Campus der Zukunft – Innovatives Lernen und Lehren für eine exzellente Hochschul­landschaft in NRW

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

I. Ausgangslage

Hohe Qualitätsstandards und die Innovationskraft unserer Hochschulen in Forschung und Lehre haben die Entwicklung Nordrhein-Westfalens zu einer wissenschaftlich und wirtschaft­lich starken Region in Deutschland und Europa unterstützt. Im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung müssen wissenschaftliche Erkenntnisse die Grundlage für Bildungsformate in der beruflichen Ausbildung und im Studium sein. Denn effektive Bildungsangebote und Lern­orte sind der Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Abmilderung des Fachkräf­temangels und zur Sicherung unseres Wohlstands.

Innovative Lernorte funktionieren nicht ohne eine innovative Lehre. Kare Lernziele und ein aktivierender Einbezug von Studierenden in den Lehrprozess können den größten positiven Beitrag zum Lernerfolg von Studierenden leisten. Dazu gehört es letztlich auch, dass ausrei­chend Kapazitäten für die Lehre bereitgestellt werden und didaktische Kompetenzen an den Hochschulen gestärkt werden

Durch neue Arbeitsformen, eine sich verändernde Didaktik, neue Lernformate und Lehrmetho­den haben sich die Anforderungen an den Hochschulen verändert. Die gestiegene Bedeutung digitaler und hybrider Lehre in den vergangenen Jahren, aber auch der gestiegene Anspruch nach Lernräumen für Gruppen von Studierenden und der Trend zur Projektarbeit beeinflussen den Lern- und Arbeitsalltag auf dem Campus und erfordern eine flexiblere Raumplanung. Auch auf aktuelle und kommende technische Entwicklungen, die einen Einfluss auf Hochschulen, Lehre und Arbeit haben können, muss schneller und flexibler reagiert werden können und haben womöglich veränderte Flächenbedarfe zur Folge.

Der Großteil der Bildungsinfrastruktur in Deutschland wurde im vergangenen Jahrhundert er­dacht und gebaut. Dementsprechend spiegelt sich darin auch nur das damalige Verständnis von Didaktik und Lernprozessen wieder. Lernorte des 21. Jahrhunderts müssen durch eine pädagogische Architektur Flexibilität und Vernetzung ermöglichen, inklusiv sein und die viel­fältigen Bedürfnisse der Hochschulmitglieder berücksichtigen. Das richtige Umfeld fördert Kre­ativität, Kollaboration und macht den Aufenthalt an einem Lern- und Arbeitsort zu einem posi­tiven Erlebnis.

Dabei geht es nicht nur um das einzelne Gebäude, sondern auch um sein Umfeld und die städtebaulichen Qualitäten der Hochschulen in Bezug auf Klimaneutralität und Resilienz. Hochschulen sollten sich zukünftig auch noch stärker in die Stadtgesellschaft integrieren, bau­lich wie gesellschaftlich. Querbezüge zwischen Lernen, Leben und der Gesellschaft als Gan­zes werden so optimiert. Daher sollten bei baulichen Veränderungen, Neubauten und neuen Standorten Hochschulbau und städtische Entwicklung zusammen gedacht werden.

Flexibel nutzbare Räume und die Anbindung ins Stadtbild ermöglicht, dass Hochschulen in der Mitte der Gesellschaft sind. Neue Formate der Wissenschaftskommunikation, der Einbe­zug von Öffentlichkeit in Forschung, wie zum Beispiel Citizen Science, und gerade in städti­schen Räumen eine effiziente Nutzung der Ressource „Raum“ in Kooperation mit Unterneh­men, Kitas, Schulen und Weiterbildungseinrichtungen machen die Hochschulen zu wichtigen Partnerinnen gesellschaftlichen Lebens.

Ein immer wichtiger werdender Aspekt der Hochschulinfrastruktur ist zudem auch eine gute Einbindung in den öffentlichen Personennahverkehr. Alle Akteure bei der Planung von Hoch­schulinfrastruktur sind aufgefordert, ganzheitliche Konzepte einer nachhaltigen Mobilität für Studierende und Beschäftigte mitzudenken und zu partizipativ zu entwickeln.

Auch attraktive Begegnungsflächen und -räume, die für Austausch, Selbststudium, studenti­sches Engagement, zur geistigen oder körperlichen Erholung oder zum sportlichen Ausgleich genutzt werden können, die Kultur in die Hochschule tragen oder einzelne Fachbereiche einer Hochschule für die gesamte Hochschulgemeinschaft öffnen, steigern die Attraktivität als Lern-und Arbeitsort. Teile der Hochschule müssen gewissermaßen schon als Start-up-Lab konzi­piert werden, um interdisziplinäre und innovative Denkräume zu öffnen.

In den kommenden Jahren besteht weiterhin ein hoher Sanierungsbedarf bei Hochschulge­bäuden. Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN hat sich daher in ihrem Zukunftsvertrag das klare Ziel gesetzt, die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu modernisieren, zu sanieren und dabei möglichst bis 2035 klimaneutral zu machen.

