Knapp die Hälfte der Bahnbrücken in NRW ist dringend sanierungsbedürftig

Kleine Anfrage

Knapp die Hälfte der Eisenbahnbrücken in NRW ist in einem besorgniserregenden Zustand. Oliver Krischer, Stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion, und Rolf Beu, bahnpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag NRW haben die Ergebnisse bei einer Pressekonferenz vorgestellt.
Insgesamt wird der Zustand der Eisenbahnbrücken von der DB in vier Kategorien unterteilt:
Kategorie 1: nur punktuelle Schäden
Kategorie 2: größere Schäden ohne Beeinflussung der Sicherheit
Kategorie 3: Umfangreiche Schäden, Instandsetzung möglich
Kategorie 4: Gravierende Schäden, wirtschaftliche Instandsetzung nicht mehr möglich
Laut Bundesregierung fallen von den insgesamt 4.369 Eisenbahnbrücken in NRW 1.660 in die dritte und 263 in die vierte Kategorie, d.h. sie müssen neu gebaut werden.
Das Dokument mit einer Auflistung aller Brücken finden Sie online hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/012/1801255.pdf

Bewertung

NRW ist Hot Spot der deutschen Infrastrukturkrise. Trotz Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB AG, also feste Geldbeträge des Bundes an die DB AG, verschlechtert sich der Infrastrukturzustand. Der Trend ist eindeutig.
Die Situation ist dramatisch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es in Nordrhein-Westfalen bei den Bahnbrücken ähnlich wie bei den Autobahnbrücken zu häufigeren Sperrungen und Beeinträchtigungen kommt. Die Hohenzollernbrücke in Köln ist ein prominentes Beispiel dafür, dass Brückensperrungen deutliche Einschränkungen für den Bahnverkehr und viele Reisende bringen. Denn Brücken sind oft ein Nadelöhr, vor allem bei den wichtigen Verkehrswegen über Rhein und Ruhr.
Im Schnitt hält eine Brücke rund 100 Jahre. Von den 27.000 Bahnbrücken in Deutschland sind 10.000 älter als 100 Jahre. Zudem sind viele Brücken stark sanierungsbedürftig, weil sie besonders beansprucht sind. NRW als Transitland hat ein höheres Aufkommen an Personen- und Güterverkehr als andere Bundesländer. Durch Nordrhein-Westfalen verlaufen Verkehrskorridore mit Bedeutung für ganz Europa.
Es gibt viele Brücken in NRW, die für das gesamte Fernnetz der Bahn unverzichtbar sind, dazu zählen die Hohenzollernbrücke in Köln, die Brücke über die Ruhr zwischen Hagen und Schwerte oder die Weserbrücke bei Bad Oeynhausen.
Bei den Eisenbahnbrücken ticken zwei Wecker gleichzeitig. Zum einen ist um das Jahr 1900 mit der damals neuen Stahlbautechnik eine große Zahl von Brücken errichtet worden, deren Baustoff jetzt mürbe wird. Zum anderen sind nach dem Krieg sehr viele Brücken eilig repariert worden, auch sie sind inzwischen sanierungsbedürftig.

Beispiele für starke Verkehrsbeeinträchtigungen durch Brückensperrungen in 2013 und 2014:

Hohenzollernbrücke in Köln: Im März/April 2014 wurden zwei von sechs Gleisen auf der Brücke für vier Wochen gesperrt. Die Sanierung hat elf Millionen Euro gekostet. Es kam zu massiven Verzögerungen im Nah- und Fernverkehr. 
Müngstener Brücke bei Solingen: Vor knapp drei Jahren musste die Geschwindigkeit auf der aus dem Jahr 1897 stammenden Brücke wegen Schäden an den Lagern auf zehn km/h reduziert werden. Güterzüge durften überhaupt nicht mehr über die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands rollen. Nach Messfahrten zur Untersuchung der Statik musste die Wupper-Querung stillgelegt werden. Nach mehrmaligen Verzögerungen soll die Brücke nun im Dezember wieder für den Personenverkehr freigegeben werden.
Ein Beispiel für die mit dem Zustand der Brücken einhergehenden Probleme zeigt die Nahverkehrsstrecke von Hagen nach Lüdenscheid. Auf dieser Strecke sind nach Angaben der Bundesregierung insgesamt zehn Brückenbauwerke nicht mehr sanierungsfähig und müssen deshalb komplett neu gebaut werden (Kategorie 4). Dies dürfte erhebliche Einschränkungen mit sich bringen.
Zwischen Aachen und Mönchengladbach, einer bedeutenden Verbindung für Nah- und Güterverkehr, sind elf Brücken so marode, dass sie ersetzt werden müssen.
Ein weiteres Beispiel ist die stark frequentierte und u.a. von ICE-Zügen genutzte Strecke 2550 (Aachen-Kassel). Hier trifft man an vielen Stellen immer wieder Zustandsnote 3 an, die ebenso besorgniserregend ist. Hier muss die Instandhaltung intensiviert werden, damit sich der Zustand nicht noch weiter verschlechtert.

Notwendige Konsequenzen
  • Die Deutsche Bahn muss einen umfangreichen Sanierungsplan erstellen. Er muss mit dem Land, den Zweckverbänden und den Fahrgästen abgestimmt werden, um Beeinträchtigungen so gut wie möglich zu minimieren.
  • Die Problematik des schlechten Brückenzustands ist der Bahn seit Jahren bekannt, trotzdem investiert sie viel zu wenig in den Erhalt. Statt Milliarden in Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 oder den Kauf von Logistikunternehmen im Ausland zu versenken, müssen Bund und Deutsche Bahn sich endlich um den Erhalt der Eisenbahninfrastruktur kümmern.
  • Die DB Netz muss ihre Unternehmensgewinne in den Erhalt des Schienennetzes investieren, statt sie über die Bahn-Dividende in den Bundeshaushalt zu überführen. Das muss auch der Bund als Eigentümer der Bahn vorantreiben.
  • Daehre und Bodewig haben ermittelt: Allein bei den Schienenwegen fehlen jährlich 1,2 Milliarden Euro für den Erhalt. Deshalb ist es ein Fehler von Schwarz-Rot im Bund, immer noch viel Geld in Neubauprojekte auf der Straße zu stecken. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Zusatz-Milliarden in die Erhaltung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Solange das bestehende Finanzvolumen des Verkehrshaushaltes nur nachrangig und ungenügend die Erhaltung und Sanierung von Bundesverkehrswegen berücksichtigt, sind allgemeine Forderungen nach mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur unglaubwürdig. Neu- und Ausbau muss sich allein auf die Beseitigung von Engpässen mit sehr hohem Schwerverkehrsanteil konzentrieren.
  • Der Vorschlag von Bundesverkehrsminister Dobrindt, einen Sondertopf für große Straßenbrückensanierungen einzurichten, ist auch vor diesem Hintergrund viel zu undurchdacht: Er konzentriert sich nur auf die Straßensanierung und selbst dafür reichen die Mittel nicht aus. Der umweltfreundliche Verkehrsträger Schiene sollte mit zusätzlichen Erhaltungsinvestitionen wirksam gestärkt werden.
  • Unser Grünes Ziel ist vorrangig der Erhalt: Wir wollen die Verkehrsinfrastruktur und damit Anlagevermögen unseres Landes erhalten statt weiter auf Verschleiß zu fahren.