse sind schon sehr interessant, aber auch ambivalent. Für die gesellschaftspolitische Arbeit sind sie sehr wertvoll. Die Wahrnehmung, wer zu Deutschland gehört und wer nicht, ist schon sehr auffällig. Darauf aufbauend muss eigentlich eine Politik wirken, die unsere gesellschaftliche Vielfalt auch als Chance betrachtet.
2. Gab es Ergebnisse, die Dich schockiert haben?
Schockiert hat mich jetzt nichts direkt. Dafür habe ich diese Ergebnisse schon fast erwartet. Ich würde es eher als deprimierend bezeichnen. Vor allem weil sie insgesamt eine deutliche Tendenz gegen gesellschaftliche Minderheiten zeigen, u.a. gegen Menschen muslimischen Glaubens. Das bedrückendste Ergebnis ist für mich die hohe Zustimmung zur Vorstellung, dass man nicht als "Deutsch" gelte, wenn man muslimischen Glaubens ist. Irgendwie kommt mir das bekannt vor und das ist alarmierend. Umgekehrt gibt es bei fast allen Befragten (auch Muslimen) eine hohe Identifikation mit Deutschland. Für mich ein Hinweis, dass die Minderheit gesellschaftlich schon weiter ist als die Mehrheit.
3. Welche der Ergebnisse decken sich mit Deinen persönlichen Erfahrungen?
Ich bekomme aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis oft Rückmeldungen über Situationen der Ausgrenzung: Blöde Sprüche im Zug und auf der Straße, Drohungen per Mail und Brief, Anschläge auf Gebetshäuser, aber auch gruselige Diskussionen auf den politischer Ebenen. Zum Beispiel erinnere ich mich mit Schrecken an eine Debatte im Integrationsrat zum Thema "Darstellung von Migrantinnen und Migranten in den Medien". Da gab es bei einigen Ratsvertretern null Verständnis dafür überhaupt über dieses Thema zu reden.
4. Was glaubst Du woher Vorurteile wie Aggression und niedriger Bildungsstandard gegenüber Muslime kommen?
Vorurteile kommen zuerst immer dann zustande, wenn man kein Wissen über ein Thema oder eine gesellschaftliche Gruppe hat und oft besteht auch kaum die Bereitschaft, sich mit ihrer Widerlegung zu befassen. Vieles wird auch sehr eindimensional über unsere Medien transportiert und selten hinterfragt. Im Grunde genommen werden viele soziale Probleme heutzutage schnell auf Religion oder ethnische Herkunft zurückgeführt. Dieses Denkmuster muss durchbrochen werden.
5. Was glaubst Du, wie man mit den Wissenslücken rund um den Islam aufräumen könnte?
Ich glaube, dass zuerst vor allem mehr Dialog auf Augenhöhe stattfinden muss. Vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene. So wäre doch eine stärkere Einbindung von Muslimen im Ehrenamt und die Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit vieler muslimischer Gemeinden und auch der Migrantenselbstorganisationen ein starkes Signal. Auf der anderen Seite kann der Staat den Rahmen für eine rechtliche Gleichstellung schaffen. Auch würde ich mir eine differenziertere Berichterstattung in den Medien wünschen.