Corona-Notbremse endlich landesweit ziehen – dritte Welle brechen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022
Portrait Josefine Paul
Mehrdad Mostofizadeh

I. Ausgangslage

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet für den heutigen Tag, den 20. April 2021, eine Wocheninzidenz von bundesweit Neuinfektionen 162,4 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, die NRW Inzidenz liegt bei 168,5.

Spätestens seit dem 15. März warnen die Expertinnen und Experten eindringlich davor, dass die Intensivstationen durch die zusätzlichen Patientinnen und Patienten endgültig an ihre Belastungsgrenzen stoßen werden Corona in Deutschland : Intensivmediziner fordern sofortigen Lockdown | tagesschau.de. Diese Prognose ist nun eingetreten. Die Auslastung der Intensivbetten in Nordrhein-Westfalen ist an ihre Grenzen gekommen. Es drohen Triagen. Davon sind alle Patientinnen und Patienten betroffen, die auf den Intensivstationen liegen oder wegen der Auslastung der Intensivstationen nicht rechtzeitig behandelt werden können.
Die Zahl der Neuinfektionen steigt momentan ungebremst an. Wegen unzureichender Schutzmaßnahmen ist davon auszugehen, dass die Spitze der Entwicklung dieser dritten Welle noch nicht erreicht ist. Insbesondere die Mutation B.1.1.7 macht das Infektionsgeschehen sehr viel dynamischer und erhöht das Risiko einer Infektion mit Covid-19 in allen Altersgruppen.Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet für den heutigen Tag, den 20. April 2021, eine Wocheninzidenz von bundesweit Neuinfektionen 162,4 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, die NRW Inzidenz liegt bei 168,5.

Dieser dramatische Zustand macht deutlich, dass ein sofortiges Handeln mehr als überfällig ist. Dies wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Patientinnen und Patienten, die jetzt auf der Intensivstation liegen, sich in der Regel vor mindestens zwei bis drei Wochen infiziert haben und selbst einschneidende Maßnahmen erst in zwei Wochen einen durchschlagenden Effekt haben können. In der aktuellen Situation ist deshalb dringend ein schnelles Handeln notwendig, um dieser Entwicklung endlich entgegenzuwirken und um Menschenleben zu retten sowie gesundheitliche Langzeitfolgen zu verhindern.

Am Ostermontag, den 5. April verkündete Ministerpräsident Laschet, dass nun schnellstmöglich ein so genannter bundesweiter Brücken-Lockdown hermüsse, um die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern. Anschließend passierte jedoch auf Landesebene durch die Landesregierung nichts, was das Virus bremsen könnte. Die Landesregierung hat die Aufgabe und nach § 32 Infektionsschutzgesetz die Befugnisse, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Die Landesregierung hätte insbesondere die Corona-Notbremse, die am 22. März in der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten (MPK) mit der Kanzlerin beschlossen worden ist, umsetzen müssen. Danach sollten ab einer Inzidenz von 100 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in sieben Tagen die Öffnungen, die ab Anfang März galten, wieder zurückgenommen werden. Anstatt die vereinbarten Maßnahmen konsequent umzusetzen, beschloss die Regierung Laschet eine Umgehung der Corona-Notbremse und schob die Verantwortung an Kommunen ab. Die von der Landesregierung eingeführte Testoption, mit der das Einkaufen in Geschäften durch Click-and-Meet trotz hoher Inzidenzwerte weiterhin möglich sein soll, hat die Kommunen in einen Öffnungswettbewerb getrieben.

In den letzten Tagen haben einige Kommunen in NRW auf die Verweigerungshaltung der Landesregierung reagiert und eigenständig weitergehende Maßnahmen angesichts der hohen Inzidenzwerte eingeleitet. Die Kommunen bekämpfen seit Beginn der Pandemie vor mehr als einem Jahr an vorderster Stelle das Virus. Oftmals sind sie dabei von der Landesregierung allein gelassen worden. In der nun zugespitzten Phase der Pandemie muss die Landesregierung endlich gemeinsam mit den Kommunen die Krisenbewältigung angehen.

Um bestmöglich durch die Pandemie zu kommen, muss nun endlich alles notwendige daran gesetzt werden, die Inzidenzzahlen zu senken. Nicht zielführende Maßnahmen und Beschränkungen müssen angepasst werden.

II. Die Coronaschutz-Verordnung muss schnell überarbeitet werden.

Die Bundesregierung hat am 13. April einen Gesetzentwurf (Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite) beschlossen und in den Deutschen Bundestag eingebracht. Eine darin enthaltene Maßnahme ist die Corona-Notbremse, die in den MPK-Beschlüssen vom 22. März festgeschrieben wurde. Durch die Formulierung im Gesetz würde die Landesregierung daran gehindert werden, die Regelung zu umgehen. Weil die Landesregierung sich bis zum heutigen Tag weigert, die Corona-Notbremse wie gedacht umzusetzen, ist die gesetzliche Festschreibung auf Bundesebene notwendig.

