90 Prominente fordern auf Initiative der EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer die Abschaffung der Prostitution. Dabei spiegelt der Appell eine sehr undifferenzierte Haltung gegenüber dem Thema Prostitution wider, die weder der Thematik noch den Sexarbeiterinnen gerecht wird. Wie so oft in der Diskussion über Sexarbeit wird auch in diesem Appell legale Prostitution pauschal mit Menschenhandel und Zwangsprostitution in einen Topf geworfen. Auch wenn Prostitution sicherlich kein Job wie jeder andere ist, ignorieren die Unterstützerinnen und Unterstützer, dass es Menschen gibt, die dieser Tätigkeit nach eigenem Bekunden freiwillig nachgehen.
Das Prostitutionsgesetz von 2002 hat ihnen dazu einen Rahmen gegeben und die Prostitution aus der Sittenwidrigkeit geholt. Auch wenn Prostitution auch vor 2002 in Deutschland nicht verboten war, hatten Frauen (und auch Männer), die sexuelle Dienstleistungen anbieten ohne das Prostitutionsgesetz keine Möglichkeiten, ihre Ansprüche gegen Freier rechtlich geltend zu machen. Mit dem Ende der Sittenwidrigkeit wurde die rechtliche Situation der Sexarbeiterinnen gestärkt. Einen Rückschritt durch die Abschaffung des Prostitutionsgesetzes, in eine erneute rechtliche Grauzone der Sittenwidrigkeit darf es nicht geben. Dass ein Mehr an staatlicher Repression nicht zu einem Verschwinden der Prostitution führt, sondern nur die Lage der Frauen verschlechtert, hat auch das Beispiel Dortmund gezeigt. Die Ausweitung des Sperrbezirks auf die ganze Stadt ist nicht nur gerichtlich für unzulässig erklärt worden, sie hat die Frauen auch in Illegalität gezwungen. Beratungs- und Hilfsangeboten können Sie dort nur noch schwer erreichen.
Demnach ist klar, dass Vorstöße à la Alice Schwarzer wenig helfen. Sie missachten das Recht der Frauen auf Schutz und gute Arbeitsmöglichkeit in der Sexarbeit und können dementsprechend auch nicht im Sinne derer sein, die sich den Schutz von Frauen vor Gewalt und Ausbeutung auf die Fahnen geschrieben haben.
Menschenhandel wirksam entgegentreten
Festgehalten werden muss zudem, dass das Prostitutionsgesetz Ausbeutung und Menschenhandel nicht hervorgebracht hat. Es steht außer Frage, dass Menschenhandel ein Verbrechen und menschenrechtswidrig ist. Nur kann ein Verbot der Prostitution kein wirksames Mittel im Kampf gegen Menschenhandel sein. Das Lagebild Menschenhandel der Landesregierung NRW lieferte keine Hinweise für den Anstieg von Menschenhandel infolge des Prostitutionsgesetzes.
Menschenhandel ist ein sehr komplexes Problem, das auch nicht allein auf den Bereich der Prostitution reduziert werden kann. Neben dem Straftatbestand des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, gibt es in Deutschland auch einen Paragraphen zur Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft. Auch im Baugewerbe, der Gastronomie oder in sog. haushaltsnahen Dienstleistungen gibt es belegte Fälle von Menschenhandel. Einfache Lösungen gibt es nicht! Oftmals ist der Weg in die Zwangsarbeit schleichend und für Außenstehende oft schwer zu erkennen. Die Opfer brauchen Schutz und Unterstützung, um sich aus ihrer Zwangslage befreien zu können. Sie brauchen eine sichere Perspektive, wie ein dauerhaftes Bleiberecht, das nicht an ihre Aussagebereitschaft gegen die Täter oder die Länge eines möglichen Prozesses gekoppelt ist. Sie brauchen aber auch Zeugenschutz, wenn sie sich für eine Aussage entscheiden.
Darüber hinaus muss es darum gehen, Perspektiven jenseits der Sexarbeit aufzuzeigen und Frauen zu begleiten, die aussteigen wollen – unabhängig davon, ob es sich um Opfer von Menschenhandel handelt. Denn auch Frauen, die freiwillig der Prostitution nachgehen, tun dies oftmals aus wirtschaftlicher Notwendigkeit und wollen oder können diese Tätigkeit nicht auf Dauer ausüben. Die Stärkung der Beratungsarbeit in diesem Bereich ist ein wichtiges Anliegen, wenn es um die Verbesserung der Lage von Sexarbeiterinnen geht.
Miteinander statt übereinander sprechen
Wichtig ist in jedem Fall einen kommunikativen Weg zu beschreiten, wie dies auch die Landesregierung mit dem Runden Tisch Prostitution seit 2011 tut. Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) hat diesen mit dem Ziel eingerichtet, nicht nur über Prostitution zu sprechen, sondern vor allem alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Auf diese Weise können für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter rechtsstaatliche und menschenwürdige Bedingungen geschaffen und die Prostitution aus der gesellschaftlichen Grauzone heraus geholt werden. Wirksamer Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und sexuellem Missbrauch können nur dann gewährleistet werden, wenn es gelingt, Prostitution aus dem gesellschaftlichen Abseits zu holen und Sexarbeiterinnen zu entstigmatisieren.
Das Prostitutionsgesetz war ein Schritt zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Lage von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Bislang hat das Gesetz diese Ziele aber nur teilweise erreicht. Verbesserungsbedarfe bestehen und sind benannt. Ordnungspolitische Maßnahmen alleine aber werden die Prostitution weder abschaffen, noch werden sie der Situation der Frauen gerecht.