I. Ausgangslage
Die Gewerbesteuer gehört zu einer der Haupteinnahmequellen der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Der durchschnittliche Hebesatz unter den NRW-Kommunen liegt bei rund 450%, der Höchstsatz bei 700%. Gleichzeitig gibt es einzelne Kommunen in NRW, deren Hebesätze mit unter 300% (derzeit zwei Kommunen) sehr deutlich unter diesem Durchschnittssatz liegen. Dabei ist auffällig, dass ausgerechnet in diesen „Gewerbesteueroasen“ trotz des niedrigen Hebesatzes, seit dessen Einführung ein besonders hohes Gewerbesteueraufkommen im Vergleich zu den Nachbarkommunen erzielt wird.
Diese Form des Gewerbesteuerdumpings, das in wenigen NRW-Kommunen praktiziert wird, ist nicht nur unsolidarisch gegenüber Nachbarkommunen, es fördert auch reine Briefkasten-Firmensitze. Im Internet werben Dienstleister öffentlich dafür, von Adressen in den betroffenen Kommunen Post an den eigentlichen Firmensitz nachsenden zu lassen und das Telefon um-zuleiten1. Bundesweit, aber insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen, liegt eine Verlagerung von erklärten Gewinnen in sogenannte Gewerbesteueroasen nahe. Schätzungsweise entgehen nach Berechnungen des Netzwerks Steuergerechtigkeit der öffentlichen Hand deutschlandweit hierdurch Steuereinnahmen in Milliardenhöhe2. Daher ist es notwendig, derartigen Wettbewerbsstrategien entgegenzutreten, die das Ziel verfolgen, in Gewerbesteueroasen Gewinne ortsfremder Unternehmen zu konzentrieren, ohne dass diese den operativen Sitz ihres Unternehmens tatsächlich verlagern.
Vor diesem Hintergrund hat die Zukunftskoalition aus CDU und Grünen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den bestehenden wenigen Gewerbesteueroasen im Land entgegenzutreten und deren Praxis durch geeignete Maßnahmen einzuschränken. Die Koalition steht hierbei an der Seite der großen Mehrheit unserer Kommunen, die bei der Festlegung ihres Gewerbesteu-erhebesatzes mit Augenmaß vorgehen.
Insbesondere solche Kommunen, die sich auf einem Konsolidierungspfad befinden und dabei notwendigerweise ihre Hebesätze anheben mussten, sind auf regulative Maßnahmen des Landes angewiesen, die sie vor einem aggressiven Steuerwettbewerb und Entzug von Steuerkraft durch Gewerbesteueroasen schützen.
Neben landesrechtlichen Spielräumen sind zu diesem Zweck auch bundesrechtliche Rahmenbedingungen anzupassen. Ein bundesweiter Mindesthebesatz für die Gewerbesteuer wurde im Jahr 2010 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Der derzeitige Mindesthebesatz in Höhe von 200%, was weniger als der Hälfte des durchschnittlichen Hebesatzes der NRW-Kommunen entspricht, reicht jedoch augenscheinlich nicht aus, um einen Steuersenkungswettlauf einzelner Kommunen zu unterbinden. Eine bundesweite Anhebung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes nach § 16 Absatz 4 Satz 2 Gewerbesteuergesetz ist daher dringend angezeigt. CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem jüngst veröffentlichten Koalitionsvertrag auf Bundeseben dazu verständigt, den Mindesthebesatz von 200% auf 280% anzuheben und „alle zur Verfügung stehenden administrativen Maßnahmen [zu] ergreifen, um derartige[n] Scheinsitzverlegungen in Gewerbesteuer-Oasen wirksam zu begegnen“3.
II. Beschlussfassung:
Der Landtag stellt fest:
- Die Gewerbesteuer ist eine der wichtigsten Finanzierungsquellen der Kommunen in NRW und damit zentrale Voraussetzung für die Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge.
- Die kommunale Hebesatzautonomie kann und soll zu einem produktiven Standortwettbewerb beitragen – sowohl bundesweit als auch in Nordrhein-Westfalen.
- Der Großteil der nordrhein-westfälischen Kommunen ist an einem fairen Standortwettbewerb untereinander interessiert und setzt seine Gewerbesteuerhebesätze verantwortungsvoll und mit Augenmaß fest. Das Land Nordrhein-Westfalen steht fest an der Seite dieser Kommunen.
- Gewerbesteueroasen, die mit einem aggressiven Steuerwettbewerb der kommunalen Familie insgesamt und vor allem ihren Nachbargemeinden Steuersubstrat entziehen, gefährden die kommunale Finanzautonomie in einer nicht ausgewogenen Art und Weise. Daher ist dieser Praxis entschieden entgegenzutreten.
- Der bestmögliche Schritt, um Gewerbesteueroasen zu verhindern und zu einem produktiven Standortwettbewerb zurückzukehren, führt über die Anhebung des bundesweit einheitlichen Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich im Sinne des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD des Bundes der 21. Legislaturperiode für eine Anhebung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes nach § 16 Absatz 4 Satz 2 Gewerbesteuergesetz von 200 Prozent auf 280 Prozent einzusetzen.
- die Bundesregierung zu einer Umsetzung der Anhebung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes aufzufordern.
3 https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag2025_bf.pdf