Solange die bundesgesetzliche Regelung noch nicht geändert ist, muss die Landesregierung entsprechende Maßnahmen umsetzen. Denn die ansteigenden Zahlen auf den Intensivstationen machen ein sofortiges Handeln notwendig. Dies hatte auch Ministerpräsident Laschet seit Ostermontag immer wieder gefordert. Es blieb jedoch nur bei der Forderung. Dabei hätte die Landesregierung schon längst wirksamere Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen erlassen können, indem die CoronaSchVO angepasst wird.

Das Land Nordrhein-Westfalen könnte mit einem schnellen Handeln Zeit gewinnen und nicht weitere Zeit verlieren. Es würde dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vorgreifen. Dieser Zeitgewinn ist aufgrund der Belastungen auf den Intensivstationen dringend geboten.

Seit der letzten Reform des Infektionsschutz- und Befugnisgesetzes (IfSBG NRW) Anfang dieses Jahres kann der Landtag gemäß § 2 Absatz 6 IfSBG NRW ausdrücklich von der Landesregierung verlangen, die CoronaSchVO zu ändern. Dies sollte an folgenden Punkten erfolgen, um den Infektionsschutz zu erhöhen:

  1. Testpflicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgeben

Während Schülerinnen und Schüler zur Durchführung von Tests verpflichtet worden sind, bleibt es in der Arbeitswelt momentan nur bei einer Angebotspflicht von Tests durch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Dies ist in der Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geregelt. Dies ist in der aktuellen Lage nicht weitgehend genug. Es muss darum gehen, durch Tests Infektionsketten frühestmöglich zu unterbrechen. Deshalb bedarf es, wie in der Schule für die Schülerinnen und Schüler, ebenso eine Testpflicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten. Neben der Testpflicht muss weiterhin gewährleistet werden, dass am Arbeitsplatz die allgemeinen Infektionsschutzregeln eingehalten werden.

Die Regelung für die Arbeitswelt wird nun im neuen § 12a geregelt. Damit verbunden ist eine inhaltliche Verschiebung der Regeln für Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nach § 1 Absatz 4 in den neuen § 12a.

Neben der Testpflicht ist weiterhin das Ziel, dass möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten. Eine Verschärfung in der Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist deshalb notwendig.

  1. Die Option des Freitestens streichen

Als Auslöser für das aktuelle Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene zum Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt auch die fehlende Umsetzung der MPK-Beschlüsse vom 22. März in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung hat bis heute diesen Fehler nicht korrigiert. Es besteht immer noch die Option des Freitestens in Kreisen und kreisfreien Städten nach § 16 Absatz 2 IfSBG NRW, weshalb die Corona-Notbremse immer noch ausgehebelt ist. Die Option muss endlich entfallen, um die Mobilität und Kontaktmöglichkeiten weiter zu reduzieren.

  1. Start der Modellregionen verschieben

Die Landesregierung hat nach der Rücknahme der sogenannten Osterruhe vorschnell verkündet, nach den Osterferien in Modellregionen Öffnungsstrategien zu testen. Das Ansinnen von Modellprojekten zur Verbesserung der digitalen Nachverfolgung und der digitalen Testdokumentation ist grundsätzlich richtig, wenn es gut vorbereitet und wissenschaftlich begleitet wird. Aufgrund der hohen Inzidenzzahlen und der fehlende Vorbereitungszeit für die ausgewählten Kommunen gemeinsam mit der wissenschaftlichen Begleitung muss der Start der Modellregionen auf einen Zeitpunkt verschoben werden, wenn der Inzidenzwert in Nordrhein-Westfalen stabil unter 50 liegt. Wann der Wert erreicht wird, hängt von der Effektivität der von der Landesregierung beschlossenen Maßnahmen ab. Die Zwischenzeit muss dabei zur Vorbereitung der Modellregionen genutzt werden.

  1. Im Freien mehr ermöglichen und gleichzeitig die Bevölkerung auf die Gefahr vor Ansteckungen bei ungeschützte Kontakten in Innenräumen aufklären

Die Landesregierung muss bei der strategischen Ausrichtung ihrer Pandemiebekämpfung die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigen und in effektive Maßnahmen umsetzen. Dies gilt unter anderem für die neuesten Erkenntnisse der Aerosolforschung, die die Ansteckungsgefahr im Freien wesentlich geringer einstuft, als in Innenräumen ( 17532-offener_brief_aerosolwissenschaftler.pdf (dpaq.de)). Damit diese Erkenntnisse im weiteren Verlauf der Pandemie berücksichtigt werden können, muss die CoronaSchVO angepasst werden. Bei den beschränkenden Maßnahmen muss zwischen Innenräumen und dem Aufenthalt im Freien differenziert werden. Zoos, Tierparks- und Kletterparks und ähnliche Bereiche müssen daher geöffnet werden, um Räume zu schaffen,

in denen sich Menschen mit geringer Ansteckungsgefahr an der frischen Luft aufhalten können. Dabei müssen Besucherströme so gelenkt werden, dass keine ungewollten Menschenansammlungen entstehen können.

Des Weiteren müssen die Bürgerinnen und Bürger durch eine groß angelegte Informationskampagne über die Gefahren von ungeschützten oder häufig wechselnden Kontakten in Innenräumen aufgeklärt werden. Ungeschützt meint dabei Kontakte ohne Maske und ohne Abstand, sowie für einen zu langen Zeitraum ohne dass ausreichend gelüftet würde.

