Sven Wolf / Stefan Engstfeld: „Der Tod von Amad A. wäre vermeidbar gewesen – Sondervotum legt Fehlerketten schonungslos offen“

Gemeinsame Pressemitteilung der Fraktionen von GRÜNEN und SPD

Amad A. wurde unschuldig inhaftiert. Ihm wurden fälschlicherweise die Haftbefehle eines gesuchten Straftäters zugeordnet – einem Mann mit anderem Namen, anderer Nationalität und anderer Hautfarbe. Am 17. September 2018 kam es in seiner Zelle in der JVA Kleve zu einem Brand. An den Folgen seiner Verletzungen starb der erst 26-jährige Amad A. schließlich am 29. September 2018.

Um die Umstände der Verwechslung, der Inhaftierung und des Todes von Amad A. sowie des Umgangs mit seiner Familie zu untersuchen, hat der Landtag auf Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen im November 2018 den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Kleve“ (PUA III) eingesetzt. Nun hat der Vorsitzende seinen Abschlussbericht vorgelegt. Die Fraktionen von SPD und GRÜNEN distanzieren sich von diesem Bericht und haben ihre Erkenntnisse in einem gemeinsamem Sondervotum eingereicht.

Hierzu erklären Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender und Obmann der SPD-Fraktion, und Stefan Engstfeld, Obmann der GRÜNEN-Fraktion im PUA III:

Sven Wolf: „Amad A. floh aus Angst vor Krieg und Folter. Er kam nach Deutschland, weil er Schutz und Sicherheit suchte. Hier wurde er schließlich unrechtmäßig inhaftiert – weil er mit einem Mann verwechselt wurde, der absolut nichts mit ihm gemeinsam hat. Grund für die Unrechtshaft war ein unvergleichliches kollektives und systematisches Versagen der Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörden in NRW.

Es wäre möglich gewesen, die Fehlerkette zu beenden. Mehr als 20 Beamtinnen und Beamte des Polizei- und Justizvollzugsdienstes wären in der Lage gewesen, die Unrechtshaft von Amad A. zu erkennen. Doch das Null-Toleranz-Mantra des CDU-geführten Innenministeriums hat den Blick auf das zentrale Prinzip des Rechtsstaats verdeckt. Niemals wieder darf der Grundsatz ‚Zweifel für den Beschuldigten‘ vergessen werden. Für Amad A., seine Familie und die Angehörigen kommt dieser Grundsatz leider zu spät.“

Stefan Engstfeld: „Die Landesregierung hat nicht umfassend an der Aufklärung mitgearbeitet und keine uneingeschränkte Verantwortung für die erschütternden und traurigen Umstände der Inhaftierung und des Todes von Amad A. übernommen. Diese wäre aber nötig gewesen, denn der Vorgang wird als unfassbares und blamables Rechtsstaatsversagen in die Geschichte unseres Landes eingehen. Wir distanzieren uns ausdrücklich von den tendenziösen Bewertungen des Ausschuss-Vorsitzenden in seinem Abschlussbericht, der mit der Mehrheit von CDU, FDP und AfD beschlossen wurde. Dieser ist ausschließlich darauf konzentriert, Schaden von den CDU-Ministern Biesenbach und Reul fernzuhalten. Dabei haben wir gemeinsam eine nicht enden wollende Fehlerkette aufgedeckt, die sich selbst bei der Aufarbeitung nach seinem tragischen Tod fortsetzte. Diese benennen wir mit unserem Sondervotum und setzen dem systematischen Versagen Handlungsempfehlungen entgegen.“

 

Nachfolgend der Link zum Abschlussbericht des PUA III (Kleve). Das Sondervotum von SPD und GRÜNEN finden Sie ab Seite 1136: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-16940.pdf