Und es gibt sie doch: Profifußball ist keine heterosexuelle Parallelwelt

Josefine Paul meint:

Portrait Josefine Paul

Nun ist es raus: Auch in Deutschland gibt es homosexuelle Profifußballer! Mit Thomas Hitzlsperger hat sich erstmals ein prominenter deutscher Fußballer öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Auch wenn er seine aktive Karriere jüngst beendet hat, so ist es doch ein wichtiges Zeichen dafür, dass die gesellschaftlichen Realitäten auch im Fußball nicht länger ignoriert werden können. Bislang galt der Männerfußball als einer der letzten gesellschaftlichen Bereichen, in denen „Männer noch richtige Männer“ sein konnten. Bisher war in Stein gemeißelt: Fußballer sind heterosexuell! Bis heute!
Mit dem Outing von Thomas Hitzlsperger bekommt die Debatte um Homosexualität im Sport und insbesondere um Schwule im Fußball einen neuen Dreh. Bislang wurde immer nur spekuliert, dass es auch schwule Fußballer geben müsse. Außer wilden Spekulationen gab es bislang nur wenige geoutete Homosexuelle. Der Amerikaner Robbie Rogers entschloss sich im letzten Jahr, sein Schwulsein öffentlich zu machen und gleichzeitig seine Karriere zu beenden. Seine Angst vor einer Flut negativer Reaktionen erwies sich als unbegründet, so dass er nach viel Zuspruch und öffentlicher Unterstützung seine aktive Karriere wieder aufnahm. Ein ermutigendes Zeichen, bedenkt man, dass in Deutschland die Debatte immer noch oftmals in die Richtung geht, dass ein Outing eines aktiven Spielers vermutlich das Karriereaus bedeuten würde. Nicht zuletzt der Kapitän der deutschen Männernationalmannschaft, Philipp Lahm, hat vor noch nicht allzu langer Zeit öffentlich von einem Outing abgeraten.
Es wird sich nun zeigen müssen, ob sich die Debatte auch in Deutschland weiterentwickelt hat. Einiges spricht dafür. Die ersten Reaktionen auf Hitzlspergers Bekenntnis beglückwünschen ihn zu seinem Mut und feiern seinen Schritt als Meilenstein für eine längst überfällige Entwicklung. Auch vom Deutschen Fußball Bund (DFB) kommen positive Signale. Nicht nur würdigen die Verbandsverantwortlichen Hitzlspergers Entscheidung, DFB-Präsident Niersbach bekräftigte auch noch einmal, dass der DFB ihn und andere Spieler, die Hitzlspergers Beispiel folgen wollen, in jeglicher Weise unterstützen wollen. Im Herbst letzten Jahres veröffentlichte der DFB gar eine Informationsbroschüre zum Umgang mit Homosexualität im Fußball.
Und was ist mit den Fans?
Immer wieder ist darauf verwiesen worden, dass ein Spieler, der sich öffentlich outet, vor allem mit Angriffen durch Fans rechnen müsse. Belege für diese Behauptung gibt es nicht. Im Gegenteil, es sind aktive Fans und Fanprojekte gewesen, die das Thema immer wieder auch in die Stadien und in die fußballpolitischen Debatten gebracht haben. Das Netzwerk Queer Football Fanclubs (QFF) ist ein europäisches Netzwerk schwul-lesbischer Fußballfansclubs und zählt mittlerweile 22 Fanclubs unterschiedlicher Teams und hat mehr als 800 Mitglieder. Sie sind Beleg dafür, dass die Kurven längst bunt geworden sind.
Und die Frauen?
Fußball ist Männersache. Von den übertrieben Männlichkeitsvorstellungen, die im Fußball soweit verbreitet sind, können die Frauen ein Lied singen. Oftmals sind sie als „Mannweiber“ und „Kampflesben“ verunglimpft worden. Trotzdem haben in den letzten Jahre einige Prominente Spielerinnen den Weg in die Öffentlichkeit gewagt. Die beiden US-Nationalspielerinnen Abby Wambach und Megan Rapinoe sind die wohl bekanntesten unter ihnen. Aber auch in Deutschland haben sich mit Ursula Holl und Nadine Angerer zwei Nationalspielerinnen zu ihrer Neigung zu Frauen bekannt. Auch hier ließen die eigentlich erwarteten Entrüstungsstürme auf sich warten. Was bleibt ist die Erkenntnis, auch der Sport in Deutschland ist keine heterosexuelle Parallelwelt, sondern bildet unsere vielfältige Gesellschaft ab.