Darüber hinaus wird die Landesregierung aufgefordert, die CoronaSchVO anhand neuester Erkenntnisse der Aerosolforschung zu überarbeiten und hinsichtlich der Aufenthalte in Innenräumen oder im Freien weiter zu differenzieren.

III. Beschluss

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die CoronaSchVO an folgenden Stellen zu ändern:

  1. In § 1 wird Absatz 4 gestrichen. Die bisherigen Absätze 5 bis 8 werden zu Absätze 4 bis 7.
  2. § 2 Absatz 3 wird wie folgt geändert:

„(3) Soweit dies zur bestimmungsgemäßen Nutzung von nach dieser Verordnung zugelassenen Einrichtungen und Angeboten erforderlich ist, kann auf die Einhaltung des Mindestabstands verzichtet werden, wenn zur vollständigen Verhinderung von Tröpfcheninfektionen geeignete Schutzmaßnahmen (bauliche Abtrennung, Abtrennung durch Glas, Plexiglas oder ähnliches) vorhanden sind oder die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 besteht.“

  1. § 4c Absatz 4 wird wie folgt geändert:

„(4) Ein Modellprojekt kann in den ausgewählten Kommunen beginnen, wenn an fünf aufeinander folgenden Werktagen die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen bezogen auf 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) des Landes Nordrhein-Westfalen nach den täglichen Veröffentlichungen des Landeszentrums Gesundheit den Schwellenwert von 50 unterschreitet. Das Modellprojekt ist auf die Dauer von mindestens drei Wochen zu befristen. Modellprojekte sind nur zulässig, wenn in dem jeweiligen Kreis oder der jeweiligen kreisfreien Stadt zu Beginn des Modellprojekts die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen bezogen auf 100 000 Einwohner (7-Tages-Inzidenz) des Landes Nordrhein-Westfalen nach den täglichen Veröffentlichungen des Landeszentrums Gesundheit nicht mehr als 100 beträgt.“

  1. § 10 wird wie folgt geändert:
  2. 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„2. Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen, und ähnlichen Einrichtungen für Freizeitaktivitäten in Innenräumen,“

  1. 3 S. 1 wird wie folgt gefasst:

„(3) Der Betrieb von Zoologischen Gärten, Tierparks, Minigolfanlagen, Hochseilgärten, Kletterparks und ähnliche Stätten im Freien ist mit vorheriger Terminbuchung und bei sichergestellter einfacher Rückverfolgbarkeit nach § 4a Absatz 1 zulässig.“

  1. Nach § 12 wird ein neuer § 12a eingefügt:

㤠12a

Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2

  • Zur Minderung des betrieblichen SARS-CoV-2-Infektionsrisikos hat der Arbeitgeber Beschäftigten, soweit diese nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten, mindestens zweimal pro Kalenderwoche einen Test in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten.
  • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich zweimal wöchentlich auf das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu testen oder testen zu lassen, wenn er an mindestens einem Arbeitstag pro Kalenderwoche nicht ausschließlich in der Wohnung arbeitet. Die Tests sind vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Der Nachweis über die Testung ist für die Dauer von vier Wochen aufzubewahren.“
  • Absatz 1 gilt nur, soweit ausreichend Tests zur Verfügung stehen und deren Beschaffung zumutbar ist.
  • Für Betriebe, Unternehmen, Behörden und andere Arbeitgeber ergeben sich darüber hinaus für die Arbeitstätigkeit einschließlich der betrieblichen und überbetrieblichen praktischen Ausbildung die Vorgaben zum Infektionsschutz aus den Anforderungen des Arbeitsschutzes, insbesondere den Vorgaben zur Kontaktreduzierung im Betrieb, zum Angebot von Heimarbeit sowie zur Verpflichtung des Arbeitsgebers zur Bereitstellung von Masken und der Verpflichtung der Beschäftigten zum Tragen der Masken aus der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 21. Januar 2021 (BAnz AT 22.01.2021 V1), und weiteren einschlägigen Rechtsvorschriften.
  • Im Kontakt zwischen Beschäftigten und Kundinnen, Kunden oder ihnen vergleichbaren Personen sind darüber hinaus die Regelungen dieser Verordnung zu beachten. Unabhängig von solchem Kontakt ist in geschlossenen Räumen eine medizinische Maske nach § 3 Absatz 1 Satz 2 zu tragen unter Ausnahme des konkreten Arbeitsplatzes, sofern dort ein Abstand von 1,5 Metern zu weiteren Personen sicher eingehalten werden kann; weitergehende Pflichten zum Maskentragen aus den vorgenannten arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften oder konkreten behördlichen Anordnungen bleiben unberührt.“
  1. § 16 Abs. 2 wird gestrichen.
  2. Die CoronaSchVO anhand neuester Erkenntnisse der Aerosolforschung zu überarbeiten und hinsichtlich der Aufenthalte in Innenräumen und Aufenthalte im Freien weiter zu differenzieren.