Das „leise“ Leiden der Mädchen muss endlich ein Ende haben

2. Internationaler Weltmädchentag

Portrait Josefine Paul

Der Internationale Weltmädchentag jährt sich heute zum zweiten Mal und fordert Politik und Gesellschaft dazu auf, den Blick auf die besondere Lebenssituation von Mädchen auf der ganzen Welt zu richten. Gerade in Entwicklungsländern kämpfen Mädchen mit strukturellen Diskriminierungen, die sie in ihrer Entwicklung hemmen und gravierende Folgen für ihr weiteres Leben haben. Internationale Solidarität und gezielte Hilfe, die auf die besonderen Lebenslagen von Mädchen zugeschnitten ist,  ist gefragt, damit  Mädchen überall auf der Welt gesund und selbstbestimmt aufwachsen und die Chance auf ein gutes Leben erhalten.  
Doch zu kurz gegriffen wäre es, den Blick nur in die Ferne zu richten, ohne gleichzeitig auch auf die spezifischen Probleme von Mädchen in Deutschland aufmerksam zu machen. Auch bei uns werden Mädchen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Diese Entwicklung aber legt den Grundstein für ihr gesamtes weiteres Leben. Dabei wiegt besonders schwer, dass in Zeiten der Individualisierung alles erreichbar zu sein scheint – persönlicher Erfolg in Schule, Ausbildung und Beruf sowie  ein erfülltes Leben mit Beziehung und Familie. Viele Mädchen fühlen sich von diesen vielschichtigen Erwartungen überfordert. Unterschiede aufgrund des Geschlechts werden in der modernen Kommunikationsgesellschaft scheinbarnegiert- verschwunden sind sie nicht.  
Weiterhin existieren tradierte Rollen- und Geschlechterzuschreibungen. Sie bedingen eine mädchenspezifische Sozialisation, die letztlich unsichtbare Hürden schafft. Viele Mädchen fügen sich dem Diktat von Gesellschaft, Medien und Politik darüber, wie sie zu sein haben: Immer süß und lieb – nie laut und durchsetzungsstark. Die Folgen sind das „leise“ Leiden. Mädchen sind in weit größerem Umfang als ihre männlichen Altersgenossen von psychischer und physischer Gewalt betroffen. Sie selbst richten Aggressionen seltener nach außen – weit häufiger gegen sich selbst und leiden doppelt so häufiger an Depressionen wie Jungen. Es gilt an dieser Stelle Maßnahmen zu identifizieren, die Mädchen in ihrer individuellen und freien Persönlichkeitsentwicklung bestärken.
Hierzu bedarf es vor allem auch einer geschlechtersensiblen Jugendarbeit. „Kein Mädchen ist gleich“ muss das Motto der sozialpädagogischen Unterstützung sein. Mädchen brauchen Räume, um sich entwickeln, ausprobieren und eigene Fähigkeiten kennenlernen zu können. Sie wollen teilhaben und ihre Lebenswelt selber aktiv mitgestalten. Dazu ist es nicht zuletzt wichtig, Aspekte einer geschlechtersensiblen Jugendarbeit stärker in der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften zu  verankern. Dabei geht es auch darum, Mädchen in ihrer Unterschiedlichkeit und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen wahrzunehmen.  
Mädchen haben ein besonderes Entwicklungspotenzial. Die GRÜNE Landtagsfraktion steht für eine eigenständige Mädchenpolitik, die Mädchen bei der Entdeckung ihrer eigenen Möglichkeiten bestärkt. Wir wollen Potentiale heben, anstatt sie unter überholten Rollenbildern zu begraben. Noch immer ist das Berufswahlverhalten von Mädchen und jungen Frauen auf bestimmte Felder verengt. Es bedarf weiterer Angebote, die Mädchen Berufswahlmöglichkeiten jenseits von geschlechterspezifischen Zuschreibungen aufzeigen und sie darin bestärken, eine Karriereplanung einzuschlagen, die ihren individuellen Fähigkeiten entspricht.  

Politik und Gesellschaft stehen aber auch in der Verantwortung, Mädchen vor physischer, psychischer oder struktureller Gewalt zu schützen. Aus diesem Grund ist die Erarbeitung des Landesaktionsplans gegen Gewalt an Frauen und Mädchen durch die Landesregierung NRW ein wichtiger und notwendiger Schritt, den wir gemeinsam mit den Expertinnen und Experten gehen werden.