Sportverbände müssen sich bei Menschenrechten klar positionieren

Josefine Paul meint:

Portrait Josefine Paul

Sport ist auch immer ein Politikum, immerhin treffen bei internationalen Sportgroßveranstaltungen unterschiedliche Nationalteams aufeinander und die Gastgeberländer solcher Großereignisse nutzen diese seit jeher, um sich selbst in einem positiven Licht zu präsentieren. Doch gibt es auch immer wieder Fragen nach der politischen Eignung der Gastgeberländer. Ob die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking, die Fußballeuropameisterschaft der Männer 2012 in der Ukraine oder eben aktuell die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Moskau, stets wurde zurecht kritisch über die aktuelle politische Situation in dem jeweiligen Land diskutiert. Einzig die nationalen und internationalen Sportorganisationen lassen sich von solchen Debatten nicht beirren. The Show must go on!   
Immer lauter werden die Forderungen nach Menschenrechtskriterien bei der Vergabe von Sportgroßereignissen. Und das ist auch richtig so! Länder, die eklatant gegen die Menschenrechte verstoßen, können nicht Gastgeber weltweiter Sportfeste sein. Wenn nötig, muss über alternative Austragungsorte nachgedacht werden. Doch ist auch die Politik gefordert, wenn es darum geht, den Menschenrechten im Sport zu mehr Durchsetzung zu verhelfen. Sportförderung und die Durchführung großer Sportereignisse werden zum größten Teil aus öffentlichen Geldern finanziert. Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Sportverbänden beschränken sich aber allzu oft rein auf Medaillen- und Erfolgsaussichten. Ausgeklammert bleibt die gesellschaftliche Verantwortung, die der Sport als zivilgesellschaftliche Massenbewegung gleichermaßen trägt. Es ist an der Zeit, dass die Sportpolitik deutlich macht, dass öffentliche Förderung auch an die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung gekoppelt ist – auch und gerade, wenn dies politisch vielleicht unangenehm sein mag. Sportverbände und Sportpolitik sind für den Schutz aller AthletInnen, FunktionäreInnen und Fans verantwortlich und sie sind dafür verantwortlich, dass Sportveranstaltungen für alle zugänglich sind.  

Stumme AthletInnen erwünscht

Das im Juni von der russischen Staatsduma verabschiedete Gesetz gegen „Homopropaganda“ verbietet öffentliche Äußerungen oder die öffentliche Zurschaustellung von LSBTTI-Lebensweisen. Der öffentliche Protest ist groß, doch die internationalen Sportorganisationen ficht das nicht an. Denn kaum ist der Leichtathletik-Zirkus abgezogen, bereitet sich Russland bereits auf die nächsten sportlichen Großereignisse vor. Im Februar 2014 finden in Sotchi die Olympischen Winterspiele statt und 2018 ist Russland Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft der Männer.
Mit Blick auf Sotchi 2014 hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) bereits höchst vorsorglich allen SportlerInnen mit Ausschluss gedroht, die bei den Wettkämpfen in irgendeiner Weise auf die Situation von LSBTTI aufmerksam machen wollen. Nicht als Sanktion, wie das IOC betont, sondern zum Schutz der AthletInnen vor Vereinnahmung. Vergeblich wartet man allerdings darauf, dass das IOC sich ähnlich vehement zum Schutz der Menschenrechte einsetzt. Kein Wort zur rechtswidrigen Verfolgung von LSBTTI in Russland, denn immerhin hat Russland die europäische Menschenrechtscharta unterzeichnet, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität verbietet. 
Und auch vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hört man keine klare Positionierung zu Menschenrechtsfragen. Ausgeklammert blieb dieser Aspekt bislang auch in der Bewerbung von DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach für das Amt des IOCPräsidenten, das in diesem Herbst neu gewählt wird. 
Und trotzdem: Ein Boykott der Olympischen Spiele im nächsten Jahr ist kein ernsthafter Beitrag zur Debatte, sondern zeigt einmal mehr, wie hilflos Politik und Zivilgesellschaft nicht nur dem Treiben Russlands gegenübersteht, sondern auch, wie sehr man sich von der Dickfälligkeit der großen Sportverbände einschüchtern lässt.