Ein heutzutage neu errichtetes oder saniertes Gebäude wird voraussichtlich 40 bis 50 Jahre genutzt werden können. Deshalb müssen neben den aktuellen auch die zukünftigen Anforde­rungen einer pädagogischen Architektur berücksichtigt und zugleich den veränderten Flächen­bedarfen durch digitale Lehre und Nachhaltigkeit Rechnung getragen werden. Aktuelle For­schungsergebnisse aus dem Bereich der pädagogischen Architektur müssen bei den Planun­gen für Sanierung oder Neubau von Hochschulgebäuden konsequent berücksichtigt werden.

Essenziell ist daneben eine Beschleunigung der Bauzeiten, damit die Gebäude nicht nur auf der Höhe der Zeit geplant, sondern auch realisiert werden können. Hierfür müssen die Hoch­schulen unter anderem noch stärker bereit sein, auch ohne den Bau- und Liegenschaftsbetrieb in der Projektumsetzung mit Dritten effiziente Lösungen zu suchen. Dazu stehen den Hoch­schulen schon heute Möglichkeiten zur Verfügung, etwa über das sogenannte „Optionsmodell“ im Hochschulgesetz, das es den Hochschulen erlaubt, selbst die Bauherreneigenschaft und die Eigentümerverantwortung zu übernehmen. Eine Beschleunigung der Prozesse und Ver­fahren im Hochschulbau erfordert auch eine Überprüfung des Mietausgabenbudgetierungsverfahrens auf Optimierungspotenziale.

 

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Qualitativ hochwertige Bildungsangebote- und Bildungsinfrastruktur sind der Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Abmilderung des Fachkräftemangels, zur Si­cherung unseres Wohlstands und für eine nachhaltige Entwicklung. Eine attraktive Lern-und Arbeitsumgebung kann die Lernmotivation von Studierenden und die Arbeitsmoti­vation von Hochschulbeschäftigten verbessern.
  • Neue Lehrmethoden und ein verändertes Arbeits- und Lernverhalten verändern den Hochschulalltag, etwa bei der Nutzung von Räumen und Flächen, und bedürfen daher auch besonderer Berücksichtigung bei der Raum- und Bauplanung an Hochschulen.
  • Die Infrastruktur an den nordrhein-westfälischen Hochschulen gilt es zeitgemäß, inklusiv und nachhaltig weiterzuentwickeln. Hochschulsanierungen und notwendige Neubauten können mit kreativen Lösungen als Chance für das Lernen und Lehren der Zukunft ver­standen werden, wenn sie sich von der reinen Sanierung, und damit der Wiedererrich­tung der Lernwelten vorhergehender Jahrzehnte, lösen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die Hochschulen weiter dafür zu sensibilisieren, bei der Planung und Sanierung von Ge­bäuden sowohl aktuelle Forschungsergebnisse, als auch veränderte Flächenbedarfe durch ein verändertes Arbeits- und Lernverhalten angemessen zu berücksichtigen und damit den engen Korridor rein bautechnischer Sanierungen hin zu modernen, inklusiven Lern- und Arbeitsumgebungen zu verlassen.
  • Hochschulen und Kommunen dafür zu sensibilisieren, Hochschulbau und Stadtentwick­lung stärker zusammen zu denken und dabei die Erfordernisse einer wirtschaftlichen Bauausführung zu berücksichtigen.
  • die Hochschulen darin zu unterstützen, dass für alle Hochschulstandorte, unter Einbe­ziehung der verschiedenen Statusgruppen, ganzheitliche Konzepte einer nachhaltigen Mobilität erstellt und umgesetzt werden.
  • Hochschulen dabei zu unterstützen, dass auf eine möglichst zeitnahe Umsetzung von Neubau- und Sanierungsvorhaben geachtet wird und bei der Projektumsetzung effizi­ente Lösungen in den Blick genommen werden, inklusive gegebenenfalls der eigenen Bauherreneigenschaft und Eigentümerverantwortung.
  • einen Austausch zwischen Bauverantwortlichen aus Hochschulen und dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb mit Expertinnen und Experten im Bereich der „innovativen Lern­orte“ anzuregen und nach Möglichkeit „Best-Practice“-Beispiele oder Modellcampi zu fördern.
  • zur weiteren Verstärkung ihrer Aktivitäten auf diesem Feld die Hochschulen zu bitten, innerhalb hochschulübergreifender Plattformen, wie beispielsweise dem „Kompetenz­zentrum Bauen“ der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften die Einrichtung einer Projektgruppe „Innovative Lernorte“ zu prüfen.
  • das Mietausgabenbudgetierungsverfahren im Hochschulbau dahingehend zu überprü­fen, wie eine schnellere und bürokratieärmere Umsetzung von Bauprojekten an Hoch­schulen erreicht werden kann.