Homosexualität in Europa – Eine Bestandsaufnahme

Internationaler Tag gegen Homophobie 2014

Portrait Josefine Paul

Ein wichtiger Tag nicht nur in Deutschland, sondern für ganz Europa. Doch was hat das Ganze mit der wenige Tage später stattfindenden Europawahl zu tun? Die Europäische Union verpflichtet sich in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union zur Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Minderheitenrechte. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aus dem Jahr 2009 wird explizit festgelegt bei der Durchführung der Politik die Diskriminierung auf Grund der sexuellen Identität zu bekämpfen.

Also alles gut im Hause Europa? Leider nicht! So ergab eine europaweite Umfrage der Agentur für Grundrechte von LGBTTI-Menschen. 47 Prozent von ihnen fühlten sich 2012 diskriminiert und belästigt. Besonders stark betroffen sind hiervon Lesben (55 Prozent), Jugendliche (57 Prozent) und ärmere LGBTTI-Menschen (52 Prozent). 26 Prozent gaben sogar an mit Gewalt bedroht und angegriffen worden zu sein. Besonders niederschmetternd, lediglich 10 Prozent der in Europa lebenden LGBTTI-Menschen fühlen sich sicher genug, um Diskriminierung auf Grund ihrer sexuellen Identität und Geschlechtsidentität zur Anzeige zu bringen.  

Beschämende Zahlen für das Vorzeigeprojekt Europa, dessen Grundfeste auf Freiheit Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte fußt. Letztlich brechen sich Diskriminierung und Intoleranz leider auch in der nationalstaatlichen Politik der Mitgliedsstaaten bahn. Zwar ist Homosexualität in allen europäischen Staaten nicht unter Strafe gestellt. Häufig ist dies aber nicht mit einer rechtlichen Gleichstellung verbunden.

Bezeichnend ist, dass selbst Gründungsstaaten der europäischen Einheit, wie beispielsweise Deutschland den Fingerzeig der EU weiterhin brauchen, um Homo- und Transsexuellen, den ihnen zustehende (rechtliche) Gleichstellung zukommen zu lassen. So wurde die Bundesrepublik noch 2008 von der Europäischen Union ermahnt, endlich für eine beamtenrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehen Sorge zu tragen. Eines von vielen unrühmlichen Beispielen.  

Besonders Rückwärtsgewand zeigt sich die europäische Gesellschaft gegenüber dem „Anderen“, rund um das Thema Familie. Fest verankertes Diskriminierungsmuster gegen Homo- und Transsexualität ist der Vorbehalt, dass es für Kinder von Nachteil sei, in sogenannten Regenbogenfamilien statt bei heterosexuellen Eltern aufzuwachsen. Ein Diskriminierungsmuster dass neben dem gesunden Menschenverstand, bereits etliche Studien widerlegt haben. Und trotzdem ist gerade diese irrationale Angst gegen eine ideologische Vereinnahmung der Jugend durch Homo- und Transsexuelle ein Einfallstor für rechte und rechtspolitische Kräfte in Europa. Während sie auf der einen Seite eine strikte Geschlechternorm forcieren, wehren sie gleichzeitig sehr geschickt den Vorwurf der Homo- und Transphobie ab. Sie instrumentalisieren den Kampf für die Rechte von Homo- und Transsexuellen, indem sie vorgeben, sie gegen die Angriffe durch ihnen feindlich gesinnte Kräfte, wie beispielsweise Muslime, verteidigen zu wollen. Was bleibt ist der bittere Nachgeschmack von Populismus. Durchsichtig wird das Gebaren der Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten, wenn man sich die harten Auseinandersetzungen in Frankreich rund um die Verabschiedung der "Ehe für alle" ("mariage pour tous") genauer ansieht. Allerorts mobilisierten eben jene Gruppen zu Großdemonstrationen gegen die Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen Paaren. Sie versuchten die Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren, indem sie den Schutz der traditionellen heterosexuellen Kernfamilie vor sich her trugen. Dabei unterließen sie es bewusst, die Debatte zu radikalisieren und übten sich so in vermeintlicher Toleranz gegenüber marginalisierten Lebensentwürfen. Eine gute Strategie des Vorgaukelns von Weltoffenheit und Perfektionierung der gängigen „Ich hab ja nichts gegen Schwule und Lesben, aber..“-Stammtischargumentation.  

Auch in NRW gehen Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten mit dieser Methode auf Stimmenfang. Argumente gegen sie, kann nur die feste Verankerung unterschiedlicher geschlechtlich-sexueller Identitäten und Lebensentwürfe in unserer Gesellschaft bieten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die in diesem Jahr in NRW stattfindenden Hirschfeld-Tage. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld & Arcus-Stiftung veranstaltet mit vielen Vereinen, Parteien und Verbänden in 16 Städten NRWs rund 90 Veranstaltung zum Thema.

Schlussendlich bleibt die klare Botschaft, dass alle Bürgerinnen und Bürger in NRW am 25. Mai ein klares Zeichen setzen können. Gegen das verdrehte Weltbild von Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten und für mehr Vielfalt und Toleranz in den NRW-Kommunen und in Europa.