Der Ringelschwanz bleibt dran – Durchbruch für den Tierschutz

Norwich Rüße:

Portrait Norwich Rüße

Die gemeinsame Vereinbarung zwischen dem nordrhein-westfälischen Agrarministerium und den Landwirtschaftsverbänden WLV und RLV hat es in sich. Denn nun geht es an die konkrete Umsetzung der Tatsache, dass das Schwänzekupieren nach europäischer Vorschrift schon länger nicht mehr als Standardeingriff bei Ferkeln vorgenommen werden darf. Dabei kommt diese Vereinbarung nicht überraschend, denn schon vor drei Jahren hat das Ministerium in einem Erlass darauf hingewiesen, dass das regelmäßige Kupieren der Schwänze nicht den europäischen Vorschriften entspricht. Innerhalb von zwei Jahren will die Branche nun bereit dafür sein, dass in den Schweineställen in NRW die Mastferkel mit Ringelschwanz aufgestallt werden können, ohne dass es dann zum Schwanzbeißen kommt. Das bedeutet einen Durchbruch für den Tierschutz, denn NRW ist mit ungefähr 12,5 Mio. jährlich gemästeten Schweinen eine Hochburg der Schweinehaltung.

Die Ursachen für das Schwanzbeißen sind dabei relativ klar. Das Phänomen ist eng verbunden mit der Einführung der strohlosen Haltung. Das bedingt zwei Faktoren, die für das Schwanzbeißen wichtig sind: Zum einen fehlt den Tieren mit dem Stroh seitdem das ideale Material, um ihr angeborenes, sehr aktives Verhalten auszuleben. Das Wühlen, die Suche nach Futter oder auch den Nestbau kann man in einem Strohstall bei den Schweinen jeden Tag erleben, auf nacktem Betonspaltenboden geht das nicht. Zum anderen ist erst mit dem Spaltenboden die enge Belegung der Ställe möglich geworden, wie wir sie heute in der Massentierhaltung finden. Nicht einmal ein Quadratmeter steht einem ausgewachsenen Mastschwein zur Verfügung – kein Wunder, dass diese Enge zu solchen Verhaltensstörungen führt! Neben diesen entscheidenden Ursachen sind auch noch die Genetik, Absetzalter und das Futter weitere, aber untergeordnete Faktoren. Allein die Tatsache, dass das Schwänzekupieren erst "Mode" in der Landwirtschaft wurde, nachdem sich die Vollspaltenbodenställe durchgesetzt hatten, spricht Bände.

Damit sind aber auch die entscheidenden Faktoren benannt, die zu verändern sind, wenn das Kupieren der Schwänze tatsächlich der Vergangenheit angehören soll. Die Tiere brauchen entschieden mehr Platz in den Ställen und ausreichend Beschäftigungsmaterial. Und Beschäftigungsmaterial meint hier nicht ein paar Spielketten, Reifen oder Bälle, weil die Tiere hier nicht ihren Wühltrieb ausleben können. Wühlmaterial meint auch tatsächlich wühlbare Materialien wie Erde, Torf, Stroh, Sägespäne oder Heu – und das dann nicht in homöopathischen Dosen, sondern in "ausreichenden Mengen".

Zu befürchten steht allerdings, dass die Landwirtschaft auch diesmal wieder versuchen wird, das System nicht grundsätzlich zu verändern. Denn erst die massenhafte, nicht artgerechte  Haltung von Schweinen in Vollspaltenboden-Ställen mit Tausenden von Tieren macht es erst möglich, dass die deutsche Fleischindustrie auf den Weltmärkten konkurrieren kann. Ein Umbau der Tierhaltung in die Richtung von deutlich mehr Tierschutz und mehr artgerechter Haltung würde unweigerlich eine komplett neue Vermarktungstrategie erfordern. Allein deshalb wird die Politik auch zukünftig jeden noch so kleinen Fortschritt in der Tierhaltung der Landwirtschaft abringen müssen.  Beharrlichkeit und Ausdauer werden also auch künftig gebraucht werden, damit die landwirtschaftliche Tierhaltung wieder in ein Gleichgewicht zwischen den ökonomischen Interessen der Tierhalter und den berechtigten Interessen des Tierschutzes kommt. Die Vereinbarung von Minister Remmel mit den Bauernverbänden ist hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung!