Neben den verstörenden Bildern aus Istanbul müssen wir aber auf dem Schirm haben, dass sich die Türkei an einem wichtigen Wendepunkt befindet. Zum einen soll die alte Militärverfassung aus den 80er Jahren durch eine zivile Verfassung ersetzt werden, zum anderen steht die Lösung des Konfliktes mit der kurdischen Minderheit an.
Zum Problem gehört neben einem autoritärer werdenden Premierminister auch eine schwache Opposition, die es seit dem Verlust der Macht Anfang 2000 nicht verstanden hat, inhaltliche Alternativen auf demokratische und soziale Fragen zu entwickeln und eher damit beschäftigt war, den alten Zeiten hinterher zu trauern, in denen Begriffe wie „Bergtürken“ für die kurdische Minderheit salonfähig waren.
Die Demonstrationen in Istanbul haben zudem gezeigt, dass es eine wachsende Gruppe von Menschen gibt, die sich bisher in keinem politischen Lager verorten lassen und die dem traditionellen Bild vom starken Führer der Nation den Wunsch nach mehr Basisdemokratie und Mitbestimmung gerade bei Entscheidungen gegenüberstellen, die ihren Lebensraum betreffen.
Diese Gruppe wird die jetzige, aber auch jede künftige Regierung in der Türkei nicht mehr ignorieren können, womöglich sogar als eigenständige politische Kraft, die im jetzigen politischen System für Bewegung sorgen könnte.
Für mich steht gerade jetzt fest, dass wir als EuropäerInnen die Türkei nicht länger als das ungeliebte Stiefkind behandeln dürfen, welches lediglich für den Handel und zur Sicherung der EU-Außengrenzen gut ist. Darum müssen die zuletzt stockenden Beitrittsverhandlungen unverzüglich und ernsthaft wieder aufgenommen werden.
Aufgrund der Aktualität: Fortsetzung folgt.