İlayda Bostancıeri: „Der gefährlichste Ort für Frauen ist der eigene Haushalt; die gefährlichste Person ist der Partner oder Expartner“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zum Schutz von Frauen

Portrait Ilayda Bostancieri_klein

Der Antrag

İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Häusliche Gewalt und Femizide sind ein gesamtgesellschaftliches, strukturelles Problem und sind auch in NRW an der Tagesordnung. Die Gewalt zeigt sich durch Bevormundung, Anschreien, Unterdrückung, Drohungen, Schubsen, finanzielle Entmündigung, Schläge, Tritte, An-den-Haaren-Reißen, Demütigungen, Revenge Porn, Vergewaltigung und Stalking und kann sich schlussendlich zur Tötung des Opfers steigern.

Der gefährlichste Ort für Frauen ist der eigene Haushalt; die gefährlichste Person ist der Partner oder Expartner. Jeden Tag versuchen Männer, ihre Partnerinnen oder Expartnerinnen zu töten, und jeden dritten Tag gelingt dies einem von ihnen auch.

Jede dritte Frau in Deutschland ist von sexualisierter und/oder körperlicher Gewalt betroffen. Ein noch größerer Anteil von Frauen erfährt psychische Gewalt. Bei Frauen und Mädchen mit Behinderung liegt die Zahl deutlich höher.

Nicht selten hört man, die betroffene Frau solle ihren gewalttätigen Partner doch einfach verlassen und in eine andere Wohnung ziehen, aber so einfach ist es leider nicht, denn meist hat die Frau durch finanzielle Abhängigkeit nicht die Möglichkeiten, eine eigene Wohnung zu finanzieren, und die psychische Gewalt hat ihr Selbstwertgefühl derart zermürbt, dass sie sich einen solchen Schritt vielleicht nicht mehr zutraut. Solche Strukturen sind nicht so einfach zu durchbrechen.

Die aktuellen Krisen haben vielen Menschen sehr viel abverlangt. Sie haben auch dazu geführt, dass häusliche Gewalt stark zugenommen hat: durch die allgemeine gesellschaftliche Verunsicherung, die harten Lockdowns, durch unsichere Zukunftsperspektiven, durch einen drohenden oder erfolgten Jobverlust, durch das permanente Aufeinanderhocken aller Familienmitglieder. All diese Faktoren haben Konflikte in den eigenen vier Wänden befeuert, die immer öfter gewaltsam eskalieren.

Häusliche Gewalt wird an vielen Stellen als Beziehungsdrama verharmlost und abgetan. Dazu kommt noch, dass Gewalt in der Partnerschaft extrem schambehaftet und ein großes Tabuthema ist. In diesem Bereich gibt es ein sehr großes Dunkelfeld, weil die Taten eben oft nicht angezeigt werden. Es gilt, dieses Dunkelfeld zu beleuchten und aus den Ergebnissen der Dunkelfeldstudie passgenaue Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn wir davon sprechen, dass ein Drittel aller Frauen von Gewalt betroffen ist, können wir davon ausgehen, dass jeder und jede Einzelne von uns betroffene Frauen kennt, aber sehr wahrscheinlich nichts mitbekommt. Daher ist es enorm wichtig, die breite Öffentlichkeit weiter für das Thema zu sensibilisieren, weil das einerseits präventiv wirkt und andererseits Frauen dabei unterstützt, aus gewaltsamen Situationen zu fliehen.

Wenn sich die von Gewalt betroffene Frau nämlich doch entschließen kann, die Gewaltsituation zu verlassen, trifft sie auf hohe Hürden. Oft gibt es für diese Frauen nur ein sehr begrenztes Zeitfenster, um nach Hilfe zu rufen, zum Beispiel weil der Partner kurz zum Kiosk geht und sie nur dann die Gelegenheit hat, im Frauenhaus anzurufen. Ein weiteres knappes Zeitfenster muss genutzt werden, um sie und ihre Kinder zum Schutzplatz zu bringen.

Viel zu oft kann es aber gar nicht so weit kommen, weil die Frauenhäuser bereits voll sind oder weil eine Frau mit Behinderung gar nicht erst untergebracht werden kann. Das ist nicht hinnehmbar. Deswegen möchten wir die Landesregierung beauftragen, die Schutzplätze so schnell wie möglich auszubauen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind und sich in einer akuten und lebensgefährlichen Notlage befinden, müssen Schutz finden. Das ist unser Anspruch, das muss gewährleistet sein, und das hat Deutschland mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der Istanbul-Konvention auch zugesagt.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine sehr gut aufgestellte Frauenhilfeinfrastruktur mit vielen Mitarbeiter*innen, die wertvolle Arbeit leisten. Es ist an uns, sie dabei zu unterstützen, die Gewaltschutzangebote gemeinsam bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und auszubauen. Auch nachhaltige Präventionsarbeit ist enorm wichtig, weil Jungen und Männer durch sie seltener zum Täter werden.

So stehen wir heute hier wie jedes Jahr vor dem 25. November und blicken auf die Lage von Gewalt betroffener Frauen. Unsere Leitlinie ist die Istanbul-Konvention. Die Koalition aus CDU und Grünen hat es sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen vorzubeugen und sie zu bekämpfen sowie Schutzlücken zu identifizieren und zu schließen.

Mit diesem Antrag gehen wir einen großen Schritt in die richtige Richtung. Ich habe großes Vertrauen, dass unsere Ministerin auch in Anbetracht der schwierigen Haushaltslage und der multiplen Krisen ihr Möglichstes tun wird, dieses Ziel zu erreichen. Es ist auch unser gemeinsames Ziel, die Situation von Gewalt betroffener Frauen nachhaltig und langfristig zu verbessern. Daher möchte ich auch bei der Opposition dafür werben, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Vielen Dank, Frau Kollegin İlayda Bostancıeri, und herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

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