Klimawandel ernst nehmen – Kohleausstieg jetzt! – Gesundheitsschutz vor Lobby-Interessen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

I. Ausgangslage

Als Donald Trump, 45. Präsident der USA, am 01.06.2017 verkündete, dass sein Land aus dem Pariser Klimaabkommen wieder austreten würde, war die Entrüstung auch in Deutschland groß.
Der IPCC-Bericht von 2007, der den aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung ausgewertet und zusammengefasst hat, kommt zu dem Ergebnis, dass der rasante Klimawandel durch den Menschen zum überwiegenden Teil versuracht wurde. Während dies in den USA ein signifikanter Teil der Politiker anzweifelt, wurden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse bisher in Deutschland von keiner politischen Partei angezweifelt. Doch auch hierzulande gibt es in einigen politischen Strömungen die erschreckende Tendenz, nicht wissenschaftliche Erkenntnisse für politische Aussagen und Handlungen als Grundlage politischen Handelns zu verwenden, sondern eigene Thesen und Theorien aufzustellen, die auf keiner soliden wissenschaftlicher Forschung beruhen. So stellte sich heraus, dass auch in der CDU, der Partei deren Vorsitzende die Bundeskanzlerin ist, Politiker agieren, die die Klimakrise nicht ernst nehmen und statt weltweitem Klimaschutz mögliche Konsequenzen lieber abwarten wollen.
Dabei ist bereits heute klar, dass obwohl Deutschland dem Pariser Abkommen beigetreten ist und international gerne als das Industrieland mit Klimaschutz auftritt, Deutschland das selbstgesteckte Ziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu reduzieren, nicht erreichen wird. Für die Erreichung dieses deutschen Ziels ist es entscheidend, dass Nordrhein-Westfalen seine Klimaschutzziele erreicht. Schließlich werden hier über 30 Prozent der deutschen Treibhausgase freisetzt. Gleichzeitig zeigte eine Studie im Auftrag des WWF, die Anfang Juli 2017 veröffentlicht wurde, dass NRW keinen Beitrag zu den deutschen Klimazielen für 2030 leisten wird, sollte der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag in NRW wirklich umgesetzt werden.
Energie (Strom und Wärme), Verkehr, Industrie und Wirtschaft sowie die Landwirtschaft sind in unterschiedlichem Umfang und aus unterschiedlichen Gründen für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich. Dabei war der Energiesektor laut Umweltbundesamt mit einem Anteil von fast 85 Prozent an den deutschen Treibhausgasemissionen der Sektor mit dem größten Treibhausgasausstoß, gefolgt von Verkehrssektor mit ca. 18 Prozent. Dabei stammen laut einer WWF-Studie allein 10 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus der Braunkohlenverstromung in Nordrhein-Westfalen. Damit wird auch klar, dass eine wirkliche Reduzierung der Treibhausgase und wirklicher Klimaschutz ohne einen Kohleausstieg nicht möglich ist. Mit einem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Umsetzung des geplanten Netzausbaus sowie der Einführung von Speichertechnologien und Lastmanagement wäre es jedoch ohne Probleme möglich, aus der Kohleverstromung auszusteigen. Die deutschlandweit 20 ineffizientesten und klimaschädlichsten Kohlekraftwerke könnten schon heute auf Grund der Überkapazitäten im Markt vom Netz gehen.
Durch die Schaffung eines Kohlekonsens könnte, ähnlich wie beim ersten Atomausstieg, gemeinsam mit den Unternehmen, den Gewerkschaften und den Betroffenen einen sozialverträglichen Fahrplan für einen Kohleausstieg entwickelt werden, der die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, des Unternehmens, der Region aber auch des Klimaschutzes mit berücksichtigt. Zudem würden festgelegte Restlaufzeiten die Planungssicherheit für die Unternehmen und auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärken.
Gleichzeitig erhielten die betroffenen Kommunen und Regionen bei einer solchen Vorgehensweise Planungssicherheit. Denn auch sie benötigen frühzeitig Unterstützung um den Strukturwandel aktiv mitzugestalten und einen Strukturbruch zu verhindern. Zukunftsperspektiven müssen aufgezeigt, Gewerbegebiete, z.B. an alten Kraftwerksstandorten, entwickelt und moderne Unternehmen angesiedelt werden.
Zudem brauchen die Kommunen und die durch den Bergbaubetroffenen die Gewissheit, dass die Folge- und Ewigkeitslasten des (Braun-)Kohleabbaus finanziell abgesichert sind, wie dies für die Steinkohle durch die RAG Stiftung bereits geschehen ist. Denn zum einen ist unklar, welche Folgekosten in die Berechnungen der Rückstellungen von RWE für die Nach-Bergbau-Zeit eingeflossen sind. Zum anderen gibt es bisher keine umfassenden und tiefergehenden Untersuchungen zur Frage, welche Folgekosten und Ewigkeitslasten nach Ende des Bergbaus zu erwarten sind, insbesondere deshalb, weil RWE die dafür notwendigen Daten unter Verschluss hält. Es ist deshalb richtig, dass das Landesamt für Natur und Umweltschutzuntersucht, welche Auswirkungen der Wiederanstieg des Grundwassers im Rheinischen Revier vermutlich haben wird. Darüber hinaus ist es notwendig, dass durch ein unabhängiges Kostengutachten, ähnlich dem KPMG-Gutachten in der Steinkohle, die Folgekosten und Ewigkeitslasten unabhängig und umfassend beziffert werden. Damit am Ende nicht der Steuerzahler die Zeche zahlen muss, muss dann basierend auf den bezifferten Kosten eine Lösung, ähnlich der RAG Stiftung, gefunden werden, durch die die Folgekosten und Ewigkeitslasten finanziell abgesichert werden.
Noch ist Zeit, den Wandel in unserem Energiesystem und den Strukturwandel in den betroffenen Regionen zu gestalten. Je mehr Treibhausgase emittiert werden, desto geringer wird jedoch die Möglichkeit durch einen gestalteten Wandel die Klimaschutzziele zu erreichen und die fatalen Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.
Kohlekraftwerke verstärken mit ihren Emissionen nicht nur den Treibhauseffekt, sie sind auch ein Hauptverursacher von Quecksilberemissionen. Von Quecksilber gehen hohe Gesundheitsrisiken aus, vor allem für Schwangere und Kinder. 30 Prozent der deutschen Gesamtquecksilberbelastung stammen aus Industrieanlagen in NRW. Braunkohlekraftwerke emittieren mehr als die Hälfte dieser NRW-Fracht, Steinkohlekraftwerke 23 Prozent. Im vergangen April beschloss die EU-Kommission geringere Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stoffe wie Quecksilber und Stickoxid aus Kraftwerke in – zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger. Ministerpräsident Laschet wandte sich jedoch gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der deutschen Braunkohle-Länder Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Zypries. Darin fordern sie die Ministerin auf, gegen neue EU-Grenzwerte für die Kohlekraftwerke zu klagen. Sie stützen sich auf ein Auftragsgutachten der Braunkohle-Industrie. So empfiehlt das vom Braunkohlenverband DEBRIV in Auftrag gegebene Gutachten zwar eine Klage gegen die EU, allerdings anhand rein formaler Argumente, mit den neuen Grenzwerten für Quecksilber und Stickoxid befasst es sich nicht.
Die Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxid bezeichnet Ministerpräsident Laschet als „unverhältnismäßig“. Ganz im Sinne der Braunkohle-Lobby. Dabei ist im Jahr 2016 ein Gutachten „Quecksilberminderungsstrategie für Nordrhein-Westfalen“ des NRW-Umweltministeriums zu dem Ergebnis gekommen, dass mit relativ einfachen und günstigen Mitteln die Quecksilberemission um 80 bis 85 Prozent reduziert werden kann. Die Kosten würden den Strompreis um weniger als ein Prozent erhöhen. Gerade aktuell im Lichte des Diesel-Skandals sollten Gesundheitsrisiken besonders vom Ministerpräsidenten ernster genommen und nicht zugunsten von Lobby-Interessen heruntergeredet werden. Wer fordert, dass Grenzwerte, die zum Schutz unserer Gesundheit eingeführt wurden, hochgesetzt werden, sei es beim Diesel oder bei der Kohleverstromung, der spielt besonders mit der Gesundheit der schwächsten in unserer Gesellschaft.
Dabei bieten Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz sogar wirtschaftliche Vorteile durch Impulse für innovative und neue Entwicklungen und die Gestaltung von neuen Märkten. Die Kohleverstromung ist ein Auslaufmodell. Aktive Klimaschutzpolitik und der Ausbau der Erneuerbaren Energien sorgen für Arbeitsplätze mit Zukunft. Schon heute gehört die Umweltwirtschaft zu den bedeutendsten Branchen in NRW. Dies gilt es weiter zu fördern, damit Nordrhein-Westfalen ein erfolgreicher Industriestandort bleibt.

