Organisierte die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V. (IGMG) in Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung Jugendreisen in die Türkei auch aus NRW heraus?

Kleine Anfrage von Berivan Aymaz und Sigrid Beer

Portrait Berivan Aymaz 2021

Das AKP-Wahl-Koordinationszentrum für das Ausland (AKYSKM) hat die Politik der AKP für die türkische Diaspora und das Auslandstürkentum als eine Fortschreibung der Politik von AKP, Diyanet und dem Amt für Auslandstürken (YTB) der letzten Jahre formuliert. Ziel ist dabei „Bindungen mit dem Mutterland und […] kulturelle Zugehörigkeit zu schützen“ und die „sprachlichen und kulturellen Kenntnisse [der Auslandstürken] zu erweitern“. Murat Kayman schreibt hierzu: „Die AKP sieht in den religiösen Diensten in Deutschland nicht nur und nicht einmal zuvörderst ein seelsorgerisches und gottesdienstliches Angebot, sondern – wie hier deutlich wird – ein Instrument der Sprachvermittlung, der Gestaltung von kollektiver Geschichtswahrnehmung und der identitären Definition von Kultur.“ (Beck, Volker: Der Sinn von Religionspolitik ist Religionsfreiheit. In: Merle, Steffen (Hg.): Zusammen in Vielfalt glauben. Festschrift 200 Jahre Hanauer Union. Berlin: EB-Verlag 2018, S. 115.)
Medienberichten zufolge organisierten mehrere Ortsvereine der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş e.V. (IGMG) in Deutschland über mehrere Jahre hinweg umstrittene Reisen von Jugendlichen in die Türkei. In diesem Rahmen soll auch ein Austausch mit dem islamistischen Prediger N. N. stattgefunden haben. (FOCUS Online, 26.08.2018, https://www.focus.de/panorama/welt/panorama-islamische-vereine-in- deutschland-organisierten-jugendreisen-zu-dschihadisten-imam_id_9476028.html) Auch nordrhein-westfälische IGMG Vereine haben an solchen Jugendreisen der YTB teilgenommen. (Ruhr und Nordruhr: https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=2063957007226427&id=100008364430505; https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=1832567413472751&id=135150369881139; https://www.ytb.gov.tr/yurtdisi-vatandaslar/evliya-celebi-anadolu-kultur-gezileri; http://www.gundem.be/tr/turkiye/almanya-dan-30-ogrenci-turkiye-de)
Auch fanden für diese Zielgruppe in NRW entsprechende Veranstaltungen der YTB mit IGMG Vereinen statt. (https://www.facebook.com/hammpelkumeyupsultancamii/photos/a.488500477950341/140005467012 8246/?type=3&theater)
Darüber hinaus ist dem baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht 2017 eine strukturelle Unterstützung und direkte Einflussnahme der türkischen Regierung auf Bildungsreisen für Jugendliche der IGMG zu entnehmen: „Über das 2010 gegründete Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker („Yurtdisi Türkler ve Akraba Topluluklari Baskanligi“, YTB) nimmt die türkische Regierung Einfluss auf die IGMG in Deutschland, was 2017 z. B. gemeinsam verantwortete Bildungsprojekte zeigten. Auch fördert das YTB Bildungsreisen von Jugendlichen der IGMG in die Türkei, die das Ziel haben, die Bindung der im Ausland lebenden Landsleute an die Türkei zu stärken und sich deren Loyalität zu sichern.“ (Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg: Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2017, Stuttgart, 2018, S.78 f.)
Die IGMG bestreitet selbst die Teilnahme an den Programmen der YTB: „Die YTB fördere Bildungsreisen von Jugendlichen der IGMG in die Türkei, die das Ziel hätten, die Bindung der im Ausland lebenden Landsleute an die Türkei zu stärken. Kritiker fragen, ob nicht auch Moscheegemeinden mit diesem Ziel beeinflusst werden könnten. IGMG-Generalsekretär Altas bestreitet, dass sein Verein die Einladungen der YTB je angenommen habe.“ (Schrörs, Tobias: Der lange Arm der Meinungsfreiheit. FAZ, 23.11.2018)
Die YTB-Unterstützung der IGMG lassen auf eine zunehmende Steuerung der IGMG durch die AKP und den türkischen Staat schließen. Andere Verbände verweisen denn auch auf den mit Fördermaßen der YTB und der Diyanet verbundenen Einflussanspruch des türkischen Staates: „Der türkische Staat biete zwar diverse Unterstützungsmöglichkeiten für türkische Verbände im Ausland an, aber er wolle als Gegenleistung bei den Entscheidungen der betreffenden Verbände „mitreden". Der VIKZ habe aus diesem Grund noch nie auf solche Angebote zurückgegriffen, um sich nicht abhängig vom türkischen Staat zu machen.“ (Bochinger, Christoph: Ergänzendes religionswissenschaftliches Gutachten zur Frage der Anerkennung
–  der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e.V.
–  des SCHURA Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e.V.,
–  des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz
und der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat in der Bundesrepublik Deutschland e.V. als Religionsgemeinschaften im Bundesland Rheinland-Pfalz, 2018, Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, S. 67-68, 70.)
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.           Wie viele Jugendreisen hat die YTB mit IGMG-Jugendlichen ab 2013 bis Januar 2019 durchgeführt?
2.           Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Jugendreisen aus NRW, die über das „Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker“ durchgeführt wurden? (Bitte nach Teilnehmerzahl, Finanzen, Zielland, Gesprächspartner im Zielland, programmatischem Ablauf und Datum auflisten.) 
3.           Welche Organisationen aus NRW koordinierten diese Reisen mit Stellen des türkischen Staates, wie zum Beispiel mit dem „Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker“?
4.           Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über bestehende Verbindungen zwischen dem „Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker“ mit der IGMG in Nordrhein-Westfalen?
5.           Wie beurteilt die Landesregierung – vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus dem baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht 2017 – diese Jugendreisen?