II. Der Landtag stellt fest:

Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen haben einen erheblichen Anteil am deutschen Ausstoß von Quecksilber und Stickoxid. Diese Emissionen sind gesundheitsschädlich und müssen im Sinne des Gesundheitsschutzes reduziert werden.
Die von der EU-Kommission beschlossenen Grenzwerte sind als Mindestanforderung an Gesundheitsschutz angemessen und einzuhalten.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
Sich klar zum Pariser Klimaabkommen und zu den deutschen Klimaschutzzielen zu bekennen.
Sich für die Einhaltung der EU-Grenzwerte von Stickoxid und Quecksilber einzusetzen und im Rahmen eines Pilotprojektes mit Kraftwerksbetreibern weiter daran zu arbeiten, dass durch den Einsatz neuer Technologien die EU-Grenzwerte weiter herabgesetzt werden.
Maßnahmen zu ergreifen, sodass auch Nordrhein-Westfalen seine Treibhausgasemissionen um mindestens 25 Prozent bis 2020 und mindestens 80 Prozent bis 2050 reduziert und einen Beitrag zu den deutschen Klimaschutzzielen leistet, die seinem Anteil am Aufkommen am deutschen Treibhausgasausstoß entspricht.
Sich auf Bundesebene für Gespräche für einen Kohlekonsens einzusetzen, der folgende Punkte beinhaltet:

  • Die sofortige endgültige Stilllegung der 20 ineffizientesten und klimaschädlichsten Kohlekraftwerke.
  • Einen sozialverträglichen Fahrplan für die Stilllegung aller Kohlekraftwerke und Braunkohletagebaue in Deutschland.
  • Die Folge- und Ewigkeitskosten des Braunkohlenabbaus unabhängig zu ermitteln und Vorsorge für die Finanzierung, z.B. durch eine Stiftung, zu treffen.
  • Den Strukturwandel in den betroffenen Regionen zu unterstützen.
  • Die Erneuerbaren Energien, insbesondere die Windenergie, in NRW weiter auszubauen, und den weiteren Netzausbau in NRW zu unterstützen.